Die juristische Presseschau vom 27. November 2014: Bundesverwaltungsgericht zu Sonntagsarbeit – Anti-Terror-Gesetze – Straffreiheit für V-Leute

27.11.2014

Recht in der Welt

Luxemburg - Umstrukturierung der EU-Gerichte: Der Europäische Gerichtshof hat sich mit einem Vorschlag zur Reformierung der EU-Gerichte an den Rat der Europäischen Union gewandt. Demnach solle das Gericht für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union, das einzige Fachgericht der EU, abgeschafft und im "Europäischen Gericht" integriert werden. Des Weiteren solle die Zahl der Richterstellen des EuG verdoppelt werden. Ursächlich für den Vorschlag sei die Überlastung der EU-Gerichte. Ziel sei die Erhöhung der Rechtsprechungskapazität. Der Privatdozent Alexander Thiele erläutert für lto.de die Hintergründe des Vorschlags und setzt sich insbesondere kritisch mit der Auflösung des EuGöD auseinander. Er sieht in der geplanten Reform keine endgültige Lösung der Überlastungsfrage und stellt auch einen eigenen Vorschlag für die Entlastung der EU-Gerichte vor.

Großbritannien - Anti-Terror-Gesetze: Auch in Großbritannien wurde am gestrigen Mittwoch ein Gesetz zur Bekämpfung gewaltbereiter Islamisten auf den Weg gebracht. Der Entwurf der Innenministerin Theresa May (Conservative Party) sieht unter anderem vor, Verdächtigen vorübergehend den Pass zu entziehen. Auch können Betroffene mit einem Einreiseverbot von bis zu zwei Jahren belegt oder auf die "Flugverbotsliste" gesetzt werden. Zudem soll die Bestimmung des Aufenthaltsortes von Terrorverdächtigen innerhalb des Königreichs ermöglicht werden. Der britische Jurist David Anderson kritisiert, dass es wohl keine Option geben solle gegen die Verhängung des Einreiseverbots gerichtlich vorgehen zu können. Dies berichtet die FAZ (Jochen Buchsteiner).

Juristische Ausbildung

Europarechtsapp: Der Europarechtler Ulrich Fastenrath hat mit seinem Assistenten Thomas Groh eine kostenlose App zum Europarecht fürs Handy entwickelt. Grund dafür ist die zunehmende Relevanz des Unionsrechts im Jurastudium und Examen. Die FAZ (Helene Bubrowski) stellt die App vor. Diese bietet umfassende Informationen zu der rechtlichen Ausgestaltung der EU. Sie beinhaltet nicht nur Erläuterungen zu den EU-Organen und Definitionen zu Begriffen, sondern auch einen Überblick über das Gesetzgebungsverfahren in der EU. Die App ersetze allerdings weder Lehrbuch, noch Vorlesung. Sie sei für Studenten geeignet, die bereits die Grundzüge des Europarechts verstanden haben.

Sonstiges

Wahl der Verfassungsrichter: Die Wahl der Bundesverfassungsrichter soll reformiert werden. Es soll gewährleistet werden, dass der Bundestag seine Aufgabe erfüllt und die Hälfte besagter Richter selbst wählt. Bislang wurde dies einem Ausschuss übertragen. Die Beratung über die in Frage kommenden Kandidaten solle nach wie vor von besagtem Ausschuss unter Ausschluss der Öffentlichkeit vorgenommen werden. Lediglich die schlussendliche Wahl solle im Bundestag stattfinden. Rolf Lamprecht (Die Zeit) kritisiert die geplante Reform, denn seines Erachtens sei das Problem der geheimen Auswahl der Richter nicht gelöst. Er ist der Ansicht, dass der Bundestag die präsentierten Kandidaten nur noch abnicken wird. Er moniert daher die weiterhin fehlende Transparenz im Auswahlverfahren. Reformer sehen in der öffentlichen Personaldiskussion die Gefahr des Autoritätsverlusts der Richter. Lamprecht legt dar, weshalb er dies für ein Scheinargument hält und erklärt, weshalb er sich für eine transparente, demokratische Richterwahl einsetzt.

