Festivalbesucher des Wacken Open Air
"Wacken"-Anwalt berät zu Rechtsfragen bei Festivals

"Jura geht für mich nur in Kom­bi­na­tion mit Musik"

Interview von Tamara Wendrich2025 M06 28, Lesedauer: 6 Minuten

Er ließ eine eigene Schlagzeugkarriere für Jura sausen. Heute berät Hajo Rupp gleich drei der größten Musikfestivals der Branche. Was ein "Festival-Anwalt" macht und wie man das wird, verrät er im Interview.

LTO: Herr Dr. Rupp, Sie sind "Festival-Anwalt". Eigentlich wären Sie selbst fast Musiker geworden. Wieso haben Sie sich dann doch für Jura entschieden?

Dr. Hajo Rupp: Ich würde gerne erstmal das "Du" anbieten. In der Musikbranche ist das üblich. Wir siezen uns eigentlich nie.

Alles klar. Also, wieso hast du dich doch für ein Jurastudium entschieden?

Eigentlich wollte ich Musik studieren, Schlagzeug war und ist meine Leidenschaft. Aber die Berufsperspektive war mir zu unsicher. Bei Jura hat mich vor allem die sprachliche Komponente gereizt, den Umgang mit Sprache fand ich schon immer interessant. Aber mir war klar, dass Jura für mich nur in Kombination mit Musik geht. Deswegen habe ich mein Studium und später mein Referendariat schon in die Richtung gelenkt. Später habe ich noch einen LL.M. im Entertainmentrecht und eine Promotion im Urheberrecht absolviert.

Und wie bist du dann an deinen Job als Festival-Anwalt gekommen?

Vor knapp einem Jahr hat mich eine Headhunterin angeworben. Bis dahin hatte ich schon verschiedene Bereiche kennengelernt, die mich alle für meine jetzige Tätigkeit gerüstet haben. Ich war beim SWR und habe dort u.a. Lizenzverträge erstellt. Da fehlte mir aber der direkte Bezug zur Musik und deswegen bin ich in eine Urheberrechtskanzlei gewechselt, später zur GEMA und schließlich zu Warner Music, einem der drei großen "Major"-Label. Da habe ich vor allem Verträge mit Künstlern und Brandpartnern verhandelt. Jetzt bin ich General Counsel und Syndikusrechtsanwalt bei der ICS GmbH. Dort fließt das alles zusammen – für mich die perfekte Kombination.

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"Wir organisieren auch Metal-Kreuzfahrten"

Was macht denn ein Festival-Anwalt?

Hajo Rupp. Foto: privat.

Ich bin Anwalt für alle Fragen rund um unsere Veranstaltungen. ICS ist die Muttergesellschaft des Wacken-Imperiums. Zusätzlich bin ich aber auch für die Festivals "Parookaville" und "San Hejmo" der Next Events GmbH zuständig. Wir organisieren die Festivals, im "Wacken-Kosmos" außerdem seit ein paar Jahren Metal-Reisen und auch Metal-Kreuzfahrten. Hier fahren wir mit unserem Reisepartner meist von Hamburg auf die Ostsee nach Skandinavien und ins Baltikum. Es gab aber auch schon Cruises auf dem Mittelmeer. An Board gibt es dann Konzerte und ein entsprechendes Rahmenprogramm. Wir haben auch ein eigenes Künstler-Management und eine Booking-Firma. Ich bin für alle rechtlichen Fragen zuständig.

Welche Fragen sind das?

Ganz verschiedene. Ich bin in meiner Rolle Generalist. Ich arbeite viel im Zivilrecht, zum Beispiel zu Fragen zu Verträgen mit Lieferanten, Künstlern und Managern oder Sponsoren. Gerade bei großen Namen wie Wacken tauchen oft marken- oder wettbewerbsrechtliche Fragen auf, etwa, ob eine bestimmte Werbung zulässig ist.

Ich bin aber auch im öffentlichen Recht tätig und werde bei Genehmigungen mit Ordnungsbehörden für die Festivals hinzugezogen. Versicherungsrecht spielt auch eine wichtige Rolle.

"Neben Wacken oder Parookaville beantworte ich alle Rechtsfragen eines Unternehmens"

Als Syndikusanwalt beschäftigst Du Dich wahrscheinlich aber auch noch mit Rechtsfragen abseits von Festivals.

Genau. Es kommen typische Rechtsfragen eines Unternehmens auf mich zu: Etwa in den Bereichen Gesellschaftsrecht, Corporate Governance, Datenschutz, Arbeitsrecht. Außerdem entwickle ich Policies für Superstruct (das ist der Konzern, zu dem wir gehören) mit und setze sie bei den Tochterunternehmen um. Das sind die verbindlichen Leitlinien, wie Prozesse oder Entscheidungen bei uns ablaufen sollen oder wie in bestimmten Situationen gehandelt wird. Das schafft Einheitlichkeit und Transparenz und damit Effizienz.

Wie schaffst du es, zwischen den ganzen Rechtsgebieten zu springen?

Das kann schon fordernd sein. Die Branche tickt schnell und ich muss flexibel sein. Fragen müssen sofort beantwortet, Entscheidungen getroffen werden. Deswegen versuche ich, für jedes neue rechtliche Thema offen zu bleiben. Ich halte mich mit juristischer Lektüre auf dem Laufenden und versuche zum Beispiel über Newsletter von Fachverlagen am Ball zu bleiben. So habe ich die wichtigsten Rechtsentwicklungen im Blick. Wenn es ein neues Urteil zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) gibt, muss ich das kennen und gegebenenfalls unsere AGB anpassen (lassen).

