Die juristische Presseschau vom 27. November 2014: Bundesverwaltungsgericht zu Sonntagsarbeit – Anti-Terror-Gesetze – Straffreiheit für V-Leute

27.11.2014

Das BVerwG setzte am gestrigen Mittwoch den ausufernden Ausnahmen vom Sonntagsarbeitsverbot Grenzen. Außerdem in der Presseschau: Thomas de Maizière will gewaltbereiten Islamisten den Personalausweis entziehen, die Grünen wollen die künstliche Befruchtung auch für unverheiratete Paare, das Bundesinnenministerium will V-Leute in bestimmten Fällen Straffreiheit zukommen lassen und der Hypnotiseur, der bestimmt keinen Haftungsfall herbeiführen wollte.

Thema des Tages

BVerwG zu Sonntagsarbeit: Das Bundesverwaltungsgericht hat am gestrigen Mittwoch wesentliche Teile der Bedarfsgewerbeverordnung des Landes Hessen für unwirksam erklärt. Die Richter begrenzten damit die Ausweitung der Sonntagsarbeit. So bestehe kein besonderes Bedürfnis für den Betrieb von Callcentern, Videotheken, öffentlichen Bibliotheken sowie Lotto- und Totogesellschaften an einem Sonntag. Pferdewetten hingegen seien zulässig, die Herstellung von Speiseeis ebenso, wenn jedoch nur bedingt. Das Gericht stellte ferner fest, dass die hessische Landesregierung grundsätzlich zu dem Erlass der Verordnung ermächtigt sei. Dies sah der Verwaltungsgerichtshof Kassel in der Vorinstanz anders. Viele Bundesländer haben ähnliche Verordnungen, sodass damit zu rechnen sei, dass das Urteil noch weitere Konsequenzen haben wird. Das Arbeitszeitgesetz sieht bereits Ausnahmen vom Beschäftigungsverbot vor und räumt den Ländern die Befugnis ein, weitere Ausnahmen zu beschließen. Fraglich war im vorliegenden Fall, wie weit diese dabei gehen dürfen. Ursprünglich hatten die Gewerkschaft Verdi und zwei evangelische Gemeindeverbände geklagt. Sie bekamen schließlich vor dem hessischen Verwaltungsgerichtshof Recht. Das Land Hessen ging gegen diese Entscheidung in Revision. Dies berichten süddeutsche.de (Wolfgang Janisch), der Tagesspiegel (Ursula Knapp), das Handelsblatt und die FAZ.

Heribert Prantl (SZ) setzt sich für das bundesgesetzliche Arbeitsverbot am Sonntag ein. Er sieht in diesem wichtigen Wochentag eine "historisch, kulturell und verfassungsrechtlich fest abgesicherte Tradition", welche gegen exzessive Ladenöffnungszeiten verteidigt werden müsse. Länder dürften nicht maßlos von der Erteilung von Ausnahmen vom Sonntagsarbeitsverbot Gebrauch machen. Der Staat müsse das Sonntagsgrundrecht achten, meint Prantl.

Rechtspolitik

Anti-Terror-Gesetze: In Zukunft soll es möglich sein, gewaltbereiten Islamisten den Personalausweis zu entziehen, um sie an der Ausreise aus Deutschland zu hindern. Besagter Personenkreis soll davon abgehalten werden, sich am Kampf des IS beteiligen zu können. Der Entzug soll zunächst für sechs Monate gelten, aber zwei Mal verlängert werden können, bis zu einem Zeitraum von 18 Monaten. Statt des Personalausweises sollen die Betroffenen ein Ersatzdokument erhalten, welches allerdings einen Ausreise-Sperrvermerk beinhalten und ausschließlich innerhalb der Bundesrepublik gelten soll. Dies sieht ein am gestrigen Mittwoch veröffentlichter Gesetzentwurf des Bundesinnenministers Thomas de Maizière (CDU) vor. Teile der Opposition kritisieren die geplante Reform als "pure Symbolpolitik". Über die geplante Regelung und entsprechende Hintergründe berichten die SZ (Stefan Braun), die taz (Daniel Bax) und tagesschau.de (Michael Götschenberg).

Stefan Braun (SZ) gibt in einem separaten Kommentar zu Bedenken, dass der Entzug des Personalausweises einen erheblichen Eingriff in die Freiheitsrechte darstellt und die geplante Maßnahme nicht aufgrund einer Straftat, sondern lediglich wegen einer "vagen Annahme" geschehen solle. Die entsprechende Entscheidung obliege künftig Ordnungsämtern und Sicherheitsbehörden, eine gerichtliche Überprüfung sei erst im Nachhinein möglich. Braun hofft darauf, dass Gerichte hier "sehr schnelle und sehr gute Arbeit" leisten.

Gleichstellungsgesetz: Am vergangenen Dienstag einigte man sich im Koalitionsausschuss auf eine Regelung zur Frauenquote. Es berichten jetzt auch die SZ (Constanze von Bullion) und die FAZ (Johannes Leithäuser). So werden börsennotierte und mitbestimmungspflichtige Unternehmen bei Neubesetzungen ab dem Jahr 2016 mindestens 30 Prozent Frauen in den Aufsichtsrat wählen müssen. Quasi als Sanktion solle der "freie Stuhl" bei Nichterreichen der Quote bleiben. Als Ausnahme ist allerdings geplant, dass Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter die Quote nicht mehr zwingend getrennt erreichen müssen. Bei Einvernehmen ist eine Verrechnung möglich – sollten beispielsweise auf Arbeitgeberseite mehr Frauen als verlangt vertreten sein, könne das für die Quote auf Arbeitnehmerseite berücksichtigt werden. Des Weiteren sollen Dokumentationspflichten für Unternehmen reduziert und ein sogenanntes "Nicht-Verschlechterungsgebot" eingeführt werden.

