Die juristische Presseschau vom 13. Dezember 2013: Vorratsdatenspeicherung ade? – Degenhart zu SPD-Entscheid – EuGH zu Hartz-IV für Ausländer

13.12.2013

Der EuGH-Generalanwalt lässt zwar nicht die Vorratsdatenspeicherung insgesamt über die Klinge springen, hält die Ausgestaltung aber für in vollem Umfang unverhältnismäßig. Außerdem in der Presseschau: Degenhart zum SPD-Mitgliederentscheid, EuGH muss sich mit Hartz-IV-Regelung befassen, Ackermanns Verfassungsbeschwerde wird nicht angenommen, Bettina Wulff sagt aus und: Warum wollen denn heute alle Nerds sein?

Tagesthema

EuGH-Generalanwalt zu Vorratsdatenspeicherung: In seinen Schlussanträgen zu Vorabentscheidungsgesuchen aus Irland und Österreich hat der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs Pedro Cruz Villalón die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung als für "in vollem Umfang" unvereinbar mit der EU-Grundrechtecharta beurteilt und konstatierte einen qualifizierten und unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens (Art. 7 Grundrechtecharta). lto.de (Claudia Kornmeier) berichtet. Die Speicherung nach der Richtlinie ermögliche die Erstellung von Bewegungs- und Persönlichkeitsprofilen und berge großes Missbrauchspotential. Die Richtlinie sei mit Blick darauf zu unpräzise formuliert - es fehle etwa ein Katalog bestimmter Straftaten - und missachte damit den Gesetzesvorbehalt aus der Charta. Auch die Speicherung von Daten bis zu zwei Jahre sei unverhältnismäßig. Gleichwohl habe Villalón der Vorratsdatenspeicherung keine grundsätzliche Absage erteilt und schlage eine angemessene Übergangszeit vor, in der die Ungültigkeit der Richtlinie ausgesetzt werden solle. Auch die FAZ (Helene Bubrowski) erläutert die Schlussanträge sowie möglichen Konsequenzen für den deutschen Gesetzgeber. Ebenso berichten die taz (Christian Rath), die SZ (Wolfgang Janisch), die FR (Steffen Hebestreit)und die Welt (Manuel Bewarder).

Auch zeit.de (Kai Biermann) informiert und bietet gleich die Schlussanträge. "Antworten auf die wichtigsten Fragen" liefert spiegel.de (K.Lischka/C.Hecking/O.Reißmann). Die Reaktionen in Berlin fasst die taz zusammen: Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) mahnt, die EU-Kommission solle die Richtlinie aufheben. Bundesdatenschutzbeauftragter Peter Schaar meint, auf dieser Grundlage dürfe eine Wiedereinführung erst einmal nicht in Betracht gezogen werden. Union und SPD sähen sich indes durch die Schlussanträge bestätigt: Es sei nur eine Frage des "Wie", nicht des "Ob". Zu den politischen Reaktionen berichtet auch die FAZ (Johannes Leithäuser).

In Richtung des EuGH kommentiert Heribert Prantl (SZ): "Raus aus dem Grundrechtshalbschlaf". Ohne starke Grundrechte sei es ein schwaches Europa. Geboten sei, dass die Richter den Anträgen nicht nur wie üblich folgen, sondern über die Vorgaben deutlich hinaus gehen. Enttäuscht zeigt sich Christian Rath (taz): Was beanstandet wird, ist in Deutschland ohnehin "längst erfüllt" und die "vorsorgliche Massenüberwachung" wird als solche nicht infrage gestellt. Mehr Aufmerksamkeit für den Datenschutz begrüßt Reinhard Müller (FAZ, ähnlich FAZ.net), meint aber, ohne die oft "ohnehin gespeicherten Daten" könne man Kriminalitätsbekämpfung auch gleich einstellen und wer "die Speicherung schon für den schwersten Eingriff hält", habe die Maßstäbe verloren. Thomas Stadler (internet-law.de) hatte zwar erwartet, dass der Generalanwalt die Richtlinie nicht unbeanstandet lässt, ist vom Umfang der Kritik aber überrascht.

Rechtspolitik

Verfassungsrechtliche Bedenken bei SPD-Mitgliederentscheid: Auf der Staat und Recht-Seite der FAZ findet sich unter dem Titel "Wer mit den Parteien heult" ein Gastbeitrag der Staatsrechtslehrer Christoph Degenhart und Hans-Detlef Horn (Zusammenfassung auf FAZ.net). Sie kritisieren nicht nur den SPD-Mitgliederentscheid zum Koalitionsvertrag, sondern auch die Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember zum selbigen: Eine "Stärkung der parteienstaatlichen Demokratie" mit dem Bundesverfassungsgericht als deren "integrierendem Bestandteil". Im politischen Willensbildungsprozess agierten Parteien längst als eine "Zwischengewalt", deren "Exklusivherrschaft" die repräsentative Demokratie um "ihren politischen Sinn" bringe.

DAV zu Fahrverbot: Der Deutsche Anwaltverein lehnt die schwarz-roten Pläne zur Einführung eines Fahrverbotes als Hauptstrafe ab. Vom Charakter her handele es sich beim Fahrverbot um eine Nebenstrafe. Dazu lto.de.

Asylverfahren: Im Schnitt sollen Asylverfahren nach den schwarz-roten Koalitionsplänen nur noch maximal drei Monate dauern, berichtet die taz (Daniel Bax). Dazu solle etwa das Personal im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aufgestockt und Bosnien und Herzegowina, Mazedonien sowie Serbien als sichere Herkunftsländer eingestuft werden: Asylanträge von Staatsangehörigen aus diesen Ländern können dann schneller bearbeitet werden. Auch sollen Angehörige der Bundeswehr die Verwaltung im Bundesamt unterstützen.

Hauptausschuss für Bundestag: Der Staatsrechtslehrer und ehemalige Bundesverfassungsrichter Hans Hugo Klein widmet einen ausführlichen, auch rechtshistorischen Gastbeitrag im Staat und Recht-Teil der FAZ dem Hauptausschuss, welcher alsbald im Bundestag eingesetzt werden solle. Obgleich Klein wenig Verständnis für die fehlende Einsetzung der üblichen Ausschüsse hat und dies für keineswegs verfassungsrechtlich unbedenklich hält, sei die Schwelle zur Verfassungswidrigkeit noch nicht überschritten.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 13. Dezember 2013: Vorratsdatenspeicherung ade? – Degenhart zu SPD-Entscheid – EuGH zu Hartz-IV für Ausländer . In: Legal Tribune Online, 13.12.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10352/ (abgerufen am: 02.05.2024 )

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