Nachzahlungen an Rechtsreferendare

Landesamt für Beschönigung und Verzögerung?

von Constantin Baron van LijndenLesedauer: 6 Minuten
Gewiss: Die große Offenbarung hatten wir nicht erwartet, als wir dem LBV NRW ein paar kritische Fragen zur Nachzahlung von Unterhaltsbeihilfe stellten. Statt dieser Antworten hätte die Behörde aber ebenso gut ihren Kantinenplan übersenden können. Wir veröffentlichen die Korrespondenz im Wortlaut – denn keine Antwort ist ja bekanntlich auch eine.

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1/5: Was bisher geschah Wenn eine Pressestelle auf kritische Nachfragen mit nichtssagenden Antworten reagiert, was leider häufig vorkommt, dann wandert die Korrespondenz normalerweise in den Papierkorb. So wäre es beinahe auch der Antwort des LBV NRW auf unsere Mail ergangen, mit der wir von LTO einige Fragen in Bezug auf die Nachzahlung von Unterhaltsbeihilfe an aktuelle und ehemalige Referendare ergründen wollten. Zur Erinnerung: Das LBV NRW hat die Unterhaltsbeihilfe jahrelang gegen den Gesetzeswortlaut zu spät gezahlt und zu niedrig angesetzt, den Referendaren entging dadurch unterschiedlich viel Geld, meist hohe drei- oder niedrige vierstellige Summen. Einige Referendare aus Bielefeld verklagten das LBV dann erfolgreich vor dem Verwaltungsgericht (VG) Minden, dessen Entscheidung das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster 2014 bestätigt hat. Nun bereitet das LBV Nachzahlungen vor – allerdings will es diese maximal für den Zeitraum ab 2011 leisten und beruft sich auf §§ 195, 199 Bürgerliches Gesetzbuch. Um uns das und einige andere Fragen, die sich aus uns überlassener teils widersprüchlicher, teils schlicht sachlich falscher Korrespondenz der Behörde mit betroffenen Referendaren aus NRW ergaben, beantworten zu lassen, haben wir die Behörde, auf deren Bitte hin in Schriftform, um Stellungnahme gebeten. Die Antwort, die zunächst über mehrere Tage zwischen dem LBV und dem Finanzministerium abgestimmt wurde, fällt ernüchternd aus. Statt Antworten und  Argumenten gibt es Allgemeinplätze und Auskunft zu Fragen, die niemand gestellt hat. Da in ganz NRW tausende Referendare betroffen sind und möglicherweise in langwierige Verfahren gegen die Behörde einsteigen müssen, haben wir uns entschlossen, diese zu veröffentlichen. Für alle, die es interessiert, hier jeweils unsere Anfrage und die Antwort des LBV im Original-Ton.

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2/5: Verjährung ohne Kenntnis? Die wichtigste Frage ist natürlich die, weshalb die Verjährungsfrist mit Anspruchsentstehung hätte zu laufen beginnen sollen. Wir formulierten das so: Anfrage LTO: In den Schreiben, die das LBV NRW derzeit an aktuelle und ehemalige Referendare wegen zu niedrig gezahlter Unterhaltsbeihilfe versendet, ist davon die Rede, dass die Ansprüche einer dreijährigen Verjährungsfrist unterlägen. Zu der Frage, wann diese Verjährungsfrist jeweils beginnen soll, äußert sich das LBV zwar nicht ausdrücklich, sehr wohl aber implizit, wenn es erklärt, dass Rückzahlungen erst ab dem 01.01.2011 (bei Antragsstellung 2014) bzw. ab dem 01.01.2012 (bei Antragstellung 2015) erfolgen könnten. Offenbar gehen Sie also von einem Verjährungsbeginn jeweils im Jahr des Erhalts der Leistung aus. Der von Ihnen zitierte § 199 BGB setzt für den Verjährungsbeginn aber zudem Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis über die den Anspruch begründenden Umstände voraus. In den Jahren 2011, 2012 und 2013 gab es noch keine gerichtlichen Entscheidungen, die den Anspruch der Referendare auf Nachzahlung bestätigt hätten. Das LBV selbst ging ganz offenbar ebenfalls davon aus, dass ein solcher Anspruch nicht besteht. Eine relativ eindeutige Klärung der Rechtslage kam erst mit den Entscheidungen des VG Minden und des OVG Münster 2014 zustande. Wie begründen Sie also die Annahme, dass Ansprüche vor 2011 respektive 2012 bereits verjährt seien? Muten Sie den Referendaren insofern ein höheres Maß an Rechtskenntnis zu, als offenbar in Ihrer eigenen Behörde bestand?

