Diätenerhöhung: Fern von den Augen der Öffentlichkeit

von Prof. Dr. Hans Herbert von Arnim

02.07.2014

2/2: Zulagen für Ausschussvorsitzende und Altersversorgung

Die Diätenreform sieht außerdem eine Zulage für Ausschussvorsitzende vor. Sie sollen 15 Prozent mehr bekommen als gewöhnliche Abgeordnete. Auch das ist offensichtlich verfassungswidrig. Solche Zulagen sind nur für den Präsidenten des Parlaments und seine Stellvertreter sowie Fraktionsvorsitzende erlaubt.

Wörtlich heißt es zum Beispiel im Urteil des BVerfG zu einer Diätenerhöhung im thüringischen Landtag (Urt. v. 21.07.2000, Az. 2 BvH 3/91): Es verstößt gegen Art. 38 GG, wenn "Ausschussvorsitzende zusätzliche Entschädigungen erhalten". In späteren Entscheidungen haben die Karlsruher Richter untermauert, dass es sich dabei um "allgemeine Maßstäbe" handelt, die natürlich auch für den Bundestag gelten. Das ist auch sachlich gerechtfertigt: Die Diäten sind eine Vollalimentation. In ihren Genuss kommen – nach dem hier geltenden strengen Gleichheitssatz – sowohl diejenigen Abgeordneten, die wenig für das Mandat tun, weil sie noch ihrem privaten Beruf nachgehen, als auch diejenigen, für die das Mandat wegen einer zusätzlichen Funktion im Parlament wirklich ein Fulltime-Job ist.

Schließlich erlaubt das BVerfG allenfalls eine "begrenzte Altersversorgung" von Abgeordneten (Beschl. v. 21.10.1971, Az. 2 BvR 367/69). Mit dem Gesetz sollen aber nicht nur die Diäten um rund zehn Prozent erhöht werden, sondern auch die ohnehin schon üppige Altersversorgung. Abgeordnete erwerben dann pro Mandatsjahr einen monatlichen Versorgungsanspruch von 227 Euro, der Bundestagspräsident erwirbt sogar pro Amtsjahr 454 Euro. Zum Vergleich: Rentner erhalten im Durchschnitt pro Arbeitsjahr einen monatlichen Rentenanspruch von 28 Euro, das ist rund ein Achtel bzw. ein Sechzehntel. Eine "begrenzte Altersversorgung" ist das nicht. Die Überversorgung wird auch dadurch indiziert, dass die Abgeordnetenentschädigung nur die dreifache (und eben nicht die achtfache) Höhe des durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommens hat.

Klagebefugte wollen nicht klagen, Klagebereite dürfen nicht klagen

Die Abgeordneten wiegen sich offenbar in der Hoffnung, es werde sich schon niemand finden, der das Gesetz vors BVerfG bringt. Hier besteht nämlich eine empfindliche Rechtsschutzlücke: Bürger oder außerparlamentarische Parteien besitzen keine Klagebefugnis. Und die Regierung oder Abgeordnete werden von ihrer Klagemöglichkeit vermutlich keinen Gebrauch machen. Sie würden sich ja ins eigene Fleisch schneiden und sich auch im Bundestag isolieren.

Würde die Opposition es mit ihrer Kritik ernst meinen, könnten einzelne Parlamentarier durchaus klagen: Kein Abgeordneter braucht sich einen verfassungswidrigen Status aufdrängen zu lassen. In der Plenardebatte des Bundestags hatte die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes allerdings keine Rolle gespielt, auch nicht bei den Linken, obwohl ich deren Sprecherin ebenfalls einen Vortext zum oben genannten Aufsatz zugesandt hatte.

Wenn die Klagebefugten nicht klagen wollen, die zur Klage Bereiten aber nicht klagen können, ist die Verantwortung des Präsidenten besonders hoch, ein verfassungswidriges Gesetz zu verhindern. Er ist dann gehalten, besonders sorgfältig zu prüfen.

