Gesetzentwurf zum Recht der Unternehmensjuristen

Syndizi können im Versorgungswerk bleiben – fast alle

von Martin W. HuffLesedauer: 7 Minuten
Seit Dienstag kursiert in Berlin das "Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte". Sie sollen eine eigene Zulassung bekommen, wann sie "anwaltlich" tätig sind, wird neu und recht streng definiert. Auch für die schon tätigen Syndizi klärt der Entwurf die Möglichkeit, sich von der Rentenversicherung befreien zu lassen. Eine erste Analyse von Martin W. Huff und Pia Lorenz.

Heiko Maas hat Wort gehalten. Fast auf den Tag genau ein Jahr nach den aufsehenerregenden Urteilen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 3. April 2014 und zudem am Tag des Ablaufs der – umstrittenen - Frist für die Fortgeltungsanträge an die DRV geht die gesetzliche Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte auf die Zielgerade. Mit dem Referentenentwurf für ein Gesetz zur "Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte" mit dem "Bearbeitungsstand 26.3.2015 22.01 Uhr" kommt der Bundesjustizminister der Forderung der rund 40.000 deutschen Syndikusanwälte, der Wirtschaftsverbände, des Deutschen Anwaltvereins und des Bundesverbands der Unternehmensjuristen nach einer gesetzlichen Regelung nach. Der Entwurf soll nach Ostern den Ländern und Verbänden zur Stellungnahme zugeleitet werden, während die endgültige Abstimmung mit den anderen Ressorts in Berlin noch stattfindet. Der Zeitdruck ist allen klar. Auch die vollständige Ausformulierung des Gesetzes mit einer umfangreichen Begründung spricht dafür, dass der Entwurf bereits weitgehend insbesondere mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales abgestimmt ist. Das Papier enthält nämlich auch detaillierte sozialrechtliche Übergangsregelungen in § 231 Sozialgesetzbuch (SGB) VI – und diese bedürfen der Abstimmung mit dem Haus von Andrea Nahles (SPD). Kernpunkte des Gesetzentwurfes, den Maas im Vorfeld als "kleine berufsrechtliche Lösung" angekündigt hatte, sind die eigene Zulassung als Syndikusrechtsanwalt (die Syndikuspatentanwälte werden gleich mit geregelt), die sozialrechtlichen Übergangsvorschriften in Bezug auf die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie die Vertretungsverbote und Verschwiegenheitsrechte.

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"Im Rahmen ihres Anstellungsverhältnisses für ihren Arbeitgeber anwaltlich tätig"

In § 46 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) n.F. wird zunächst klargestellt, dass angestellte Rechtsanwälte in Kanzleien als Rechtsanwälte tätig sind. Anders als noch im Eckpunktepapier werden an sie keine besonderen Anforderungen gestellt. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass angestellte Rechtsanwälte immer anwaltlich tätig sind. Nicht aufgenommen wurde in § 46 Abs. 1 des Entwurfes eine Regelung für die Anwälte, die als angestellte Rechtsanwälte in Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften tätig sind. Sie werden also auch in Zukunft unter den Begriff der Syndikusrechtsanwälte fallen. In § 46 Abs. 2 der vollständig neu gefassten Vorschrift des § 46 gibt es dann eine Legaldefinition des "Syndikusrechtsanwalts". "Angestellte anderer als der in Absatz 1 genannten Personen oder Gesellschaften üben ihren Beruf als Rechtsanwalt aus, sofern sie im Rahmen ihres Anstellungsverhältnisses für ihren Arbeitgeber anwaltlich tätig sind". § 46 Abs. 3 regelt, was unter einer anwaltlichen Tätigkeit zu verstehen ist. Der Syndikusanwalt muss "fachlich unabhängig und eigenverantwortlich" tätig sein und einige Merkmale, erfüllen, seine  Tätigkeit muss von ihnen "geprägt sein", wie der Entwurf es formuliert.

