Weihnachten, Skiurlaub, Corona: Was gilt am ersten Arbeitstag nach den Fei­er­tagen?

Interview von Tanja Podolski

21.12.2021

Heiligabend mit Kind und Kegel zu den Großeltern und Silvester ins Hochrisikogebiet zum Skifahren? Was arbeitsrechtlich zu beachten ist und wo es Unterschiede für Geimpfte und Ungeimpfte gibt, erklärt Michael Fuhlrott im Interview.

LTO: Herr Professor Fuhlrott, nach den derzeitigen Regeln müssen Ungeimpfte ihre Kontakte reduzieren. Was bedeutet es auf dieser Grundlage für ungeimpfte Beschäftigte, wenn sie nach den Feiertagen wegen einer Corona-Infektion nicht arbeiten können?

Prof. Dr. Michael Fuhlrott: Derzeit sieht die Situation noch recht gut für die Beschäftigten aus. Ist eine Person infolge einer Corona-Erkrankung arbeitsunfähig und kann deswegen nicht arbeiten, wird das Unternehmen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gem. § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) leisten müssen. 

Zwar ist eine Arbeitgeberin nur einstandspflichtig, wenn die Arbeitsunfähigkeit der Beschäftigten nicht selbst verschuldet ist. Einen Verschuldensvorwurf durch eine Nicht-Impfung erkennt die Rechtsprechung bislang – und hier liegt die Betonung wirklich auf "bislang" – allerdings nicht an. Darüber könnte man sicherlich diskutieren. Ich sehe insofern durchaus Parallelen zum Rechtsgedanken des § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG, wonach bei einem Verschuldensvorwurf Leistungen entfallen können.

Angenommen, ungeimpfte Arbeitnehmer:innen müssen "lediglich" in Quarantäne, wie ist dann der aktuelle Stand bei der Lohnfortzahlung? 

Ist eine Person wegen Ansteckungsverdachts in eine behördlich angeordnete Quarantäne geschickt worden und kann die Tätigkeit nicht aus dem Homeoffice erbringen, so wird der Arbeitgeber grundsätzlich keinen Lohn zahlen müssen

Auch eine behördliche Entschädigung wird in diesem Fall nicht gewährt werden, da gem. § 56 Abs. 1 S. 4 Infektionsschutzgesetz (IfSG) eine solche Leistung nicht gewährt wird, wenn durch Inanspruchnahme einer empfohlenen Schutzimpfung eine Quarantäneanordnung hätte vermieden werden können. 

Diskutiert wird bisweilen noch, ob ein Arbeitgeber der betreffenden Person für die ersten drei bis max. fünf Tage der Quarantäne den Lohn fortzahlen muss. Dazu wird sich auf die Regelung des § 616 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) berufen, wonach Beschäftigten den Lohnanspruch nicht verlieren, wenn sie für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in der Person liegenden Grund ohne Verschulden der Tätigkeit nicht nachkommen können. Ungeimpfte Arbeitnehmer:innen sollten aber lieber damit rechnen, dass sie auch für diese Tage keinen Lohn erhalten.

Vorsorglich längerer Urlaub für die Quarantäne

Reisen innerhalb Deutschlands sind möglich, die Schweiz und auch Österreich gelten derzeit als Hochrisikogebiete, es bestehen (Teil-) bzw. bedingte Reisewarnungen durch das Auswärtige Amt. Was gilt arbeitsrechtlich nach der Rückkehr aus dem Skiurlaub über Silvester?

Die behördlichen Vorgaben zur Einstufung von Urlaubsländern als Risikoregionen müssen die Reisenden eigenständig einhalten. Bin ich geimpft, bedarf es ja bei "normalen" Risikogebieten, also solchen, die keine Virusvariantengebiete sind, keiner Selbstquarantäne. 