Verweigert der Bundespräsident die Unterschrift kann das Gesetz nicht in Kraft treten und ist gestorben. Allerdings könnten der Bundestag oder die Bundesregierung theoretisch den Bundespräsidenten in Karlsruhe verklagen mit der Behauptung, er habe mit der Nichtunterzeichnung seine Pflicht verletzt, weil das Gesetz doch verfassungskonform sei. Ein solches Szenario ist aber eher unwahrscheinlich.

Abgeordnete nicht mit Bundesrichtern zu vergleichen

Das Nein des Präsidenten könnte das Gesetz und damit auch die politisch anfechtbare Angleichung der Entschädigung von Bundestagsabgeordneten an die Bezüge von Bundesrichtern zu Fall bringen. Die Angleichung wird ja auch dadurch nicht zutreffender, dass der Bundestag sie nach der 1995 gescheiterten Verfassungsänderung als Orientierungsgröße ins Abgeordnetengesetz geschrieben hat.

Richter und Abgeordnete haben einen völlig unterschiedlichen Status. Bundesrichter benötigen eine qualifizierte Ausbildung und eine lange, erfolgreiche Berufspraxis. Abgeordnete werden auf Grund von Vorschlägen ihrer Partei gewählt. Ihr Mandat verlangt keine bestimmte berufliche Qualifikation. Auch das BVerfG hat wiederholt darauf hingewiesen, dass zwischen Abgeordneten und Beamten oder Richtern "grundlegende statusrechtliche Unterschiede" bestehen.

Ohnehin läuft der Vergleich auf "Rosinenpickerei" hinaus: Die Entschädigung soll sich nach den Bezügen von Bundesrichtern richten, auf ihre Privilegien wollen die Abgeordneten aber nicht verzichten: Die monatliche Kostenpauschale von 4.204 Euro für Bundestagsabgeordnete stellt häufig ein steuerfreies Zusatzeinkommen dar. Denn sie wird zum Beispiel auch Abgeordneten in einem städtischen Wahlkreis in voller Höhe gewährt, obwohl sie kaum Kfz-Kosten haben, oder Abgeordneten aus dem Berliner Bereich, die keine Zweitwohnung benötigen. Die Parlamentarier dürfen zudem einen bezahlten Privatberuf voll ausüben, ohne jede rechtliche Begrenzung. Viele Volksvertreter tun das auch, wie kürzlich Analysen der Otto-Brenner-Stiftung gezeigt haben. Bundesrichter haben solche finanziellen Privilegien nicht. Für eine Nebentätigkeit brauchen sie eine Genehmigung, die regelmäßig nicht erteilt wird, wenn die Nebentätigkeit ein Fünftel der normalen Arbeitszeit überschreitet.

Wenn Abgeordnete sich aber schon an Bundesrichter anlehnen, wäre es eigentlich nur konsequent gewesen, auch die Bezüge und die Versorgung des Bundestagspräsidenten und seiner Stellvertreter an die Besoldung und Versorgung des Präsidenten des Bundesgerichtshofs und seiner Stellvertreter anzugleichen. Der BGH-Präsident erhält aber lediglich 42 Prozent mehr als Bundesrichter. Der Vizepräsident bekommt 15 Prozent mehr. Dagegen bekommen die Vize des Bundestags ein Plus von 50 Prozent und der Bundestagspräsident von 100 Prozent. Gewiss, der Status des Präsidenten des Bundestags und der Präsidenten der obersten Bundesgerichte unterscheidet sich ganz erheblich. Der Unterschied ist aber auch nicht größer als der von Abgeordneten und Bundesrichtern, und die will das neue Gesetz nun gleich behandeln. Die krassen Unterschiede in der Bezahlung aktiver Präsidenten setzen sich auch im Alter fort und führen zu der bereits dargestellten Überversorgung des Bundestagspräsidenten.

Der Autor Prof. Dr. Hans Herbert von Arnim lehrt als pensionierter Professor an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer.

Zitiervorschlag

Prof. Dr. Hans Herbert von Arnim, Diätenerhöhung: Fern von den Augen der Öffentlichkeit . In: Legal Tribune Online, 02.07.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12420/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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