Vier Merkmale machen die anwaltliche Tätigkeit

Die vier Merkmale erinnern an die die bis zu den Urteilen des BSG wenn auch umstrittene, so doch angewandte Vier-Kriterien-Theorie, sind aber nicht mit ihnen identisch: Syndikusanwälte, die als solche zugelassen werden wollen, müssen
  • Rechtsfragen prüfen
  • Rechtsrat erteilen
  • nach außen vertretungsbefugt sein und
  • in ihrer Tätigkeit ausgerichtet sein auf die Gestaltung von Rechtsverhältnissen, insbesondere durch das selbständige Führen von Verhandlungen oder auf die Verwirklichung von Rechten.
Dabei ist nach Abs. 4 die fachliche Unabhängigkeit vertraglich und tatsächlich zu gewährleisten, also muss es in Zukunft klare Regelungen in den Arbeitsverträgen geben. Der Entwurf schafft damit ein Modell von Merkmalen, mit dem die meisten Syndikusanwälte – gerade auch in Zukunft – werden leben können.  Es umfasst Tätigkeiten in Rechtsabteilungen, in Schadenabteilungen, als Arbeitsrechtler in Personalabteilungen und an vielen weiteren Stellen in Unternehmen.

Zulassung als Syndikusrechtsanwalt: durch die Kammer, mit der Rentenversicherung

Abgeschafft wird mit der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt auch die sog. „unwiderrufliche Freistellungserklärung“ für die Ausübung der eigenen Anwaltstätigkeit neben der Angestelltentätigkeit. Aufgrund einer Nebentätigkeitsgenehmigung bleibt diese möglich,  manche Übergangsfragen müssen aber noch geklärt werden. Die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt erfolgt durch die Rechtsanwaltskammer. Sie prüft die ihr vorzulegenden Verträge und Vereinbarungen vorzulegen sind und entscheidet über die Zulassung. Allerdings sieht  § 46a Abs. 2 vorgesehen, dass die Entscheidung der Anwaltskammer "nach Anhörung der Träger der Rentenversicherung erfolgt". Diesen Punkt sieht der für das Thema zuständige CDU- Bundestagsabgeordnete im Rechtsausschuss  und Rechtsanwalt Dr. Jan-Marco Luczak (CDU), der den Entwurf aus dem Ministerium von Heiko Maas grundsätzlich begrüßt, kritisch: "Aufgrund welcher Kompetenz soll die Rentenversicherung angehört werden", fragte er gegenüber LTO. Seine Kritik, dieses Anhörungsrecht sei systemfremd, kann man auf den ersten Blick teilen. Worüber genau die Rentenversicherung Auskunft geben oder angehört werden soll, wird zu klären sein. Jedenfalls aber kann ein solches Recht nur dann sinnvoll sein, wenn die Rentenversicherung an die Entscheidung der Kammer auch für die Frage der Befreiung gebunden ist. Das erscheint zwar zwingend logisch, ist aber nicht ausdrücklich geregelt.

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2/2: Rentenversicherung: Wer wird befreit, wer wurde schon?

Wesentlich gerade für die schon tätigen Syndikusanwälte sind die Regelungen in den geplanten neuen Absätzen 4a und 4b des § 231 SGB VI. Die aus Sicht der Unternehmensjuristen wohl wesentlichste, aber nicht ganz leicht verständliche Übergangsvorschrift für die „Altfälle“ in § 231 Abs. 4b SGB VI lässt sich wie folgt zusammenfassen:
  • Wer in Zukunft seine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt erhält, wird vom Beginn der Tätigkeit an von der Versicherungspflicht befreit werden können.
  • Wer seine Zulassung für ein bereits bestehendes Arbeitsverhältnis als  Syndikusrechtsanwalt beantragt und diese erhält, erhält die Befreiung auch rückwirkend für die Dauer dieses Beschäftigungsverhältnisses.
  • Für frühere Beschäftigungsverhältnisse wirkt die Befreiung auch, wenn in diesem Zeitraum eine Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk bestand.
  • Für Zeiten vor dem 1. April 2014 wirkt die Befreiung, wenn für diese Zeiten einkommensbezogene Pflichtbeiträge (also nicht nur der Pflichtbeitrag, sondern Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile) in das Versorgungswerk bezahlt wurden.
  • Der Antrag auf rückwirkende Befreiung muss innerhalb von sechs Monaten nach dem Inkrafttreten des Gesetzes gestellt sein.
Diese Regelung gilt nicht für bestandskräftige Entscheidungen, mit denen die Befreiung abgelehnt wurde.

