2010 erklärte das BVerfG sie für verfassungswidrig, 2014 tat es auf europäischer Ebene der EuGH. Diesmal soll alles anders werden: Am Mittwochmittag stellte Justizminister Heiko Maas Leitlinien eines Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung vor. Noch bis vor kurzem hatte er vehement beteuert, die massenhafte Datenspeicherung abzulehnen.
Seit Jahren ist die Vorratsdatenspeicherung eines der am stärksten polarisierenden Themen der deutschen Innenpolitik; nirgends prallen das Bedürfnis nach effektiver Strafverfolgung und der Schutz der Privatsphäre so unversöhnlich aufeinander wie bei der massenhaften Speicherung der Telefon- und Internet-Verbindungsdaten.
2008 wurde sie schon einmal in Deutschland eingeführt – und 2010 im größten Massenklageverfahren in der Geschichte des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) wieder aufgehoben. Das gleiche Schicksal ereilte im April 2014 die EU-Richtlinie, die dem deutschen Gesetz zu Grunde lag, vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Beide Gerichte betonten, dass die massenhafte und anlasslose Speicherung von Verbindungsdaten gegen Grundrechte verstoße. Auch die Sicherheit der so gespeicherten Daten und die Voraussetzungen, unter denen Strafverfolgungsbehörden auf sie zugreifen dürfen, wurden bemängelt. Beide Gerichte betonten allerdings auch, dass die Vorratsdatenspeicherung prinzipiell zulässig sei, sofern sie an hinreichend strenge Voraussetzungen geknüpft werde.
Dennoch schien eine Wiedereinführung in Deutschland nach dem EuGH-Urteil zunächst unwahrscheinlich. Die Bundesregierung wollte, zumal unter Federführung von Ex-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), einer erklärten Gegnerin der Vorratsdatenspeicherung, keinen Alleingang wagen, sondern die Verabschiedung einer europäischen Regelung abwarten. Auch ihr Nachfolger Heiko Maas (SPD) betonte seine Ablehnung der Überwachungsmaßnahme bis in die jüngere Vergangenheit. Auf Twitter schrieb er noch vor vier Monaten: "#VDS lehne ich entschieden ab – verstößt gg Recht auf Privatheit u Datenschutz. Kein deutsches Gesetz u keine EU-RL!".
Kurze Fristen, Ausnahmen für Berufsgeheimnisträger
Heute klingt das anders. "Balance zwischen #Freiheit und #Sicherheit: Leitlinien zu #Höchstspeicherfrist" twitterte Maas am Mittwochmittag unter Verweis auf die Präsentation seines Ministeriums. Dabei sollte die Wortwahl nicht verwirren: Statt vom negativ konnotierten Begriff der Vorratsdatenspeicherung wird nun von "einer Speicherpflicht und Höchstpeicherfristen für Verkehrsdaten" gesprochen – gemeint ist dasselbe.
Um den von BVerfG und EuGH aufgestellten Maßstäben gerecht zu werden, zieht das Papier allerdings deutlich engere Grenzen als das Gesetz von 2008. Standortdaten (bei Handyverbindungen) sollen für eine maximale Dauer von vier Wochen gespeichert werden, alle übrigen Daten (bei Telefonverbindungen die Rufnummern sowie Zeitpunkt und Dauer des Anrufs, bei Internetverbindungen die beteiligten IP-Adressen) für zehn Wochen. "Elektronische Post" soll pauschal von der Speicherung ausgenommen sein, ebenso die eigentlichen Inhalte der Kommunikation.
Von der Speicherung gänzlich ausgenommen werden lediglich zur Verschwiegenheit verpflichtete Anbieter telefonischer Seelsorge. Zwar erhoben, aber nicht abgerufen werden dürfen Daten von nach § 53 Strafprozessordnung zur Zeugnisverweigerung berechtigten Personen (im Wesentlichen: Berufsgeheimnisträger). Diese bereits bei der Speicherung auszusparen, sei nicht möglich, da man aus Gründen des Datenschutzes kein zentrales Verzeichnis solcher Personen anlegen könne. Eine Möglichkeit für den einzelnen Berufsgeheimnisträger, sich gegenüber seinem Internet- und Mobilfunkanbieter von der Speicherung ausnehmen zu lassen, sieht das Papier allerdings auch nicht vor.
Constantin Baron van Lijnden, Leitlinien zur Vorratsdatenspeicherung: . In: Legal Tribune Online, 15.04.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15247 (abgerufen am: 05.10.2024 )
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