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Diätenerhöhung: Fern von den Augen der Öffentlichkeit

von Prof. Dr. Hans Herbert von Arnim

02.07.2014

Plenarsaal im Deutschen Reichstag

(c) Deutscher Bundestag / Thomas Trutschel/photothek.net

Eine automatische Gehaltserhöhung – wer wünscht sich das nicht? Die Bundestagsabgeordneten hatten aber nicht mit dem Widerstand des Bundespräsidenten gerechnet. Der will die geplante Anhebung der Abgeordnetendiäten nun genau prüfen. Auch wenn Gauck damit recht spät dran ist, meint Hans Herbert von Arnim: Das muss der Bundespräsident auch. Vor das BVerfG wird das Gesetz nämlich niemand bringen.

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Im Februar hatte die Große Koalition das Diätengesetz durch den Bundestag gepeitscht. Dabei leistete ihr eine Experten-Kommission des Bundestags Schützenhilfe, die ihre Empfehlungen im März vergangenen Jahres vorgelegt hatte. Das Parlament hatte diese Kommission mehrheitlich mit früheren Ministern, Parlamentarischen Staatssekretären, Abgeordneten und anderen parlaments- und parteinahen Mitgliedern bestückt. Diese interpretierten die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausgesprochen bundestagsfreundlich und blendeten fast die gesamte staatsrechtliche Fachliteratur aus, die die einschlägigen Urteile aus Karlsruhe ganz anders versteht. Das grenzt an öffentlichen Betrug.

Zudem verschwieg die Kommission, wie sich ihr Vorschlag, die Diäten an die Bezüge von Bundesrichtern anzugleichen, auf die Höhe der Diäten auswirken würde. Das war schwierig zu berechnen. Die meisten Medien waren deshalb vor der Bundestagswahl bloß von einem Plus von "mehreren hundert Euro pro Monat" ausgegangen oder, wie der Focus schrieb, von "268 Euro mehr", und verkannten auch sonst die Brisanz des Kommissionsberichts.

In Wahrheit erhöht das nach der Bundestagswahl – entsprechend den Empfehlungen der Kommission – beschlossene Gesetz die Entschädigung um 830 Euro: von derzeit 8.252 Euro auf 9.082 Euro monatlich, und zwar in zwei Schritten: um 415 Euro zum 1. Juli 2014 und um weitere 415 Euro zum 1. Januar 2015.

Automatische Diätenerhöhung unzulässig

Inzwischen sind vier Monate vergangen, und das Gesetz ist immer noch nicht in Kraft. Der Bundespräsident, so heißt es, habe verfassungsrechtliche Bedenken, so dass er das Gesetz jedenfalls nicht vor dem 1. Juli ausfertigen konnte, zu dem es eigentlich schon in Kraft sein sollte. Denn er darf nach Art. 82 Grundgesetz (GG) nur verfassungsmäßige Gesetze unterschreiben und im Bundesgesetzblatt veröffentlichen.

Nicht mit Erfolg kann Joachim Gauck sich jedenfalls darauf berufen, dass er nicht genug Zeit für die Verfassungsprüfung gehabt habe. Es mag sein, dass das Gesetz ihm wie es weiter heißt, von der Bundesregierung, die es gegenzuzeichnen hatte (Art. 58 GG), erst am 19. Mai zugestellt worden ist. Bereits seit März jedoch lag ihm das Manuskript meines Aufsatzes "Abgeordnetengesetz ohne Kontrolle" (Anm. d. Red: veröffentlicht Mitte Mai im Deutschen Verwaltungsblatt) vor, dessen Berücksichtigung das Präsidialamt zugesagt hatte.

Das Gesetz ist denn auch gleich in mehrfacher Hinsicht verfassungswidrig. Die ab 2016 vorgesehene automatische Erhöhung der Entschädigung ist ganz klar unzulässig. Bei Diätengesetzen entscheidet der Bundestag in eigener Sache und ist somit befangen. Deshalb ist eine wirksame Kontrolle durch die Öffentlichkeit besonders wichtig. Jede einzelne Veränderung der Höhe der Entschädigung ist gesondert "im Plenum zu diskutieren" und muss vom Bundestag "vor den Augen der Öffentlichkeit" beschlossen werden. Denn dies ist – neben der Kontrolle durch den Bundespräsidenten und das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) – "die einzige wirksame Kontrolle". So steht es im Diätenurteil des BVerfG (Urt. v. 05.11.1975, Az. 2 BvR 193/74). Im Rechtsstaat Bundesrepublik ist es Sache des BVerfG, das GG auszulegen, und danach darf die Kontrolle nicht durch Indexerhöhungen ausgehebelt werden.

Der Automatismus soll nach dem neuen Gesetz am Anfang jeder Wahlperiode vom Bundestag bestätigt werden. Das kann die Verfassungswidrigkeit aber nicht heilen. Denn jährliche automatische Anpassungen an die Steigerungsrate der Brutto-Nominallöhne erfolgen dann über die ganze Wahlperiode, also vier Jahre lang, bzw. während der aktuellen Wahlperiode 2016 und 2017.

1995 hatte der Bundestag schon einmal versucht, einen Automatismus einzuführen. Damals hatte er die Verfassungswidrigkeit einer solchen Maßnahme aber sehr wohl eingeräumt und wollte diese durch eine Änderung des Grundgesetzes beheben. Doch der Bundesrat versagte seine Zustimmung. Eine Verfassungsänderung, die der Bundestag in eigener Sache vornimmt, erschien denn doch zu dreist. Nun versucht der Bundestag, den Automatismus ohne Verfassungsänderung durchzuboxen. Damit ist dem Gesetz aber die Verfassungswidrigkeit auf die Stirn geschrieben, und offensichtlich verfassungswidrige Gesetze darf der Bundespräsident nun mal nicht in Kraft setzen.

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  • Seite 1:

    Automatisch mehr Geld

  • Seite 2:

    Besondere Prüfpflicht des Bundespräsidenten

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Diätenerhöhung: . In: Legal Tribune Online, 02.07.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12420 (abgerufen am: 13.05.2025 )

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