Muss ich mich hingegen in eine Selbstquarantäne begeben und kann daher meiner Arbeit nicht nachgehen und auch nicht im Homeoffice arbeiten, gilt das zuvor Gesagte: Geimpfte und Genesene müssen bei einer Rückkehr nicht in Quarantäne, Ungeimpfte aber schon für grundsätzlich zehn Tage. Für diese Personen entfällt der Entschädigungsanspruch gem. § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG. 

In einem solchen Fall drohen zudem weitere arbeitsrechtliche Konsequenzen. Denn wenn ich als ungeimpfter Beschäftigter sehenden Auges in ein Risikogebiet reise und anschließend aufgrund der erforderlichen Quarantäne meine Arbeit nicht wieder antreten kann, stellt dies eine Pflichtverletzung dar. Ich müsste also als Arbeitnehmer im Vorhinein zusätzlichen Urlaub einplanen bzw. eine Tätigkeit im Homeoffice abstimmen. 

Müssen Beschäftigte die Reise denn ihren Arbeitgebern überhaupt mitteilen?

Das sollten sie auf jeden Fall tun. Verheimliche ich den Aufenthalt im Risikogebiet, um einer Selbstquarantäne zu entgehen und gehe munter in den Betrieb, wird es wiederum brenzlig. Hier riskiert der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin die Gesundheit der Kolleginnen und Kollegen. Bei einem solchen rücksichtslosen Verhalten ist eine Kündigung möglich. Und: Viele Menschen erzählen gerne von ihren Urlaubsfreuden. Das "Entdeckungsrisiko" ist hier also hoch. 

Unabhängig von der arbeitsrechtlichen Seite können auch noch Bußgelder wegen Verstoßes gegen die infektionsschutzrechtlichen Vorgaben auf die Beschäftigten zukommen.

Praktisch mag es nach einer solche Reise naheliegen, sich ein ärztliches Attest zu besorgen, um allen Fragen und den Folgen einer Quarantäne zu entgehen. Das mag in vielen Fällen funktionieren, ist aber ohne Frage eine erhebliche Pflichtverletzung. Kommt das raus, reden wir über eine fristlose Kündigung. Da haben dann auch die Arbeitsgerichte – zu Recht – wenig Verständnis.

In Quarantäne: Pflicht zum Homeoffice

Müssen Beschäftigte in Quarantäne ihrer Arbeitspflicht aus dem Homeoffice nachgehen?

Ja. Solange ich in Quarantäne bin, aber "nur" ansteckungsverdächtig bin, muss ich einer Homeoffice-Tätigkeit nachgehen, wenn mir das möglich ist. Die aktuellen Regelungen im IfSG – konkret § 28 b Abs. 4 IfSG – verpflichtet Arbeitnehmer:innen mit Bürotätigkeiten sogar dazu, der Tätigkeit wo möglich von zuhause aus nachzugehen. 

Wenn ich als Erkrankter in Quarantäne bin, hängt es davon ab, ob die Corona-Infektion zu einer Arbeitsunfähigkeit führt oder nicht. Es gibt ja durchaus Fälle, in denen der oder die Beschäftigte infiziert ist, aber gänzlich oder weitgehend asymptomatisch ist. Wenn dies der Fall ist und ich weiterhin arbeitsfähig bin, muss ich auch arbeiten. 

Können Arbeitgeber auch von drei Mal geimpften Beschäftigten einen negativen PCR-Test oder Schnelltest verlangen, bevor sie die Mitarbeitenden in die Büroräume lassen? Und was droht den Beschäftigten bei einer Weigerung?

Ich darf als Arbeitgeber auch Hygiene- und Arbeitsschutzmaßnahmen treffen, die über das gesetzlich Vorgeschriebene hinausgehen. Ist die Anordnung von Tests nach meinem betrieblichen Gesundheitskonzept eine geeignete, erforderliche und verhältnismäßige Maßnahme, darf ich das als Arbeitgeber so umsetzen. 