Unklar: Syndikusanwälte im Widerspruchsverfahren

Nicht ganz klar ist, was mit der Vielzahl der Syndikusanwälte geschieht, die sich gerade in einer Auseinandersetzung mit der DRV befinden, sei es im Widerspruchs- oder Gerichtsverfahren befinden. Man  kann die Auffassung vertreten, dass für das noch bestehende Arbeitsverhältnis eine Syndikuszulassung beantragt werden kann, die dann zur Rückwirkung im laufenden Prozess führt. Offen lässt der Entwurf auch, was mit Verfahren über Tätigkeiten ist, die bereits beendet sind und Zeiträume vor dem 1. April 2014 betreffen. Zunächst ist zu hoffen, dass die Deutsche Rentenversicherung Bund im Interesse aller ihre aktuelle Praxis ändert. Derzeit erlässt sie bergeweise Widerspruchsbescheide auf Widersprüche, die in den Jahren 2013 und 2014 eingelegt wurden und verweigert, obgleich alle wissen, dass das Gesetz zeitnah kommen wird, das weitere Ruhen bei Gerichtsverfahren. Zudem hat ja auch das Bundesverfassungsgericht angekündigt, über die beiden anhängigen Verfassungsbeschwerden gegen die Urteil des BSG noch in diesem Jahr zu entscheiden.

Tätigkeitsregelungen: Kein Zeugnisverweigerungsrecht für Syndizi

In § 46c BRAO sieht der Entwurf besondere Vorschriften für Syndikusrechtsanwälte vor, insbesondere das schon aus dem derzeit geltenden  § 46 BRAO bekannte Vertretungsverbot ab dem Landgericht und den vergleichbaren Gerichten. Aufgehoben wurde das Vertretungsverbot vor Schiedsgerichten. Im Strafrecht gibt es das schon aus dem Eckpunktepapier erkennbare Vertretungsverbot. § 53 StPO soll in seiner neuen Fassung dann die Syndikusrechtsanwälte in dieser Tätigkeit vom anwaltlichen  Zeugnisverweigerungsrecht ausnehmen. Hier wird es sicherlich Diskussionen geben. Auch ein bislang kaum diskutierter weiterer Aspekt wird mit dem Gesetzentwurf geklärt: Durch die eigene Zulassung steht fest, dass Syndikusanwälte mit den für ihren Arbeitgeber bearbeiteten Fällen die Zulassung als "Fachanwalt für …" beantragen können, wenn sie die anderen Voraussetzungen erfüllen. Dies war, obgleich immer mehr Anwaltskammern die eigenverantwortliche Fallbearbeitung als ausreichend ansahen, um die Praxiserfahrung nachzuweisen, bislang umstritten.

Ein Entwurf, der die meisten Probleme löst

Der Gesetzentwurf ist eine bis auf einige Details stimmige Lösung, welche die meisten der aktuellen Probleme löst. Der Gesetzgeber stellt klar, dass es eine anwaltliche Tätigkeit bei einem "nichtanwaltlichen Arbeitgeber" gibt. Er stellt aber auch - wie wir meinen, zu Recht - hohe Anforderungen an diese Tätigkeit. Mit den geplanten Vertretungsrechten können sicherlich nahezu alle Syndikusanwälte leben. Die meisten von ihnen wollen ihre Arbeitgeber gar nicht vor den Zivilgerichten vertreten, sondern greifen gern auf externe Anwaltskanzleien zurück. Nicht zuletzt ändert der Gesetzgeber mit dem Entwurf die alte Rechtsgrundlage, welche erst zu den Urteilen des BSG vom 3. April 2014 geführt hatte: Es war höchste Zeit, klarzustellen, dass Syndikusanwälte zu dem klassischen, von § 6 SGB VI erfassten, Personenkreis der Freiberufler gehören, die von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien sind. Nicht nur der stellvertretende Vorsitzende der Rechtsausschusses, Jan-Marco Luczak, hofft jetzt auf eine rasche Verabschiedung des Gesetzes. Geplant ist sein Inkrafttreten vier Monate nach der Verkündung. Sollte es also im Juli 2015 verkündet werden, könnte das Gesetz zum 1. November  in Kraft treten. Der Autor Martin W. Huff ist Rechtsanwalt bei LegerlotzLaschet Rechtsanwälte in Köln, Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln und Sprecher des Ausschusses Syndikusanwälte im Kölner Anwaltverein. Er berät seit Jahren in Fragen des Rechts der Syndikusanwälte. Die Autorin Pia Lorenz, LL.M. ist Chefredakteurin der LTO und Rechtsanwältin in Köln.

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