Das Gurlitt-Erbe: Das Kunstmuseum Bern hat das Erbe von Cornelius Gurlitt am vergangenen Montag angenommen. lto.de (Anne-Christine Herr) berichtet jetzt auch und gibt Einblicke in den Prozess der Entscheidungsfindung des Museums. Zudem gibt es einen Ausblick darüber, was mit den Kunstwerken geschehen wird. So sollten beispielsweise Werke, die als Raubkunst eingestuft werden, nach den "Washingtoner Prinzipien" wieder zu den Berechtigten zurück geführt werden. Kurz wird noch darauf eingegangen, dass eine Verwandte des Kunstsammlers die Ausstellung eines Erbscheins beantragt hat.

Der Strafrechtsprofessor Hans Theile erläutert für die FAZ ausführlich die strafprozessualen Entwicklungen im Fall Gurlitt. Dabei kritisiert er an verschiedenen Punkten das staatliche Vorgehen – insbesondere der Organe der Strafjustiz. So sei die Durchsuchung von Gurlitts Wohnung sowie die Beschlagnahme der Kunstsammlung strafprozessrechtlich zweifelhaft. Es sei bereits die Verdachtsgrundlage kaum ausreichend gewesen, um die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen zu gewährleisten. Ferner stellt er dar, weshalb sich die Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände schwierig gestaltete. Schließlich geht er noch auf die "rechtsstaatliche Katastrophe" – die Vereinbarung zwischen dem Freistaat Bayern, dem Bund und dem Kunstsammler – ein.

Illegalität von "Steuerwettbewerb": Der Direktor des Max-Planck-Instituts für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen, Wolfgang Schön, äußert sich in der FAZ zu den verschiedenen Fällen, in denen natürliche und juristische Personen versucht haben, ihre Steuerlast zu senken. Schön stellt fest, dass die Grenzen zwischen legaler Steuerplanung und rechtswidriger Praxis verschwimmen können. Er erläutert jedoch, weshalb das Zusammenwirken von Steuerpflichtigen, Beratungsgesellschaften und Behörden, um günstigere Rechtsfolgen zu bewirken, gegen das europäische Wettbewerbsrecht und in manchen Fällen gegen nationales Steuerrecht verstößt.

Verdeckte Ermittlung und Rundfunkfreiheit: Die verdeckte Ermittlerin, Iris P., hatte in den Jahren zwischen 2000 und 2006 die linke Szene in Hamburg untersucht. Unter anderem beteiligte sie sich in der Redaktion des Freien Senderkombinats, des Hörfunks besagter Szene in Hamburg. Es besteht die Möglichkeit, dass die Polizei damit gegen die Rundfunkfreiheit verstoßen hat. Aus diesem Grund wird das FSK juristisch gegen diese Maßnahme vorgehen. Die SZ (Thomas Hahn) nimmt dies zum Anlass die Tätigkeit der verdeckten Ermittlerin in besagtem Radio darzustellen.

Legalisierung von Cannabis: In Deutschland soll eine Sektion des US-amerikanischen Vereins "Law Enforcement against Prohibition" gegründet werden. Dieser ist ein Zusammenschluss von Richtern, Staatsanwälten, Politikern und Polizisten, welcher sich für die Legalisierung von Cannabis einsetzt und in den USA bereits 15.000 Mitglieder hat. Der Polizeipräsident von Münster, Hubert Wimber, soll Gründungspräsident der deutschen Sektion werden. Die nordrhein-westfälische Landesregierung verbot ihm das Engagement im Verein, laut Innenminister Ralf Jäger (SPD). Dies meldet die SZ (Bernd Dörries).

Das Letzte zum Schluss

Schadensersatz wegen Hypnose: justillon.de (Andreas Stephan) bringt ein Urteil des Amtsgerichts Schwabach aus dem Jahr 2000 zu folgendem Fall. Während einer Hypnoseshow wurde eine Frau in Trance versetzt. Der Hyponotiseur hätte damals besser aufpassen und nicht zeitgleich sieben weitere Zuschauer hypnotisieren sollen, denn sonst hätte er gemerkt, dass seine Künste sehr wirksam waren. Die arme, völlig hypnotisierte Frau fiel "steif wie ein Brett" nach vorne um und schlug mit dem Gesicht auf den Boden auf. Das Gericht sah es als unzureichend an, dass der Künstler lediglich eine Hilfsperson einsetzte und verurteilte ihn zu einem Schadensersatz in Höhe von 4.300 DM.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/vb

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 27. November 2014: Bundesverwaltungsgericht zu Sonntagsarbeit – Anti-Terror-Gesetze – Straffreiheit für V-Leute . In: Legal Tribune Online, 27.11.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13937/ (abgerufen am: 03.05.2024 )

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