BGH lehnt Vollstreckung von polnischem Urteil ab: KZ-Über­le­bender kann ZDF nicht zu Ent­schul­di­gung zwingen

21.08.2018

Im Streit zwischen dem ZDF und einem polnischen KZ-Überlebenden hatte nun der BGH das letzte Wort. Ein Urteil aus Polen, das den Sender zu einer öffentlichen Entschuldigung zwingen sollte, sei nicht vollstreckbar, so die Karlsruher Richter.

Ein ehemaliger polnischer KZ-Häftling kann das ZDF nicht dazu zwingen, eine öffentliche Entschuldigung für eine Unrichtigkeit in seiner Berichterstattung auf der Startseite seiner Website zu veröffentlichen. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem nun bekannt gewordenen Beschluss und wies den Antrag des Mannes auf Vollstreckung eines polnischen Urteils zurück (Beschl. v. 19.07.2018, Az. IX ZB 10/18).

Hintergrund der Entscheidung war ein Streit des polnischen Mannes mit dem Fernsehsender aufgrund der Ankündigung einer Dokumentation über die Befreiung der Konzentrationslager Ohrdruf, Buchenwald und Dachau im Jahr 2013. Darin wurden die Lager Majdanek und Auschwitz als "polnische Vernichtungslager" bezeichnet, was dem Mann zuwider war, da es in seinen Augen von der deutschen Verantwortung für die Lager ablenkte. Aus diesem Grund verlangte er vom ZDF eine Korrektur.

Dieser Aufforderung kam der Sender auch nach. Zudem entschuldigte er sich in zwei Schreiben bei dem Holocaust-Überlebenden. Dem Mann reichte die persönliche Entschuldigung an ihn aber nicht aus, weshalb er das ZDF 2014 vor einem polnischen Gericht verklagte und forderte, eine Entschuldigung auf der Startseite des Internetauftritts zu veröffentlichten. Damit hatte er in beiden Instanzen, zuletzt vor dem Appellationsgericht Krakau, Erfolg. Das Gericht verpflichtete das ZDF, für einen Monat auf der Startseite seiner Website eine Entschuldigung zu veröffentlichen, in der man sein Bedauern ausdrücken müsse, dass in der Veröffentlichung von 2013 "eine inkorrekte und die Geschichte des polnischen Volkes verfälschende Formulierung" enthalten sei.

ZDF entschuldigte sich mehrfach für Formulierung

Zwischenzeitlich, im Frühjahr 2016, hatte der Sender bereits eine Korrekturnachricht online gestellt, in der man die "unachtsame, falsche und irrtümliche Formulierung" bedauerte und jeden um Entschuldigung bat, der sich dadurch verletzt fühle. Nach dem Urteil des Krakauer Gerichts schließlich veröffentlichte man den vorgegebenen Text, verlinkte ihn allerdings bloß auf der Startseite.

Auch damit war der Mann aus Polen noch nicht zufrieden gestellt und beantragte in Deutschland die Vollstreckung des polnischen Urteils. Dem wurde vom Landgericht (LG) Mainz entsprochen, das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz lehnte die Beschwerde des ZDF dagegen ab. Der Sender wandte sich somit an den BGH, der nun der Vollstreckung widersprach.

Zwar sei die Aussage, bei den Lagern Majdanek und Auschwitz habe es sich um polnische Lager gehandelt, in dem Sinne, dass sie von Polen betrieben wurden, nicht haltbar und damit eine der Meinungsfreiheit nicht unterfallende falsche Tatsachenbehauptung, betonte der IX. Zivilsenat. In Rede stehe aber hier nicht die ursprüngliche Äußerung des Senders, sondern die Erklärung, die ihm von dem polnischen Gericht aufgegeben worden sei. 

BGH sieht Verstoß gegen ordre public

Diese verstoße gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG), weshalb ihr der europarechtliche Ordre-public-Grundsatz entgegenstehe. Danach ist ein Urteil nicht vollstreckbar, wenn es seinem Inhalt nach der öffentlichen Ordnung des Mitgliedsstaats, in dem es vollstreckt werden soll, widerspricht. Der BGH sprach in seiner Entscheidung von "einem nicht tragbaren Widerspruch zu den wesentlichen Grundgedanken der Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats und den darin enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen".

Dies sei hier der Fall, befanden die Karlsruher Richter, denn nach deutschem Verfassungsrecht könne ein Nachrichtensender nicht dazu gezwungen werden, die Erklärung eines anderen als eigene Meinungsäußerung zu veröffentlichen. Darin läge zum einen ein Verstoß gegen Art. 5 GG, zum anderen in diesem konkreten Fall auch ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, da sich das ZDF bereits umfangreich entschuldigt und eine Richtigstellung veröffentlicht habe.

mam/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BGH lehnt Vollstreckung von polnischem Urteil ab: KZ-Überlebender kann ZDF nicht zu Entschuldigung zwingen . In: Legal Tribune Online, 21.08.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30471/ (abgerufen am: 19.03.2024 )

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