Antwort LBV: Das OVG Münster hat mit Urteil vom 27.10.2014 entschieden, dass eine Neuberechnung der Unterhaltsbeihilfe vorzunehmen ist. Unter Beachtung der geltenden Verjährungsbestimmungen gemäß § 199 BGB wird nunmehr so schnell wie möglich überprüft werden, in welchen Fällen sich über den entschiedenen Einzelfall hinaus Nachzahlungen ergeben.
Unsere Frage beantwortet das nicht. Sondern wirft weitere auf. Will die Behörde tatsächlich die - insoweit rechtskräftige Entscheidung - des OVG nicht anerkennen? Und sind ihre bereits verschickten Schreiben an die ehemaligen Referendare, die immerhin teilweise Nachzahlungen verweigern, weil Ansprüche vor 2011 nicht zu begleichen, etwa nicht das Ergebnis einer Prüfung?

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3/5: Wie werden erlittene Steuernachteile kompensiert? Natürlich war das nicht alles, was wir wissen wollten. So ging es weiter: Anfrage LTO: Ehemalige Referendare, die nun Nachzahlungen erhalten, befinden sich in vielen Fällen bereits im Berufsleben und unterliegen somit einem deutlich höheren Steuersatz, als dies zu Zeiten ihres Referendariats der Fall war. Beabsichtigen Sie, die Referendare hierfür entsprechend zu kompensieren (also so zu stellen, dass ihre Nettoeinnahmen dem entsprechen, was sie bei ordentlicher Zahlung der Unterhaltsbeihilfe bereits während des Referendariats erhalten hätten)? Falls nein: Wie begründen Sie die Ansicht, hierzu nicht verpflichtet zu sein? Und sind Sie sich der besonderen Brisanz bewusst, die dadurch entsteht, dass diese Gelder (zum Teil) wiederum dem Land als Träger des LBV in Form von Steuereinnahmen zufließen?

Auch hier war das LBV um eine Antwort nicht verlegen – die allerdings wiederum nichts mit unserer Frage zu tun hat:

Antwort LBV: Sobald es sich um Nachzahlungen für einen Zeitraum von mehr als 12 Monaten handelt, sind diese nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes ermäßigt zu besteuern.
Ansonsten gilt: Nachzahlungen müssen im Zeitpunkt des Zuflusses versteuert werden. Hier greift das im Grundgesetz enthaltene Prinzip der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit.

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4/5: Würde das LBV es auf einen weiteren Prozess ankommen lassen?
Außerdem interessiert uns, ob das LBV seine Erfolgsgeschichte vor den Verwaltungsgerichten fortschreiben will:
Anfrage LTO: Würden Sie es, mit Blick auf Fragen Nr. 1 und 2, auf einen weiteren Prozess ankommen lassen?
Leider kennt man dort offenbar den Konjunktiv nicht und gibt sich auch sonst eher schmallippig:
Antwort LBV: Diese Frage stellt sich nicht. Vergleiche Antwort 1 und 2.

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5/5: Und was ist mit den Peanuts? Und schließlich wären da noch ein paar weniger wichtige Details:

Anfrage LTO: In den Verfahren vor dem VG Minden / OVG Münster ging es auch darum, dass die Unterhaltsbeihilfe zu spät gezahlt wird – nämlich zum Ende des Monats und nicht, wie eigentlich vorgesehen, zum 20. – und dass sie, unabhängig von der Problematik um das Landes-/Bundesbesoldungsgesetz, um 90 Cent pro Monat zu niedrig angesetzt worden war. In beiden Fällen gaben die Gerichte den Klägern Recht. Beabsichtigt das LBV, die monatlich zu wenig gezahlten 90 Cent bei der nun anstehenden Berechnung von Nachzahlungen ebenfalls zu berücksichtigen? Und ab wann beabsichtigt das LBV, die monatlichen Überweisungen auf den 20. umzustellen?
Auf die Frage nach den 90 Cent folgt allerdings eine Antwort, die eher klingt, als betreffe sie lediglich die Anpassungen für aktuelle Referendare, nicht aber die Nachzahlungen (nach denen wir eigentlich fragten). Eine inhaltliche Antwort gibt es – Überraschung – auf die einzige unserer Fragen, die inzwischen zu Gunsten des LBV geklärt ist:
Antwort LBV: Der Fehlbetrag von 90 Cent pro Monat wird im Rahmen der Anpassung der Unterhaltsbeihilfe automatisch ausgezahlt.
Überdies gilt seit dem 31.10.2014 eine neue Verordnung über die Gewährung einer monatlichen Unterhaltsbeihilfe an Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare. Diese regelt ebenfalls die Auszahlungsmodalitäten. Es gilt: „Die Zahlung der Unterhaltsbeihilfe erfolgt jeweils am letzten Tag eines Monats für den laufenden Monat durch das Landesamt für Besoldung und Versorgung.“ (Vgl. § 1 Abs. 1 Satz 6)

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