BGH zu "gerichtsinternen Versäumnissen": Wenn das OLG nicht ins EGVP guckt

05.10.2020

Wer seine Post nicht regelmäßig überprüft, kann nicht andere für Versäumnisse verantwortlich machen - das gilt auch für Gerichte, wie der BGH klarstellte. Erreicht ein Antrag via beA fristgerecht die Gerichtsserver, reicht das aus.

Ein elektronisches Dokument ist fristgerecht an ein Gericht übermittelt, wenn es im Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingegangen und auf dem Server aufgezeichnet ist. Ob das Gericht dann wegen Fehlern innerhalb interner Prozesse davon keine Notiz nimmt, ist nicht mehr entscheidend zur Fristwahrung. Das erklärte der Bundesgerichtshof (BGH) in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss (v. 25.08.2020, Az. VI ZB 79/19).

Eine Anwältin hatte beim Oberlandesgericht Braunschweig (OLG) Berufung in einem Fall im Abgasskandal einlegen wollen. Zur Übermittlung nutzte die Anwältin das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA). Der Antrag ging im EGVP des OLG fristgerecht ein und wurde auf dem für den Empfang bestimmten Server aufgezeichnet.

Später informierte das OLG die Anwältin und deren Mandanten jedoch darüber, dass die Berufung als unzulässig verworfen worden sei, da die Berufungsbegründung nicht fristgerecht eingegangen sei. Die Anwältin wies das Gericht per Screenshot von der beA-Eingangsbestätigung darauf hin, dass die Berufungsbegründung sehr wohl fristgerecht eingegangen sei. Das Gericht fand den Berufungsbegründungsschriftsatz daraufhin auf dem Server und druckte diesen aus, so wie es nach dem gerichtsinternen Prozess offenbar vorgesehen war.

"Gerichtsintere Versäumnisse" irrelevant für die Fristwahrung

Gegen den Verwerfungsbeschluss des OLG wandte sich der betroffene Mandant mit einer Rechtsbeschwerde an den BGH. Der erkannte in dem Verhalten des OLG eine Verletzung der verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte auf ein faires Verfahren und die Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes des betroffenen Klägers aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz. Gerichte dürften danach aus eigenen und ihnen zurechenbaren Fehlern, Unklarheiten oder Versäumnissen für die Beteiligten keine Verfahrensnachteile ableiten. Außerdem dürfe der Zugang zu Gerichten nicht "in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise" erschwert werden, konstatierte der BGH.

Die Karlsruher Richter stellten in deutlichen Worten klar, dass der betroffene Mandant und seine Anwältin alles richtig gemacht hätten. Die Berufung sei fristgerecht auf dem Server des OLG eingegangen. Dass sie vom Gericht nicht bemerkt und deshalb auch nicht ausgedruckt worden war, sei unerheblich. Aus einem solchen "gerichtsinternen Versäumnis" hätten dem Kläger keinesfalls Verfahrensnachteile entstehen dürfen. Dem stehe auch nicht der allgemeine Grundsatz der Subsidiarität im Rechtsbeschwerdeverfahren entgegen.

ast/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BGH zu "gerichtsinternen Versäumnissen": Wenn das OLG nicht ins EGVP guckt . In: Legal Tribune Online, 05.10.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43007/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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