Ein Anwalt im E-Sport-Recht

"Zu meinen Auf­gaben gehört es auch, auf­ge­regte Eltern zu beru­higen"

Interview von Marcel SchneiderLesedauer: 6 Minuten

Oliver Daum spielt mit seinen Kindern ab und zu eine Runde Mario Kart und berät als Anwalt unter anderem im E-Sport-Recht. Es ist ein junges Rechtsgebiet, auf dem noch Chaos herrsche, wie er sagt. Aber gerade das macht für ihn den Reiz aus.

LTO: Herr Dr. Daum, Sie arbeiten als Anwalt im Bereich E-Sport. Viele Leserinnen und Leser dürften jetzt an "Irgendwas mit Computerspielen" denken. Es geht für Ihre Mandantinnen und Mandanten aber nicht um eine gemütliche Runde Daddelei am PC oder vor der Konsole nach Feierabend. Vielmehr geht es um Geld, schließlich ist es deren Beruf, richtig?

Dr. Oliver Daum: Fast richtig. Das Geldverdienen ist natürlich der eine große Aspekt. Es ist aber nicht das einzige Abgrenzungskriterium zum Freizeit-Gaming. Beim E-Sport geht es auch um den Anspruch, das Ganze leistungsmäßig zu betreiben, das heißt, sich mit anderen Leuten messen, auch in großen Wettbewerben.  

Das ist wie im traditionellen Sport: Da gibt es auch Sportarten, die werden auf Weltklasseniveau betrieben, aber die Sportler verdienen vergleichsweise wenig. Trotzdem käme ja niemand auf die Idee, zu sagen, dass das kein Profisport sei, nur weil es da nicht allein ums Geldverdienen geht. So ist das beim E-Sport auch.

Mit welchen typischen Fragen und Problemen kommen ihre Mandantinnen und Mandanten zu Ihnen?

Ein ganz typisches Mandat ist die Prüfung oder Erstellung eines Spielervertrages. Oftmals ist den Sportlern und Organisationen gar nicht bewusst, was man alles in solchen Verträgen regeln muss, um Ärger zu vermeiden. Da bemerke ich als Anwalt immer wieder, dass an der Stelle gerne gespart wird. Häufig sind zum Beispiel die Vergütungsregelungen nur unklar formuliert. Oder der Umgang mit Rechten, die die Organisation an einen Turnierveranstalter übertragen will, ist gar nicht geregelt, obwohl man da eine Art Brückenlizenz bräuchte.

Ganz typisch auch: Mich rufen aufgeregte Eltern an und fragen, was sie tun sollen, weil ihr minderjähriges Kind einen E-Sport-Vertrag angeboten bekommen hat. Wir führen dann ein Beratungsgespräch, in dem ich erst einmal darüber aufkläre, dass E-Sport nichts Schädliches ist, sich die Killerspiel-Debatte gelegt hat und so ein Vertragsangebot kein Grund zur Sorge ist. Im Gegenteil: Eltern dürfen in so einer Situation sogar stolz sein, denn man muss wirklich gut sein, wenn eine Organisation ein Talent erkannt und daraufhin ein ernst gemeintes Vertragsangebot unterbreitet hat.

Da müssen Sie ja ganz schön viele Rechtsgebiete beherrschen und ein Allrounder sein.

Ja, ein Stück weit schon. Spontan fallen mir Bereiche aus dem Vertragsrecht, Arbeitsrecht, Urheberrecht, Jugendschutzrecht, allgemeinen Zivilrecht, besonderen Schuldrecht und Datenschutzrecht ein, in denen ich mich für meine Arbeit auskennen muss. Mit der Zeit sind mir die E-Sport-spezifischen Probleme natürlich so bekannt geworden, dass ich da sattelfest unterwegs bin.

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"Mangelnde Professionalität ist in der E-Sport-Szene leider ein fader Beigeschmack"

Das klingt nach einem sehr breiten und damit spannenden Betätigungsfeld für Sie als Anwalt. Es erweckt aber auch den Anschein, als ob im Bereich E-Sport rechtlich noch ein gewisses Maß an Chaos herrscht.

Ja, das ist richtig. E-Sport ist eben eine klassische Querschnittsmaterie, mangelnde Professionalität ist da leider ein fader Beigeschmack.  

Die Akteure in der Branche sind noch relativ jung, teils sind sie nicht einmal der Pubertät entwachsen. In so einem Alter ist man für das Versprechen vom vermeintlich schnellen und großen Geld anfälliger. Da stellen Organisationen zum Beispiel Sponsorenleistungen und monatliche Vergütungen in Aussicht, die am Ende doch nicht bezahlt werden. Oder wenn es zum Streitfall kommt, stellt sich plötzlich heraus, dass überhaupt nichts schriftlich festgehalten wurde. Da ist die Enttäuschung natürlich groß. Diese Unprofessionalität ist im Vergleich zum traditionellen Sport derzeit nach meiner Wahrnehmung leider ein größeres Problem.

Diese mangelnde Professionalität dürfte aber wohl nicht nur die E-Sportlerinnen und E-Sportler, sondern auch andere Erwerbstätige in der Branche betreffen.