"Dass Festivals eigene Anwälte haben, ist eine Ausnahme"

Hast du ein Team, das dich unterstützt?

Ich arbeite mit externen Kanzleien und Beratern – anders kann ich das Pensum gar nicht stemmen. Anwälte haben ja meistens ihr Spezialgebiet. Das ist bei mir das Urheberrecht, jetzt arbeite ich aber viel mehr in die Breite. Man könnte sagen, dass ich Internist oder Kardiologe war und heute Allgemeinmediziner bin. Bei mir laufen die Diagnosen der Spezialisten zusammen und ich übersetze. Ich habe das Unternehmen im ganzheitlichen Blick.

Dass Festivals eigene Anwälte haben, ist aber eher die Ausnahme. Meist arbeiten die Veranstalter mit externen Kanzleien zusammen, die sich auf die Rechtsfragen von Festivals spezialisiert haben. Erst wenn die Festivalunternehmen wachsen oder in einen größeren Konzern eingegliedert werden, stellt sich für viele die Frage nach ständiger Inhouse-Beratung. So wird die Arbeit effizienter und man hat einen Partner an der Seite, der tagtäglich in allen internen Prozessen involviert ist und so schnell Entscheidungen vorbereiten kann. Ich kenne nur wenige, die den gleichen Job machen wie ich.

Welche Eigenschaften brauchst du in deinem Beruf neben deinem juristischen Fachwissen?

Vor allem Kommunikationsgeschick und Organisationstalent. Mit einer Behörde spricht man anders als mit einem Label. Manchmal übersetze ich "juristisch" in Alltagssprache und muss mich meinem Gegenüber und dessen Interessen anpassen. Das zwingt mich aus meiner eigenen Bubble und genau das macht es spannend. Als Festivalanwalt bin eher Rechtsmanager als klassischer Anwalt. Ich jongliere viele Bälle gleichzeitig, habe den Überblick und hole Input – durch eigene Recherche oder externe Beratung.

"Sommerurlaub gibt es nicht"

Du bist auch für das Parookaville und das San Hejmo Festival zuständig. Die drei Festivals finden alle im Sommer statt. Bleibt da noch Zeit für Urlaub?

Klassischen Sommerurlaub gibt es nicht. Juli und August ist absolute Festival-Hochphase. Und nach Festivalende startet auch sofort der Verkauf fürs nächste Jahr. Das ist aber auch nicht schlimm, denn Urlaub gibt es davor oder danach genug. Das muss man nur entsprechend timen.

Im Herbst und Winter gibt es weniger akute Themen. Da beschäftige ich mich auch mit strategischen Fragen. Zum Beispiel, wenn bei einem Festival ein rechtlicher Ansatz im Datenschutz gut funktioniert hat, könnten wir das nicht auch bei einem anderen umsetzen?

Besuchst du die Festivals dann auch selbst?

Ja, ich muss sogar vor Ort sein. Aber ich arbeite ja und kann Musik und Acts nur manchmal genießen. Den Rest des Jahres arbeite ich aus dem Home-Office oder unseren Büros in Hamburg, Wacken und Weeze.

Was musst du vor Ort machen?

Ich beantworte sämtliche Rechtsfragen, die sich ergeben. Das war auch für mich anfangs überraschend, wie viele spontane Fragen auftauchen. Zum Beispiel kam es schon zu Lizenzfragen beim Livestream eines Festivals. Oder Behörden bitten kurzfristig um Abstimmung. Manchmal müssen auch Vertragsergänzungen verhandelt werden, weil sich Dinge anders entwickeln als ursprünglich geplant. In unserer Branche ist manches nicht zu 100 Prozent vorhersehbar, da müssen häufig schnell Lösungen her. Das macht für mich aber auch den Reiz aus.

Referendare kommen mit aufs Festival

Kann man im Referendariat zu dir und mit auf das Festival?

Klar! Ich suche immer motivierte Referendarinnen und Referendare. Man kann bei uns auf jeden Fall die Anwalts- und Wahlstation machen, vielleicht sogar die Verwaltungsstation. Wir suchen deutschlandweit. Vorerfahrung ist gut, aber kein Muss. In der Musikbranche gibt es viele Quereinsteiger. Man muss seinen Werdegang nicht so gezielt ausrichten, wie ich. Nur die Leidenschaft darf nicht fehlen. Und auf die Festivals kommen Referendare natürlich mit!

Noch eine Frage zum Schluss: Wacken, San Hejmo und Parookaville sind ja von der Musik her doch sehr verschieden. Welche Musik hörst du privat?

Früher habe ich viel in Rockbands gespielt, daher ist das immer noch ein sehr wichtiger musikalischer Anker für mich. Ich produziere aber auch selbst elektronische Musik und bin gegenüber vielen musikalischen Richtungen offen. Für mich ist die Frage weniger, welche Musik ich höre, sondern wann und zu welchen Gelegenheiten ich welche Musik höre. Das kann morgens oder zum Ausspannen Jazz, Soul, Hip-Hop und Klassik, den Tag über Rock und Alternative und abends beim Feiern dann Dance und Techno sein. Daher fühle ich mich bei unseren Festivals bestens aufgehoben.

Vielen Dank für das Gespräch!

Dr. Hajo Rupp LL.M. (University of Westminster) ist General Counsel und Syndikusanwalt bei der ICS GmbH, die zu Superstruct Entertainment gehört. Er hat in München und London studiert und in Siegen promoviert. Er berät zu allen Fragen, die Festivals aufwerfen.

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