Strafverteidiger und Gangsterrap: Gute Anwälte als Sta­tus­sym­bole

Rapper haben eine besondere Beziehung zum Strafrecht. Viele von ihnen inszenieren in ihren Songs bloß kleine Gras-Geschäfte auf Gramm-Basis zu schwerer Drogenkriminalität. Manche Rapper aber haben tatsächlich eine kriminelle Vergangenheit. Sie haben als Beschuldigte oder Zeugen Strafverfahren selbst erlebt. 

Der Hamburger Gzuz etwa wurde Mitte Juni 2023 – wieder einmal – aus der Haft entlassen. Er saß diesmal wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittel-, das Sprengstoff- und das Waffengesetz. Fler aus Berlin hat in der Vergangenheit Journalisten so attackiert, dass er zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Über das Strafverfahren gegen Schwesta Ewa – festgenommen durch ein SEK – wurde vor fünf Jahren umfangreich berichtet. Und 18 Karat aus dem Ruhrgebiet sitzt derzeit eine langjährige Haftstrafe wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz ab.  

Weiterbildung mit Rap – StPO-Grundkurs 

In ihren Songs verarbeiten Rapper diese Erfahrungen. Das zweite Soloalbum des Düsseldorfer Rappers Al-Gear  heißt bezeichnenderweise „Wieder mal angeklagt“ (2014). Der Rapper Haftbefehl  hat § 114 StPO – nomen est omen – gleich zu seinem Künstlernamen gemacht.  

Von zentraler Bedeutung ist – szenetypisch – das Schweigerecht des Beschuldigten (nemo-tenetur-Grundsatz). In der Hip-Hop-Szene wird gefühlt mehr geschwiegen als in so manchem Kloster. So sagt Sido in seinem Hit "Mein Block" sehr treffend: "Die Bullen können kommen, doch jeder weiß Bescheid / Aber keiner hat was gesehen also könn‘ sie wieder gehen". Der Rapper Eno  hat gleich einen Track nach dem Schweigerecht benannt: "Schweigen ist Gold" in dem es als rhetorische Frage heißt "Schweigen ist Gold, was Namen nennen?" Und bei UFO361 heißt es in dem Lied "Für die Gang": "Besser, wenn du den’n nichts sagst für die Gang, ja" (wobei später klargestellt wird, was passiert, wenn doch jemand zur Verbesserung der eigenen Situation aussagt - § 46b StGB, sog. "Aufklärungshilfe": "Der Kronzeuge wird jetzt gejagt, Dicka, ja / Es fallen jetzt Schüsse aus dem Benz, Dicka, ja / So endest du hier für Verrat, Dicka, ja") 

Auch ausländisches Strafrecht lässt sich mit deutschem Rap kennen lernen. Die 187 Straßenbande aus Hamburg hat ihren Namen dem kalifornischen Strafgesetzbuch entlehnt. § 187 ist dort die Hausnummer für Mord; die Zahl 187 wird deshalb von Gangs – und wohl auch von der 187 Straßenbande – aufgegriffen und als Drohung verwendet. 

Richter und Staatsanwälte als Feindbilder 

Kommen wir zu den Verfahrensbeteiligten, denn diese nehmen in den Songs regelmäßig eine zentrale Rolle ein. Allerdings: Wenn deutsche Gangsterrapper wie Capital Bra, Fler, Schwester Ewa und ihre Kolleg*innen von Strafverfahren berichten, kommt die Staatsgewalt nicht gut weg. Polizisten, Staatsanwälte und Richter sind die Gegenseite, das Böse. Ihnen wird mit Ablehnung begegnet, Gewaltfantasien werden verbal ausgedrückt. Die Musiker Capo und Sadiq haben für ihr gemeinsames Lied tatsächlich den Titel "Fick den Richter" gewählt. Dort heißt es: "Fick den Richter, fick, fick den Richter / Hundert Cousins, die Begleitung im Gerichtssaal."

Und auch Samy besingt die erwähnte Schwesta Ewa in dem Song "Free Ewa", wobei er aus seiner staatsfeindlichen Gesinnung keinen Hehl macht: „Eine Kugel für den Staatsanwalt geht (pow, pow) / Ohh, free Ewa, Ewa, Ewa (Ewa, Ewa) / Eine Kugel für den Richter geht (rah, rah).“ Die Pistolengeräusche werden an dieser Stelle mit besonders gefühlvollem Timbre in der Stimme vorgetragen. Auch die Polizei kommt bei Schwesta Ewa nicht gut weg. Im Track "Schubse den Bullen"  heißt es "Plötzlich wird der Bulle frech, ich muss ihm geben." 