Genau. Viele E-Sport-Organisationen können zum Beispiel nicht allein von Preisgeldern, die ihre Spieler gewinnen, und vom Sponsoring leben. Als zweite Einnahmequelle sind sie nicht selten auch in der Vermittlung im Bereich Content Creation tätig. Auch hier werde ich als E-Sport-Anwalt dann gefragt, welche Ansprüche bestehen, wenn zum Beispiel ein Content-Ersteller die vereinbarte Leistung nicht erbracht hat oder für die Leistungen nicht das vereinbarte Honorar fließt.  

In vielen Konstellationen kann man Content Creation und E-Sport auch gar nicht voneinander trennen. Ein erfolgreicher E-Sportler hat meistens unabhängig von seiner Organisation, bei der er einen Vertrag unterschrieben hat, eine eigene Marke, die Geld wert ist. Er gewinnt nicht nur Turniere, sondern hat zum Beispiel auf Streaming-Plattformen wie Twitch mehrere Tausend Zuschauer, wovon – ob er das nun will oder nicht – auch seine Organisation als Arbeitgeber profitiert. Dieses Verschwimmen von E-Sport und Content Creation birgt ebenfalls Konfliktpotenzial, das am Ende gegebenenfalls als Mandat auf meinem Tisch landet.

"Es gibt noch keine juristische Defintion von 'E-Sport', auf die man sich hätte verständigen können"

Juristinnen und Juristen lieben Definitionen. Wie lautet denn die für den Begriff des "E-Sport"?

Weil der Begriff des E-Sport in Deutschland noch sehr jung ist, gibt es noch keine juristische Definition; oder besser gesagt: Jedenfalls keine, auf die sich eine Mehrheit bisher hätte verständigen können. Das Problem mit der Definition ist, dass ganz zu Beginn der E-Sport-Bund Deutschland mal einen Vorschlag gemacht hat, der aber Widersprüche enthält. Dann gab es in der Verordnungsbegründung zur Beschäftigungsverordnung eine andere Definition, aber so richtig weiter kommt man damit auch nicht. Da das Rechtsgebiet des E-Sport eine Nische ist, entwickelt sich in der Hinsicht auch nur sehr langsam etwas.

Was aber offenbar nicht schlimm ist, denn für Ihre Arbeit scheinen Sie nicht auf eine Definition des Begriffs angewiesen zu sein.

Richtig. Für meine Tätigkeit muss ich fit sein in den Rechtsgebieten, über die wir bereits gesprochen haben. Die Definition von "E-Sport" ist da noch nicht entscheidend.

Sie sind zertifizierter Datenschutzbeauftragter und Fachanwalt für IT-Recht. Ihre eigene Kanzlei, die Sie gegründet haben, ist auf IT- und Datenschutzrecht spezialisiert. Wie groß ist denn der Anteil, den E-Sport-Recht an Ihrer täglichen Arbeit hat?

Während der Corona-Zeit war die Branche quasi tot, denn der E-Sport lebt natürlich von den großen Live-Wettbewerben und LAN-Events, bei denen die Besten der Besten und die Fans zusammenkommen. Seitdem spüre ich aber einen deutlichen Aufwind, sodass ich mittlerweile fortlaufend Mandate aus dem E-Sport bearbeiten darf.

"Ich habe selbst Klassiker wie 'Starcraft' und 'Command & Conquer' gespielt"

Wann und wie kam Ihnen die Idee, als Anwalt im E-Sport-Recht zu beraten?

Das ergab sich eher zufällig. 2018, als ich noch Referendar war, spielte ein Freund meines Bruders auf vergleichsweise professionellem Niveau "Counter-Strike: Global Offensive". Er hatte in diesem Zusammenhang juristische Fragen und mein Bruder empfahl mich diesem Freund. Ich habe also zu den juristischen Fragen recherchiert und festgestellt: Im Bereich E-Sport-Recht findet man praktisch gar nichts in Literatur und Rechtsprechung!  

Das hat mich neugierig gemacht und so habe ich meinen Einstieg in die Materie gefunden. Nach Gründung meiner eigenen Kanzlei habe ich dann das E-Sport-Recht mit in meinen Tätigkeitsbereich aufgenommen. Es ist ein junges, sehr dynamisches Rechtsgebiet, auf dem man immer up to date bleiben muss. Das reizt mich fachlich ungemein. Spaß spielt bei der Sache aber natürlich auch eine Rolle: In meiner Jugend habe ich Klassiker wie "Starcraft ", "Command & Conquer: Alarmstufe Rot" und "FIFA 98" gespielt – mein Gamer-Dasein ist also nie ganz verloren gegangen.

Dann verraten Sie uns doch mal, für welche Games-Titel als selbstständiger Anwalt heute noch Zeit bleibt.

Leider gar nicht mehr für so viele Spiele. Aber ich lasse es mir natürlich nicht nehmen, mit meinen Kindern regelmäßig Mario Kart zu zocken. Da bin ich – jedenfalls noch – der Beste in unserer Familie.

Vielen Dank für das Gespräch.

Der Gesprächspartner Dr. Oliver Daum ist Anwalt und Fachanwalt für IT-Recht in Kiel. Er ist spezialisiert auf die Bereiche Datenschutz, IT-Recht und E-Sport.

Das Interview führte Marcel Schneider.

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