Kanzlei mit Fokus auf Frauen und queere Menschen

"Zu einer offenen und gerechten Gesell­schaft bei­tragen"

Interview von Dr. Franziska KringLesedauer: 6 Minuten

Die Berliner Kanzlei von Katja Dunkel und Rebecca Richter berät speziell Frauen und LGBTQIA*-Menschen. Die beiden Gründerinnen erzählen im Interview, wie es dazu kam und worum es ihnen bei ihrer Idee geht.

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LTO: Ihre Kanzlei "Dunkel Richter Rechtsanwältinnen" berät speziell Frauen und LGBTQIA*-Menschen. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen? 

Katja Dunkel: Wir haben zuvor beide in einer Medienrechtskanzlei in Berlin gearbeitet. Allerdings haben wir uns in der Jurabranche teils sehr unwohl gefühlt, weil wir sie als sehr männerdominiert, weiß, alt und heteronormativ kennengelernt haben. Uns hat etwas, auch aus unserer Lebensrealität, gefehlt. Wir haben Frauen vermisst, nicht nur in Führungspositionen, sondern auch bei den Mandant:innen. So wollten wir nicht arbeiten und leben. Deshalb haben wir dann beschlossen, etwas Eigenes zu gründen. 

Wie sah die Planung aus? 

Dunkel: Wir haben uns zusammengesetzt und über unsere Werte und darüber ausgetauscht, wie wir die kommunizieren und im Arbeitsalltag leben wollen. Wer benötigt Unterstützung, wie können wir unsere Zeit sinnvoll investieren? Wir hatten das Gefühl, dass gerade Frauen und die queere Community nicht so präsent sind. Deshalb wollten wir gerade auf diese Gruppen zugehen und ihnen das Gefühl geben, dass wir ihre Probleme sehen und sie unterstützen wollen. 

"Dass es so viele Hürden für trans Menschen gibt, ist unfassbar" 

Mit welchen besonderen rechtlichen Problemen sind Frauen und LGBTQIA*-Menschen denn konfrontiert? 

Rebecca Richter: Zum Beispiel ist das Abstammungsrecht immer noch reformbedürftig. Frauen, die miteinander verheiratet sind und Kinder bekommen möchten, werden noch viele Steine in den Weg gelegt. Aber das BMJ hat immerhin jetzt Änderungen vorgeschlagen

Auch die Rechte von trans Personen müssen noch verbessert werden. Da geht es aber nicht nur um konkrete Gesetzesänderungen, sondern auch schon den Zugang zum Recht. Teilweise erzählen uns Mandant:innen, dass Kanzleien sie nicht unterstützen wollen. Viele kennen ihre Rechte nicht und wissen nicht, wann man rechtlich gegen etwas vorgehen kann. Hier wollen wir mehr Informationen geben und für mehr Sichtbarkeit sorgen.  

Mit welchen Fällen kommen die Menschen zu Ihnen? 

Dunkel: Unsere Kanzlei ist auf das Medienrecht spezialisiert und deshalb spielt sich vieles im Presse- und Äußerungsrecht ab. Unter anderem geht es um "MeToo"-Fälle im Äußerungsrecht oder Hasskriminalität im Netz. Ein klassischer Fall ist auch das sogenannte Deadnaming, also wenn bei trans, inter und nicht-binären Menschen mit böser Absicht der falsche Name öffentlich verwendet wird. Zum Beispiel kommen auch trans Menschen zu uns, die ihr Zeugnis an den selbstgewählten Namen angepasst haben wollen. Dass es da so viele Hürden gibt, dass die Menschen rechtliche Beratung benötigen, ist wirklich unfassbar.  

Daneben machen wir aber auch viel im Film- und Fernsehbereich, unter anderem Vertragsprüfungen für Produktionsfirmen und Talentagenturen, aber auch Solo-Selbstständige. 

Richter: Und dann gibt es auch Fälle, die sich eher in anderen Rechtsgebieten wie dem Datenschutzrecht, dem Markenrecht oder dem Arbeitsrecht abspielen, aber immer wieder Themen für unsere Mandant:innen sind. Oder wir unterstützen Gründerinnen, denn auch da besteht regelmäßig Beratungsbedarf.  

Insgesamt nehmen wir wahr, dass genau diese Fokusgruppe immer wieder zu uns kommt, weil sie mit uns arbeiten und uns bei dem unterstützen will, was wir machen. Daneben geht es auch häufig um Verstöße gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. 

"Bei uns muss niemand in Anzug oder Kostüm kommen" 

Wie werden Mandant:innen auf Sie aufmerksam? 

Dunkel: Als wir die Kanzlei mit null Mandaten gestartet haben, haben wir uns tatsächlich gefragt, ob sich jemals jemand bei uns melden wird. Wir haben auch relativ schnell beschlossen, dass wir unsere Kanzlei, unsere Werte und Firmenphilosophie, aber vor allem auch uns persönlich bei Instagram zeigen wollen. So konnten wir schnell einen nahbaren Kontakt herstellen, die Menschen können etwas über unseren Alltag erfahren und direkt mit uns in Kontakt treten. Viele Menschen stoßen über Instagram auf uns, weil man so eine persönlichere Bindung aufbaut und nicht diese Berührungsängste hat. Und wir haben uns mittlerweile ein großes Netzwerk in der Film- und Fernsehbranche aufgebaut. Vieles läuft über Empfehlungen. 

