Missbrauch in der Evangelischen Kirche: Studie geht von Tau­senden mut­maß­li­chen Tätern aus

25.01.2024

Die evangelische Kirche hat eine Missbrauchsstudie in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse am Donnerstag vorgestellt wurden. Sie sieht darin einen "Meilenstein", Kritiker dagegen rufen nach dem Staat als Ansprechpartner.

 

In Hannover ist am Donnerstag eine Studie zu sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Diakonie vorgestellt worden. Die Zahlen sind erschreckend hoch: Für die vergangenen Jahrzehnte zählten die Wissenschaftler 1.259 mutmaßliche Täter. Demgegenüber steht die Zahl von 2.225 Betroffenen. Die Zahlen wurden auf Grundlage der Akten der Landeskirchen und der Diakonie ermittelt. Zudem wurden auch die den Landeskirchen und diakonischen Werken bekannten Fälle in die Studie miteinbezogen. Die Wissenschaftler betonen, dass die Daten mit Vorsicht zu genießen seien: Nach ihren Berechnungen könnte sich sogar eine geschätzte Dunkelziffer von 3.497 mutmaßlichen Tätern ergeben.

2020 hatte die EKD die Studie in Auftrag gegeben. Sie sollte Strukturen hinsichtlich Gewalt und Machtmissbrauch begünstigenden Faktoren in der evangelischen Kirche analysieren. Bei der Auswertung konnten die Wissenschaftler nicht auf alle Personalakten der Pfarrer zurückgreifen, stattdessen wurden überwiegend Disziplinarakten analysiert. Die Studie kostete 3,6 Millionen Euro. Als Dachorganisation von 20 Landeskirchen vertritt die EKD bundesweit 19,2 Millionen evangelische Christen.

Betroffene sexualisierter Gewalt durch EKD-Mitglieder können können bei der Kirche Entschädigungsleistungen beantragen. Den Angaben der EKD zufolge werden je nach Fall Schmerzensgelder in einer Spanne von 5.000 bis 50.000 Euro ausgezahlt.

Christoph Meyns, Braunschweiger Landesbischof, sieht in der Studie einen "Meilenstein" auf dem Weg zu einer professioneller Aufarbeitung. Er zeigte sich erschüttert über das jahrzehntelange Versagen beim Umgang der EKD mit sexualisierter Gewalt. "Wir haben in der Vergangenheit entsprechende Taten nicht hinreichend bearbeitet und Menschen vor Übergriffen nicht ausreichend geschützt", sagte der Bischof am Donnerstag. Es komme nun darauf an, die Interessen und Bedürfnisse der Betroffenen in den Mittelpunkt zu stellen.

"Wir brauchen hier eine Verantwortungsübernahme des Staates. Denn es zeigt sich immer wieder, die Kirche ist für die Betroffenen kein Gegenüber", sagte Katharina Kracht, Vertreterin der Betroffenen und Mitglied im Beirat des Forschungsverbundes. Es brauche externe Fachleute und Beschwerdestellen, Aufarbeitung sei die Königsdisziplin. Aus ihrer Sicht fehle in den Landeskirchen aber Kompetenz und vermutlich auch Interesse, Fälle tatsächlich aufzudecken. "Wenn solche Nachforschungen nicht unternommen werden, bleiben Täter unentdeckt."

dpa/so/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Missbrauch in der Evangelischen Kirche: Studie geht von Tausenden mutmaßlichen Tätern aus . In: Legal Tribune Online, 25.01.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53725/ (abgerufen am: 01.05.2024 )

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