Es gibt hier viele weitere Beispiele. Sie zeigen eine rechtsstaatlich fragwürdige Sicht auf die Strafverfolgungsbehörden – die gem. § 160 Abs. 2 StPO nicht nur belastende, sondern auch entlastende Umstände zu ermitteln hat – und die unabhängigen Gerichte. Offen bleibt, ob der zur Schau getragene Hass gegen die Staatsgewalt bloß Stilmittel oder – aus den eigenen Erfahrungen genährte – echte Ablehnung rechtsstaatlicher Institutionen ist. Jedenfalls kann dies zu einem Bumerang werden, denn immer häufiger lassen US- und UK-Gerichte Raptexte in Strafverfahren als Beweismittel zu. 

Rechtsanwälte – die Kumpel der Rapper 

Anwälte kommen deutlich besser weg. Es liegt auf der Hand, dass die Anwälte der Rapper in ihren Songtexten die Guten sind. Schließlich sind sie es, die ihnen in den Verfahren zur Seite stehen. So rappt Capital Bra in "Ala’ba’ba": "Die Akte ist dick, der Anwalt ist gut / Ich zahle den Bratan mit Shem." Kurze Erläuterung: „Shem“ heißt nicht nur der erste Sohn der Bibel-Figur Noah, sondern es bedeutet im Slang auch Koks. Der ebenfalls bereits erwähnte Eno feiert seinen Anwalt in "Mercedes": "Und wer macht bei Heckmeck den Dreck weg? Der Anwalt!"

Strafverteidiger als Statussymbole 

Doch dabei bleibt es nicht. Voller Anerkennung werden die Strafverteidiger der Rapper und ihre Leistungen in Songtexten herausgestellt. Wer einen guten Anwalt hat, gibt damit an. So rappt Bonez MC im Song "Waffen": "He, ist nicht mehr dasselbe, ich kann machen, was ich will, nix passiert / Mein Anwalt ist hier die Nummer eins, ich sitz‘ im Gerichtssaal, bin frisch rasiert."

Der Anwalt von Kurdo scheint eine besonders gute Partie zu sein: Reich und gutaussehend (und damit erfolgreich aus Sicht des Rappers, "Magie": "Mein Anwalt heißt Tino, sieht aus wie Al Pacino, fährt ein Lamborghini / Innenfarbe Cappucino, wäscht Geld in Casinos, plus oder minus."

Sun Diego preist die Leistung seines Anwalts in einem Betäubungsmittel-Strafverfahren ("Rostov on Don": "Hab' kein'n Ausweis in der Tasche, check mein Nam'n bei Wikipedia / 30k, mein Anwalt macht aus Scharfe eine Replica." Wird aus der mitgeführten scharfen Waffe im Laufe des Verfahrens bloß eine Replica, also ein Nachbau, ist dies ein beachtlicher Verteidigungserfolg. Denn statt einer Mindeststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) kommt dann eine niedrigere Mindeststrafe in Betracht (§§ 29 ff. BtMG). Hier kann man mit Sun Diego sogar materielles Strafrecht lernen – Musik mit Mehrwert. 

Shindy, der laut eigener Aussage mit Spielern des FC Bayern München in einer Straße wohnt, macht in "Bayern Freestyle" deutlich, dass er besondere Anwälte hat: "Ich komm mit den Anwälten von Beckenbauer." Wenn Beckenbauer sie hat, müssen sie gut sein!  

Selten bleiben namentliche Erwähnungen der Anwälte. Kollegah jedoch lobt unter Bezugnahme auf J.R.R. Tolkiens "Der Herr Der Ringe" die Weisheit seines Verteidigers, Dr. Christof Miseré, in "Diplomatische Immunität": „Gruß an Doktor Miseré, mein'n Anwalt des Vertrauens / Manchmal kann er zaubern so wie Gandalf der Graue.“ 

Und ein aktuelles Beispiel für eine namentliche Erwähnung liefert der Rapper MORGEN, der sich in seinem neuen Track "Ghetto DHL" auf seine kriminelle Vergangenheit bezieht und den Hamburger Strafverteidiger Uwe Maeffert ins Rampenlicht stellt: „Vor Gericht wird die Crew zerschmettert (ich sage nichts, nichts, ey) / Und für den Rest frag Uwe Maeffert.“ 

Strafverteidiger stehen also in einer Reihe mit teuren Autos, Klamotten und Schmuck. Frei nach dem Motto: Links der Kampfhund und rechts der Anzugträger mit (weißer) Krawatte. Anwälte werden so zu Statussymbolen der Gangsterrapper. Dieser Sonderstatus sollte Strafverteidiger allerdings nicht davon abhalten, ihren Beruf gewissenhaft auszuüben. Denn wer agiert wie der Anwalt von Zuna in "Großstadtdschungel", wird vermutlich die längste Zeit seines Lebens Anwalt gewesen sein: „Digga, alles beim Alten, geb' Anklage weiter / Zum Anwalt, er sagt, ich muss Zeugen bedroh'n“. 

Dr. Max Schwerdtfeger ist Rechtsanwalt und Strafverteidiger in Hamburg. 

Jakob Schwerdtfeger ist Stand-up-Comedian, Kunsthistoriker und Freestyle-Rapper. Er lebt in Frankfurt am Main.