Auf Ihrer Homepage beschreiben Sie die Kanzlei als "Bewusst. Bunt. Anders." Was meinen Sie damit? 

Dunkel: Wir wollen uns bewusst machen, was wir eigentlich tun, welche Verantwortung wir haben und wie wir diese einsetzen. Wen unterstützen wir, welche Mandate lehnen wir vielleicht lieber ab? Wir sind uns auch darüber im Klaren, wie, mit wem und wie viel wir arbeiten wollen und wie sich unsere Mitarbeitenden fühlen. 

"Bunt" soll sich gegen die allgemeine Vorstellung von Kanzleien richten, dass alles grau, steif, und geradlinig ist. Das sieht man schon an unseren Kanzleiräumen, die sehr farbenfroh und gemütlich sind. Das finden wir einladender als große Glasbaukästen. Wir wollen uns schon vom Look nach außen her so präsentieren, dass man merkt, dass wir anders sein wollen. An der Büroeinrichtung sieht man auch unsere Persönlichkeit. Bei uns muss niemand in Anzug oder Kostüm kommen, auch wenn Gespräche mit Mandant:innen anstehen. 

"Von Anfang an eine Vier-Tage-Woche" 

Und was machen Sie anders? 

Dunkel: "Anders" machen wir vieles. Bei uns gab es von Anfang an eine Vier-Tage-Woche und die Mitarbeitenden können selbst entscheiden, wann und von wo aus sie arbeiten. Wir versuchen, nicht nur die klassische Mandatsarbeit zu machen, sondern auch über den Tellerrand zu schauen. Wir bieten Workshops und Veranstaltungen an, was uns Freude macht, aber auch einen Mehrwert bietet, zum Beispiel zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, aber auch zur Kommunikation am Filmset oder die Ausgestaltung von Drehbuchverträgen. 

Richter: Und es ist uns sehr wichtig, dass wir uns auch politisch weiterbilden. Wir haben in der Kanzlei eine Art "Gesellschaftspolitischen Lesekreis". Alle Mitarbeitenden lesen regelmäßig Bücher, die nichts mit Jura zu tun haben, und wir sprechen dann in der Kanzlei darüber. 

Die juristische Branche ist ja doch eher konservativ. Welche Reaktionen haben Sie auf Ihre Kanzleigründung erhalten? 

Richter: Zu Beginn haben wir viel Zuspruch, an gewissen Punkten aber auch Skepsis erfahren. Als wir von unserer Idee erzählt haben, wurden wir auch gefragt, wieso man so eine Kanzlei überhaupt braucht. Die Mehrheit hat uns aber positive Rückmeldungen gegeben, auch aus der Anwaltschaft. Da verändert sich gerade auch viel. Vielerorts wird erkannt, dass es ein Problem ist, dass das Durchschnittsalter der Anwaltschaft fast 52 ist.  

Dunkel: Viele Kanzleien haben uns aber auch gefragt, wie es denn bei uns ist und was wir eigentlich anders machen. Als wir dann beispielsweise von der Vier-Tage-Woche erzählt haben und dass Homeoffice nicht erst beantragt und genehmigt werden muss, haben wir am Anfang sehr viel Gegenwind bekommen. Uns wurde vorgeworfen, dass wir faul seien und dass die junge Generation ja nicht mehr arbeiten möchte. Ein paar Monate später haben namhafte Kanzleien dann plötzlich die Vier-Tage-Woche eingeführt. Wir waren uns aber von Anfang an im Klaren darüber, was wir wollen und was nicht. Wir hatten schon früh klare Vorstellungen von der Arbeitsweise, der Kultur und der Atmosphäre, die wir in unserer Kanzlei schaffen wollten. Dann kann man sich auch nicht so schnell verunsichern lassen. 

"Wir wollen uns langfristig vergrößern" 

Welche Mandate lehnen Sie zum Beispiel ab? 

Richter: Wir wollen keine Menschen und Unternehmen vertreten, mit deren Werten wir uns nicht identifizieren können. Das merkt man teilweise auch erst beim zweiten oder dritten Kontakt, und dann sind wir konsequent. Generell arbeiten wir ausschließlich mit Menschen zusammen, die mit uns in einer offenen und gerechten Gesellschaft leben wollen. Das versuchen wir auch konsequent durchzuhalten.  

Dunkel: Es kommt auch vor, dass wir Mandate aus Kapazitätsgründen ablehnen müssen oder weil wir die Rechtsgebiete einfach nicht bearbeiten, zum Beispiel im Familien- oder Strafrecht. Wir kennen aber mittlerweile viele andere Kanzleien, zu denen wir die Mandant:innen guten Gewissens schicken können. Wir können nicht alles bearbeiten, versuchen aber natürlich, immer ein möglichst gutes Angebot zu liefern.   

Wo wollen Sie mit der Kanzlei hin? 

Richter: Natürlich wollen wir gerne wachsen und unser Angebot verbessern. Derzeit können wir mit drei Anwältinnen einfach nicht jedes für unsere Ausrichtung relevante Rechtsgebiet abdecken, deshalb wäre es schön, wenn wir uns langfristig vergrößern könnten. 

Dunkel: Ansonsten wollen wir einfach weitermachen, wie bislang und möglichst viele Menschen erreichen. Und wir wollen weiterhin über den Tellerrand hinausschauen und zu einer offenen und gerechten Gesellschaft beitragen. 

Vielen Dank für das Gespräch! 

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