Katharina Schneider (Handelsblatt) spricht sich für die Erweiterung der Frauenquote auf die mittlere und obere Führungsebene aus. Sie beschreibt, weshalb – ihrer Ansicht nach – die geplante Regelung ein "weichgespültes Gesetz ohne Wirkung auf die Unternehmenskultur in Deutschland" sei.

Heribert Prantl (SZ) skizziert in diesem Zusammenhang die Historie der Gleichberechtigung beginnend mit der "Revolutionsformel", "Männer und Frauen sind gleichberechtigt",  welche 1949 ins Grundgesetz geschrieben wurde. Über verschiedene verfassungsgerichtliche Bemühungen zur Umsetzung dieses Grundsatzes kommt er schließlich zur Frauenquote. Er hofft auf "ein neues Kapitel der Gleichberechtigung".

Maut und Überwachung: Die Zeit (Felix Rohrbeck) erklärt, weshalb die geplante Einführung der Pkw-Maut wohl mit der Überwachung deutscher Autofahrer einhergehen wird. Nicht nur ausländische Benutzer der Bundesfernstraßen, sondern auch alle deutschen Autofahrer werden nach der geplanten Reform die Maut "für die Nutzung von Bundesautobahnen und Bundesfernstraßen" entrichten müssen. Der Jurist Thomas Mayen ist der Ansicht, es handele sich dabei um eine Benutzungsgebühr, die dementsprechend lediglich für die tatsächliche Nutzung erhoben werden darf. Problematisch sei, dass manche deutschen Autofahrer besagte Straßen gegebenenfalls nicht befahren, somit eigentlich keine Gebühr entrichten müssten. Der Beweis der Nichtnutzung könnte allerdings zu einem Problem führen. Dieses möchte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), laut Zeit, lösen, indem die Kennzeichen erfasst und für 13 Monate gespeichert werden. Nur so könne die Behauptung der Nichtnutzung mautpflichtiger Straßen zweifelsfrei überprüft werden.

Straffreiheit für V-Leute: Das Bundesinnenministerium möchte Regelungen zu Auswahl und Einsatzbedingungen von V-Leuten des Verfassungsschutzes einführen. So sollen diese künftig für die Begehung bestimmter Delikte straffrei bleiben. Dies solle allerdings nur für Straftaten gelten, bei  denen ein Eingriff in die Grundrechte anderer ausgeschlossen werden kann. Beispiele hierfür bilden das Zeigen des "Hitlergrußes" oder die Verwendung von NS-Zeichen. Bei Delikten zulasten anderer solle der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit eingeräumt werden unter strengen Voraussetzungen von der Strafverfolgung abzusehen. Weitere Änderungen sollen sich bei der Bezahlung sowie bei der Auswahl der V-Leute ergeben. Über den Gesetzentwurf berichtet jetzt auch die taz (Christian Rath).

In einem Interview mit der taz (Christian Rath) äußert sich der innenpolitische Sprecher der SPD, Burkhard Lischka, zu dem Entwurf und verschiedenen Einschränkungen in der geplanten Reform. Er spricht sich für klare Regelungen aus, die das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit wahren. Für die straffreien Delikte solle es keine Liste geben. Die Entscheidung in den Einzelfällen bleibe der Judikative überlassen. Die Regelung gelte lediglich für die V-Leute des Bundesamtes für Verfassungsschutz.

Künstliche Befruchtung für Unverheiratete: Die Grünen haben am gestrigen Mittwoch einen Gesetzentwurf veröffentlicht, der unverheirateten Paaren die künstliche Befruchtung ermöglichen soll. Sie reagieren damit auf ein Urteil des Bundessozialgerichts aus der vergangenen Woche. Dieses hatte entschieden, dass Krankenkassen eine künstliche Befruchtung für unverheiratete Paare nicht einmal freiwillig finanzieren dürfen. Die Grünen sind der Ansicht die bisherige Rechtslage basiere auf einem "völlig veralteten Familienbild". Konkret solle § 27a im Sozialgesetzbuch V künftig für alle Paare, also auch unverheiratete und in Lebenspartnerschaft lebende, gelten. Dies berichtet die SZ (Nina von Hardenberg).

Kirchliches Arbeitsrecht: Die Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands entschied am gestrigen Mittwoch, dass Gewerkschaften künftig bei der Aushandlung von Arbeitsvertragsbedingungen und Gehältern beteiligt werden sollen. Die katholische Kirche in Deutschland reagierte damit auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2012. Die Entscheidung beinhaltete, dass das Streikverbot im kirchlichen Dienst nur dann gelten solle, wenn die Kirche die Gewerkschaften in Verhandlungen einbinde. Die Bischöfe fordern allerdings, dass die Gewerkschaftsmitglieder das "verfassungsmäßige Selbstbestimmungsrecht der Kirche achten und die Eigenart des kirchlichen Dienstes respektieren". Dies meldet die SZ (kna).

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 27. November 2014: Bundesverwaltungsgericht zu Sonntagsarbeit – Anti-Terror-Gesetze – Straffreiheit für V-Leute . In: Legal Tribune Online, 27.11.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13937/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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