Die Immobilienrechtskanzlei KFR plant den Einsatz von IT-basierten Tools, um die Mandatsarbeit effizienter und kostengünstiger zu gestalten. KFR-Partner Thilo Franke ist überzeugt, dass kein Weg an der Software-Unterstützung vorbei führt.
Die Kanzlei KFR Kirchhoff Franke Riethmüller will insbesondere im Bereich des Immobilien-Asset-Managements künftig IT-Lösungen anwenden. Noch befindet sich die Software allerdings im Entwicklungsstadium, die Anwälte sind auf inhaltlicher Seite daran beteiligt.
LTO: Was ist Ihre Motivation, eine eigene Software zu entwickeln?
Dr. Thilo Franke: Im Bereich der immobilienrechtlichen Beratung ist der Einsatz von Software noch eher unüblich. Insbesondere im Asset Management lohnt es sich aber, weil es hier viel wiederkehrende Aufgaben gibt. In unserer Brust schlagen zwei Herzen: Wir wollen sowohl die qualitativ anspruchsvollere - und damit auch höherpreisige - Transaktionsberatung anbieten, als auch die kostengünstigere, laufende Beratung im Asset Management und Prozessvertretung auf Grundlage des RVG. Gerade hier aber liegen die realisierten Stundensätze, insbesondere bei geringen Streitvolumina, häufig sehr niedrig. Asset Management Beratung und Prozessführung sind für uns ein neues Tätigkeitsfeld und wir arbeiten dort häufig auch für neue Kunden, die wir uns gern erschließen möchten.
Außerdem ist unser Geschäft sehr volatil. Der Immobilienmarkt erleidet immer wieder Krisen, das spüren wir Rechtsberater sofort. Als wir uns selbständig gemacht haben, haben wir uns deshalb überlegt, wie wir mit dieser Unsicherheit umgehen. Wir tragen ja nicht nur die Verantwortung für uns selbst, sondern auch für unsere Mitarbeiter. Deshalb möchten wir das krisenanfällige Transaktionsgeschäft mit effizientem und kostengünstigerem Asset Management und der Prozessvertretung ausbalancieren.
"Wir planen ein Baukastensystem"
LTO: In welchen Bereichen eignen sich IT-Tools für die Mandatsarbeit?
Franke: Grundsätzlich eignen sich Vorgänge und Prozesse, die sich regelmäßig wiederholen. Einige Themen kommen immer wieder auf den Tisch und könnten relativ einfach automatisiert werden, ohne dass die Beratungsqualität darunter leidet. Im Immobilienwirtschaftsrecht beispielsweise gibt es Zahlungs-, Räumungs- und Nebenkostenklagen, die mit den gleichen Formulierungen versehen sind.
Wir entwickeln gemeinsam mit einem IT-Unternehmen eine App, der ein Algorithmus zugrunde liegt, der uns dabei helfen soll, Standardschriftsätze und Standardverträge zu verfassen. Der Mandant wird in der App die wesentlichen Informationen eingeben. Grundlage ist, dass wir bei der Bearbeitung unserer Mandate festgestellt haben, dass es fast immer wieder dieselben Fragen sind, die wir als Anwalt stellen und die der Mandant beantwortet. Nehmen wir den Entwurf eines Mietvertrages: Neben der Person des Mieters, der Bezeichnung der Mietfläche und der Höhe der vereinbarten Miete gibt es eine bestimmte Anzahl weiterer Aspekte, über die immer wieder verhandelt wird. Wenn diese Daten bereits digital vorliegen, besteht der Entwurf des Mietvertrages aus der Verarbeitung dieser Informationen, ohne dass ein Anwalt tätig werden muss. Vieles lässt sich mit einem einfachen 'Ja' oder 'Nein' oder aber einer Zahl oder einem Datum beantworten. Wir stellen uns also eine Art Baukastensystem vor.
LTO: Sind IT-Tools besonders für kleinere Kanzleien attraktiv?
Franke: IT-Tools sind für jede Kanzleigröße nützlich, da sie helfen, Zeit und damit Kosten einzusparen. Bei kleineren Kanzleien ist das von besonderem Interesse bei Standardaufgaben, die woanders von Associates aufgefangen werden. Und auch Großkanzleien würden davon profitieren. Denn die sind sehr gut darin, riesige, sich selbst erhaltende Systeme zu schaffen. Da sitzen in einigen Kanzleien zwanzig Anwälte in Hinterzimmern und fressen Papierberge. Das muss ja nicht sein. Immer weniger Mandanten sind bereit, dafür horrende Stundensätze zu bezahlen.
"Wenn es nicht klappt, war es einen Versuch wert"
LTO: Neue Software selbst entwickeln zu lassen, klingt teuer und kompliziert. Wie gehen Sie damit als Gründungspartner einer noch jungen Kanzlei um?
Franke: Am Anfang schlägt natürlich die Investition in die IT-Entwicklung zu Buche, ebenso wie die eigene Arbeitszeit. Denn wir sind maßgeblich an der inhaltlichen Entwicklung beteiligt. Mittelfristig soll sich die Investition in die Plattform aber rechnen, wir wollen ja damit Geld verdienen. Die Entwicklungskosten sind jedoch überschaubar. Und wenn es nicht klappt, dann war es wenigstens einen Versuch wert.
