Die juristische Presseschau vom 9. Dezember 2015: Zschäpes Aus­sage erwartet / euro­päi­sche Vor­rats­da­ten­spei­che­rung? / EuGH zu Stö­rer­haf­tung

09.12.2015

Im NSU-Verfahren vor dem OLG München wird die Aussage Zschäpes erwartet. Außerdem in der Presseschau: EU-Ministerrat plant europäische Vorratsdatenspeicherung, EuGH verhandelt zu Störerhaftung und Strafe für "Nazi-Propaganda-Tourismus".

Thema des Tages

OLG München – Zschäpes Aussage erwartet: Am heutigen Mittwoch soll Beate Zschäpes Verteidiger Mathias Grasel ihre Aussage vor dem Oberlandesgericht München verlesen. Unklar sei bisher, ob das Gericht direkte Fragen an die Angeklagte richten werde oder, ob es – wie von der Verteidigung erbeten – schriftliche Fragen ausarbeitet, welche Zschäpe gleichermaßen beantworten könne. Die FAZ (Helene Bubrowski) legt dar, eine Verurteilung Zschäpes werde wahrscheinlicher, da sie sich mit der Aussage wohl selbst schaden werde. Wenn sie sich lediglich zu einem Teil der Vorwürfe äußert, darf das Schweigen in den restlichen Punkten grundsätzlich zu ihren Lasten ausgelegt werden. Es erscheine allerdings ausgeschlossen, dass Zschäpe widerspruchsfreie und lückenlose Angaben machen könne.

Auch spiegel.de (Gisela Friedrichsen) hinterfragt das Vorgehen Beate Zschäpes und ihrer Verteidiger um die Aussage kritisch. Unter anderem sei es "schwer vorstellbar, dass sich der Senat in seiner Verhandlungsführung derart beschneiden lässt" – der Beweiswert von Zschäpes Aussagen werde beeinträchtigt, wenn das Gericht keine direkten Fragen stellt.

Borchert als Pflichtverteidiger: Beate Zschäpe hat zudem beantragt Hermann Borchert als ihren Pflichtverteidiger zu bestellen. Anlass gebe der Konflikt zwischen den Verteidigern Sturm, Heer sowie Stahl und der Angeklagten. Nach Informationen von spiegel.de solle die am heutigen Mittwoch erwartete Erklärung Zschäpes mit einer weiteren Entpflichtungsanfrage für das Verteidiger-Trio verknüpft sein. Auch die SZ (Tanjev Schultz) verweist auf den Antrag Beate Zschäpes – fünf Pflichtverteidiger wären rechtlich zulässig. Grasel und Borchert erklärten am gestrigen Verhandlungstag erneut, ihre Mandantin sei gesundheitlich angeschlagen und baten darum den Termin am Donnerstag zu streichen – darüber sei noch nicht entschieden.

Rechtspolitik

EU-Vorratsdatenspeicherung: Der EU-Ministerrat plant erneut, eine europäische Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung voranzubringen – dies belegte ein Dokument aus seinem Kreis, laut zeit.de (Patrick Beuth/Kai Biermann). Die Neuregelung solle alle EU-Mitglieder dazu verpflichten, Telefon- und Internet-Verbindungsdaten anlasslos zu speichern. Entgegen der Meinung verschiedener Politiker, konstatiert der Beitrag, die Vorratsdatenspeicherung sei kein wirksames Mittel zur Terrorabwehr.

Urheberrechtsreform: In einem Gastbeitrag für die FAZ kritisieren die Rechtsanwälte Konstantin Wegner und Martin Diesbach den "unausgewogenen Reformentwurf" zum Urheberrecht. Dieser orientiere sich nicht an der "Marktrealität" und bedingte eine Verdrängung kleiner und mittelständischer Verlage.

Verbreitung verfassungswidriger Kennzeichen: Der Hamburger Senat will über den Bundesrat ein Gesetz auf den Weg bringen, nach dem bestraft wird, wer ins Ausland reist, um dort rechtsextreme, verfassungswidrige Inhalte zu verbreiten. Als Beispiel führte der Senat Fußballfans an, die in Polen vor Fernsehkameras den Hitlergruß zeigten, so eine Meldung der SZ. Der Bundesgerichtshof hatte 2014 entschieden, dass entsprechende Straftaten nicht geahndet werden können, solange sie nicht auf deutschem Territorium geschehen.

TTIP – Schiedsgerichtshof: Ist der Kompromissentwurf der EU-Kommission zum Investitionsschutz interessengerecht? Die Rechtsanwälte Patrick Schröder und Sascha Arnold äußern in einem FAZ-Gastbeitrag ihre Zweifel darüber. So sei unter anderem unklar, weshalb ein kostspieliger TTIP-Schiedsgerichtshof notwendig sei – da jährlich nicht viel mehr als ein Verfahren erwartet werden dürfte. Sie raten dazu, den Entwurf zu überarbeiten.

Verbraucher-Schlichtungsstelle: Wenn Verbraucher mit Dienstleistungen oder einem Kauf unzufrieden sind, sollen sie sich künftig mit ihren Beschwerden an außergerichtliche Schlichtungsstellen wenden können. Mit einem entsprechenden Gesetz hat der Bundestag eine EU-Richtlinie zur "alternativen Streitbeilegung" umgesetzt. Die FAZ (Joachim Jahn) fasst die Aufgaben der Schlichtungsstelle kurz zusammen.

Cybersicherheit: EU-Kommission, EU-Parlament und Europäischer Rat haben sich mit der NIS-Richtlinie darauf geeinigt, den Schutz der Dateninfrastruktur in den Mitgliedstaaten zu vereinheitlichen. Internetkonzerne, wie Ebay oder Google, müssen künftig sicherstellen, dass ihre digitale Infrastruktur Cyberangriffe abwehren kann. Zudem müssen Unternehmen bestimmter Branchen – wie Transport oder Gesundheit – entsprechende Sicherheitsmaßnahmen durchführen. Relevante Cyber-Angriffe müssen sie melden, sonst erwartet sie ein Bußgeld. SZ (Daniel Brössler), FAZ (Hendrik Kafsack) und Hbl (Thomas Ludwig) berichten. Das EU-Parlament muss noch abstimmen.

Bundeswehreinsatz gegen IS: In einem Gastbeitrag für die SZ erklärt Rechtsprofessor Christoph Vedder die völkerrechtlichen und verfassungsrechtlichen Befugnisse zu Beistand und Selbstverteidigung. Der Einsatz Frankreichs in Syrien sei nur deswegen völkerrechtlich legitim, weil Syriens Schweigen als Zustimmung gewertet werde. Allerdings sei der Einsatz der Bundeswehr aus verfassungsrechtlicher Sicht nur innerhalb eines kollektiven Sicherheitssystems erlaubt – fraglich sei, ob die vom UN-Sicherheitsrat beschlossene Resolution 2249 ein hierfür notwendiges UN-Mandat darstelle.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 9. Dezember 2015: Zschäpes Aussage erwartet / europäische Vorratsdatenspeicherung? / EuGH zu Störerhaftung . In: Legal Tribune Online, 09.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17796/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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