Einen ähnlichen Fall hatte jüngst das Landesarbeitsgericht (LAG) München (Urt. v. 26.10.2021, Az. 9 Sa 332/21) zu entscheiden: Eine Flötistin der Bayerischen Staatsoper weigerte sich, an den durch den Arbeitgeber verpflichtend vorgeschriebenen PCR-Tests teilzunehmen. Der Arbeitgeber beschäftigte die Dame daraufhin nicht mehr und zahlte kein Gehalt. Das Münchener Gericht gab dem Arbeitgeber Recht: Da das Tragen von Masken bei der Arbeit als Flötistin nicht möglich war, durfte der Arbeitgeber höhere Standards setzen als vorgeschrieben. 

Für das "Mehr" der Tests, die über das gesetzlich notwendige hinausgingen, wird der Arbeitgeber aber die Kosten übernehmen müssen. Die Testzeit wäre in diesem Fall dann als Arbeitszeit anzusehen. In diesem Fall hätte der Arbeitgeber auch abmahnen bzw. nach erneuter Aufforderung kündigen können – die Bayerische Staatsoper hatte es aber mit der unbezahlten Freistellung bewenden lassen. Das ist also immer eine Entscheidung des Arbeitgebers.

Krankschreibung weiter telefonisch möglich

Zuletzt war es Beschäftigten möglich, sich bis zu sieben Tage telefonisch krankschreiben zu lassen. Gilt diese Regelung weiter?

Der Gemeinsame Bundesausschuss hatte die Corona-Sonderregelungen zur telefonischen Krankschreibung zunächst am 16. September 2021 bis Jahresende verlängert. Die erneute Verlängerung der Corona-Sonderregelungen bis Ende März 2022 erfolgte in einer Beschlussfassung vom 2. Dezember 2021. 

Danach können also Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die an leichten Atemwegserkrankungen leiden, weiterhin nach einer telefonischen ärztlichen Befragung bis zur Dauer von sieben Kalendertagen arbeitsunfähig krankgeschrieben werden. Die auf diesem Wege erhaltene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann einmalig für weitere sieben Kalendertage verlängert werden.

Kann es eigentlich auch wieder zu Betriebsschließungen kommen? Was gilt dann für die betroffenen Beschäftigten, muss der Arbeitgeber den Lohn fortzahlen?

Die aktuellen infektionsschutzrechtlichen Vorgaben in § 28a IfSG erlauben unter bestimmten Voraussetzungen wieder die Schließung von Betrieben. Sollte es zu behördlichen Schließungsanordnungen von Betrieben aus Gründen des vorbeugenden Infektionsschutzes kommen, so brauchen Arbeitgeber:innen den betroffenen Beschäftigten keinen Lohn fortzuzahlen. Die Arbeitgeber tragen in einem solchen Fall nicht das Betriebsrisiko, wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden hat (Urt. v. 13.10.2021, Az.: 5 AZR 211/21)

Denn die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung ist Folge eines hoheitlichen Eingriffs zur Bekämpfung einer die Gesellschaft insgesamt treffenden Gefahrenlage. Dafür sind aber nicht die Arbeitgeber einstands- und zahlungspflichtig. Nach dem BAG ist es vielmehr Sache des Staates, hier für einen adäquaten Ausgleich der den Beschäftigten durch den hoheitlichen Eingriff, also die Schließungsanordnung, entstehenden Nachteile zu sorgen. Einen gesetzlichen Entschädigungsanspruch gibt es indes für solche Fälle bislang nicht. 

Hier sehe ich eine große Regelungslücke, die erhebliche Unwuchten nach sich ziehen wird, sollte es zu Schließungsanordnungen kommen. Der Gesetzgeber muss hier meines Erachtens zeitnah tätig werden.

Herr Professor Fuhlrott, vielen Dank für das Gespräch.

Prof. Dr. Michael Fuhlrott ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei FHM sowie Professor für Arbeitsrecht an der Hochschule Fresenius in Hamburg.

Zitiervorschlag

Weihnachten, Skiurlaub, Corona: Was gilt am ersten Arbeitstag nach den Feiertagen? . In: Legal Tribune Online, 21.12.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47007/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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