Strafrechtler zum Goldkeks-Bekennerschreiben : "Das Krümelmonster ist kein Erpresser"

Interview mit Mustafa Oglakcioglu

31.01.2013

"Kausal für die Kekse wäre ja das Image von Bahlsen"

LTO: Wäre es denn ein empfindliches Übel, wenn der Keks bei "Oskar in der Tonne" landet?

Oglakcioglu: Wenn die Kosten für einen neuen, noch schöneren Messingkeks geringer sind als die Kosten, die dem Unternehmen entstünden, wenn es der Forderung von Krümelmonster nachgibt, kann man das eigentlich kaum bejahen.

LTO: Bahlsen hat ja schon am Donnerstag seine Taktik ein wenig geändert. Auf seiner facebook-Seite verspricht das Unternehmen seinen Fans, 52.000 Packungen Leibniz Kekse an 52 soziale Einrichtungen zu spenden, wenn das Krümelmonster den goldenen Keks zurück  bringt.  Und weist auf sein soziales Engagement hin...

Oglakcioglu: Ein wichtiger Punkt: Bei realistischer Betrachtung wäre ja  –auch nach der Vorstellung des Krümelmonsters - nicht die Drohung, dass der Goldkeks in der Tonne landet, ausschlaggebend dafür, ob Bahlsen der Forderung nachgibt. Sollte das geschehen, dürften vielmehr Imageerwägungen und Überlegungen im Vordergrund stehen, die Sache aus der Welt zu schaffen. Damit wäre aber die Drohung des Krümelmonsters gar nicht kausal für die Vermögensverfügung beziehungsweise -schädigung auf Seiten von Bahlsen.

"So richtig verwerflich ist das nicht"

LTO: Kann man denn nirgends berücksichtigen, dass das Krümelmonster ja am Ende nicht sich selbst bereichern, sondern irgendwie Robin Hood-mäßig Gutes tun will?

Oglakcioglu (lacht): Naja, selbst Robin Hood würde sich in unserer Rechtsordnung strafbar machen.  Diebstahl und Betrug können auf für einen "guten Zweck", also um etwa auf Missstände aufmerksam zu machen und Armut zu bekämpfen, nicht mit Blick auf einen allgemeinen bzw. "sozialen"
Notstand gerechtfertigt werden können. Dafür stellt der Sozialstaat Verfahren und Hilfsmechanismen zur Verfügung.

Trotz der netten Geschichte würde ich das Krümelmonster aber nicht mit Robin Hood vergleichen wollen. Eher würde ich darüber nachdenken, ob der Mensch hinter dem Krümelmonster gegebenenfalls vermindert schuldfähig ist. Die Aktion steht ja völlig außer Relation zu der Forderung. Da kann man schon vermuten, dass noch andere Aspekte hineinwirken mitspielen - eine Racheaktion vielleicht  oder ein symbolischer Feldzug gegen den Kapitalismus? Oder aber der Täter ist wirklich ein Scherz-Keks.

Aber dennoch: Tatsächlich kann man die Aspekte, die den Fall so absurd machen, also die altruistischen Motive des Krümelmonsters - Sie wissen schon: "Denkt doch mal an die Kinder!" – berücksichtigen. Der Tatbestand der Erpressung ist ein offener, bei dem die Rechtswidrigkeit positiv festgestellt werden muss. Sie kann nur bejaht werden, wenn die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist. Und das kann man sicherlich nicht sagen.

LTO: Könnte denn das Krümelmonster auf mildernde Umstände bei der Strafzumessung hoffen?

Oglakcioglu: Da wäre ich mir, einmal vorausgesetzt, man müsste einen der Straftatbestände überhaupt bejahen, nicht so sicher. Ich kann mir nicht vorstellen, dass solch ein Vorgehen Sympathien auslöst; ganz unabhängig davon könnte man allerdings nach allgemeinen Strafzumessungsgesichtspunkten berücksichtigen, dass der Täter mit Drittbereicherungsabsicht agierte. Natürlich wird auch die Höhe des Schadens eine Rolle spielen – wobei dieser bei tausenden von Kekspackungen so klein wohl gar nicht wäre.

Mustafa Temmuz Oğlakcıoğlu ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsphilosophie von Prof. Kudlich (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen/ Nürnberg).

Die Fragen stellte Pia Lorenz.

Zitiervorschlag

Mustafa Oglakcioglu, Strafrechtler zum Goldkeks-Bekennerschreiben : "Das Krümelmonster ist kein Erpresser" . In: Legal Tribune Online, 31.01.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8079/ (abgerufen am: 07.05.2024 )

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