2/2: "Mehr als die Hälfte der Arbeit kann automatisiert werden"
LTO: Was sagen Ihre Mandanten zu diesem Versuch?
Franke: Unsere Mandanten erwarten, dass wir ihr Problem in einem bestimmten Zeitraum und innerhalb einer gewissen Kostengrenze beheben. Wie wir das anstellen, spielt für sie keine Rolle. Unser Anspruch ist es also, einen Weg zu finden, um ihr Problem für das selbe Geld effizienter zu lösen. Ein zweiter Aspekt ist die Qualitätssicherung, die mit automatisierten Vorgängen einhergeht. Wenn nicht in jedem Schriftsatz dutzende Tippfehler drinstehen und nicht jede Gerichtsadresse immer wieder neu herausgesucht werden muss, dann gewinnen alle Seiten.
LTO: Wann ist das Tool einsatzbereit und wie viel Zeit- und Kostenersparnis erwartet Ihre Kanzlei dadurch?
Franke: Die IT-seitige Grundlage ist vorhanden. Derzeit füttern wir die App mit den erforderlichen Informationen. Dabei tauchen regelmäßig Aspekte auf, die IT-seitig umgesetzt werden müssen. Hier ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Software-Entwickler und uns erforderlich. Wir gehen davon aus, dass wir in einigen Monaten eine erste Version der App haben, die wir für die ersten Tests in der Praxis freischalten können. Danach werden wir sehen, wie viele Anpassungen erforderlich sind. Wahrscheinlich wird die App auch nach Ihrer öffentlichen Einführung stetig verbessert werden. Wir schätzen, dass in dem hoch standardisierten Bereich deutlich mehr als die Hälfte der Arbeit ohne unser Zutun erledigt werden kann und wir uns dann nur um die abschließenden Aufgaben kümmern.
"Bestandswahrung setzt sich nicht durch"
LTO: Haben Anwälte keine Angst, sich durch Software in der juristischen Beratung überflüssig zu machen?
Franke: Das wird nicht passieren. Das Beratungsgeschäft wird auch in Zukunft unersetzlich bleiben. Außerhalb des Gerichtssaals geht es ja fast immer darum, dass zwei Menschen sich einigen. Um das zu erreichen, gibt es eine unendliche Bandbreite von Möglichkeiten, Kompromisse auszuhandeln. Mit dieser Beratung schaffen Anwälte ihren Mandanten echten Mehrwert. Doch darauf sollten sich die Kanzleien nicht ausruhen. Bestandswahrung setzt sich nicht durch.
Man muss sich selbst weiterentwickeln, sonst wird man abgehängt. Einige Kanzleien sind ja bereits dazu übergegangen, einen Teil ihrer Tätigkeit in günstigere Gegenden auszulagern oder geringer qualifizierte Mitarbeiter für standardisierte Aufgaben einzusetzen.
LTO: Es gibt mittlerweile IT-Unternehmen wie etwa Leverton, die Software für Aufgaben anbieten, die bisher von Anwälten erledigt wurden. Worin unterscheidet sich Ihr Vorhaben?
Franke: Der Hauptunterschied liegt darin, dass wir unsere eigenen Tools aus den Erfahrungen im Alltagsgeschäft heraus entwickeln. Die meiste Software wird eben von IT-Spezialisten entwickelt und nicht von den juristischen Experten.
"Anwälte könnten auch Apps verkaufen"
LTO: Wo sehen Sie die Herausforderungen beim Einsatz von Software?
Franke: Intern sehe ich überhaupt kein Problem. Wenn ich eine geeignete Software klug einsetze, um mir und meinen Kollegen damit Geld und Zeit zu sparen – warum sollte ich das nicht tun? Anders sieht es aus, wenn Anwälte selbst Apps oder Anwendungen entwickeln und diese gewinnbringend verkaufen wollen. Das ist zwar nicht ohne Weiteres möglich, könnte aber auch eine Art sein, künftig Geld zu verdienen.
LTO: Würden Sie uns ein Beispiel nennen?
Franke: In unserem Geschäftsbereich könnte das eine App für Mietvertragsmanagement für Immobilienbesitzer sein. Um die verkaufen zu können, müssten wir aber ein eigenes Unternehmen gründen. Der Vorteil dabei wäre allerdings, dass wir als direkter Ansprechpartner agieren könnten. Denn wenn Sie als Privatperson eine Software nutzen und dabei auf ein rechtliches Problem stoßen, für das die Plattform keine Lösung bereithält, könnten wir weiter helfen.
Nutzen Sie eine Plattform, die keine Anbindung zu einer Kanzlei hat, müssten Sie erst einmal einen Anwalt suchen, der mit dem Tool überhaupt etwas anfangen kann. Hier wäre eine Verzahnung zwischen Rechtsrat und Plattform durchaus sinnvoll.
Dr. Thilo Franke (39) ist Immobilienrechtler und Gründungspartner der Hamburger Kanzlei KFR Kirchhoff Franke Riethmüller. Die Immobilienrechtsboutique ging Ende 2015 als Spin-Off von GSK Stockmann + Kollegen an den Markt.
Désirée Balthasar, Software in der Rechtsberatung: "Wer sich nicht entwickelt, wird abgehängt" . In: Legal Tribune Online, 05.02.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18236/ (abgerufen am: 26.04.2024 )
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