Software in der Rechtsberatung: "Wer sich nicht ent­wi­ckelt, wird abge­hängt"

Interview von Désirée Balthasar

05.02.2016

2/2: "Mehr als die Hälfte der Arbeit kann automatisiert werden"

LTO: Was sagen Ihre Mandanten zu diesem Versuch?

Franke: Unsere Mandanten erwarten, dass wir ihr Problem in einem bestimmten Zeitraum und innerhalb einer gewissen Kostengrenze beheben. Wie wir das anstellen, spielt für sie keine Rolle. Unser Anspruch ist es also, einen Weg zu finden, um ihr Problem für das selbe Geld effizienter zu lösen. Ein zweiter Aspekt ist die Qualitätssicherung, die mit automatisierten Vorgängen einhergeht. Wenn nicht in jedem Schriftsatz dutzende Tippfehler drinstehen und nicht jede Gerichtsadresse immer wieder neu herausgesucht werden muss, dann gewinnen alle Seiten.

LTO: Wann ist das Tool einsatzbereit und wie viel Zeit- und Kostenersparnis erwartet Ihre Kanzlei dadurch?

Franke: Die IT-seitige Grundlage ist vorhanden. Derzeit füttern wir die App mit den erforderlichen Informationen. Dabei tauchen regelmäßig Aspekte auf, die IT-seitig umgesetzt werden müssen. Hier ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Software-Entwickler und uns erforderlich. Wir gehen davon aus, dass wir in einigen Monaten eine erste Version der App haben, die wir für die ersten Tests in der Praxis freischalten können. Danach werden wir sehen, wie viele Anpassungen erforderlich sind. Wahrscheinlich wird die App auch nach Ihrer öffentlichen Einführung stetig verbessert werden. Wir schätzen, dass in dem hoch standardisierten Bereich deutlich mehr als die Hälfte der Arbeit ohne unser Zutun erledigt werden kann und wir uns dann nur um die abschließenden Aufgaben kümmern.

"Bestandswahrung setzt sich nicht durch"

LTO: Haben Anwälte keine Angst, sich durch Software in der juristischen Beratung überflüssig zu machen?

Franke: Das wird nicht passieren. Das Beratungsgeschäft wird auch in Zukunft unersetzlich bleiben. Außerhalb des Gerichtssaals geht es ja fast immer darum, dass zwei Menschen sich einigen. Um das zu erreichen, gibt es eine unendliche Bandbreite von Möglichkeiten, Kompromisse auszuhandeln. Mit dieser Beratung schaffen Anwälte ihren Mandanten echten Mehrwert. Doch darauf sollten sich die Kanzleien nicht ausruhen. Bestandswahrung setzt sich nicht durch.

Man muss sich selbst weiterentwickeln, sonst wird man abgehängt. Einige Kanzleien sind ja bereits dazu übergegangen, einen Teil ihrer Tätigkeit in günstigere Gegenden auszulagern oder geringer qualifizierte Mitarbeiter für standardisierte Aufgaben einzusetzen.

LTO: Es gibt mittlerweile IT-Unternehmen wie etwa Leverton, die Software für Aufgaben anbieten, die bisher von Anwälten erledigt wurden. Worin unterscheidet sich Ihr Vorhaben?

Franke: Der Hauptunterschied liegt darin, dass wir unsere eigenen Tools aus den Erfahrungen im Alltagsgeschäft heraus entwickeln. Die meiste Software wird eben von IT-Spezialisten entwickelt und nicht von den juristischen Experten.

"Anwälte könnten auch Apps verkaufen"

LTO: Wo sehen Sie die Herausforderungen beim Einsatz von Software?

Franke: Intern sehe ich überhaupt kein Problem. Wenn ich eine geeignete Software klug einsetze, um mir und meinen Kollegen damit Geld und Zeit zu sparen – warum sollte ich das nicht tun? Anders sieht es aus, wenn Anwälte selbst Apps oder Anwendungen entwickeln und diese gewinnbringend verkaufen wollen. Das ist zwar nicht ohne Weiteres möglich, könnte aber auch eine Art sein, künftig Geld zu verdienen.

LTO: Würden Sie uns ein Beispiel nennen?

Franke: In unserem Geschäftsbereich könnte das eine App für Mietvertragsmanagement für Immobilienbesitzer sein. Um die verkaufen zu können, müssten wir aber ein eigenes Unternehmen gründen. Der Vorteil dabei wäre allerdings, dass wir als direkter Ansprechpartner agieren könnten. Denn wenn Sie als Privatperson eine Software nutzen und dabei auf ein rechtliches Problem stoßen, für das die Plattform keine Lösung bereithält, könnten wir weiter helfen.

Nutzen Sie eine Plattform, die keine Anbindung zu einer Kanzlei hat, müssten Sie erst einmal einen Anwalt suchen, der mit dem Tool überhaupt etwas anfangen kann. Hier wäre eine Verzahnung zwischen Rechtsrat und Plattform durchaus sinnvoll.

Dr. Thilo Franke (39) ist Immobilienrechtler und Gründungspartner der Hamburger Kanzlei KFR Kirchhoff Franke Riethmüller. Die Immobilienrechtsboutique ging Ende 2015 als Spin-Off von GSK Stockmann + Kollegen an den Markt.

Zitiervorschlag

Désirée Balthasar, Software in der Rechtsberatung: "Wer sich nicht entwickelt, wird abgehängt" . In: Legal Tribune Online, 05.02.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18236/ (abgerufen am: 27.04.2024 )

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