Die juristische Presseschau vom 30. bis 31. Mai 2013: Ba-Wü wollte Wohlleben-Anwältin als V-Frau – Europa nicht grenzenlos – BVerfG muss Euro ohne Draghi retten

31.05.2013

Weitere Themen – Justiz

EuGH zu schwedischer Vorratsdatenspeicherung: Am Donnerstag hat der Europäische Gerichtshof Schweden zu einem Bußgeld in Höhe von 3 Millionen Euro verurteilt, weil es sich lange geweigert hatte, die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung umzusetzen. Max Steinbeis (Verfassungsblog) beruhigt:"Schweden ist nicht Deutschland". Die dem Bußgeld zugrunde liegende Vertragsverletzung habe der EuGH bereits vor drei Jahren festgestellt. Das Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland werde wohl erst Ende dieses Jahres entschieden. Vielleicht überlege sich der EuGH bis dahin ja noch, dass "die Umsetzungspflicht aus politischen und vor allem aus rechtlichen Gründen doch nicht mehr so eng zu sehen ist". Dazu auch spiegel.de.

BVerfG zu Studiengebühren: Max Steinbeis (Verfassungsblog) hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Studiengebühren unbefriedigt zurückgelassen: Dass Studiengebühren bedeuten, die – ohnehin bereits "verfrühstückte"- Ressource "der zukünftig erwarteten Einkünfte der Studierenden" anzuzapfen, sei nicht richtig problematisiert worden. Von den Betroffenen werde erwartet, sich zu verschulden, um eine öffentliche Aufgabe zu finanzieren. Jedoch "verfassungsrechtlich operabel" sei das Thema bislang kaum.

BVerfG – Euro-Rettung ohne Draghi/mit Asmussen und Weidmann: Wie das Handelsblatt (J. Hildebrand/ M. Inacker/ Th. Sigmund) weiß, wird der Präsident der Europäischen Zentralbank Mario Draghi nicht selbst bei der Verhandlung über die Euro-Rettung vor dem Bundesverfassungsgericht anwesend sein. Er wird durch EZB-Direktor Jörg Asmussen vertreten. Laut Handelsblatt hat sich Rainer Brüderle (FDP) in einem Brief an Draghi beschwert. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann werde indes persönlich teilnehmen.

Über das Aufeinandertreffen der beiden Studienfreunde Asmussen und Weidmann vor dem BVerfG referiert Stefan Ruhkamp im Unternehmens-Teil der FAZ.

EuGH – VW-Gesetz: Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes Nils Wahl hat empfohlen, die Klage der EU-Kommission gegen Deutschland wegen der unvollständigen Umsetzung des EuGH-Urteils zum VW-Gesetz aus dem Jahr 2007 abzuweisen. Die Kommission hatte bemängelt, dass die Sperrminorität für das Land Niedersachsen noch immer im Gesetz enthalten sei. Diese war, so spiegel.de, 2007 zusammen mit dem Höchststimmrecht und der Möglichkeit von Bund und dem Land Niedersachsen, je zwei Vertreter im Aufsichtsrat von Volkswagen zu stellen, als Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit gerügt worden. Die Donnerstags-taz erläutert, Wahl, dessen Votum nicht bindend sei, schlage alternativ vor, jedenfalls das Zwangsgeld gegen Deutschland von knapp 70 Millionen Euro auf etwa 20 Millionen zu senken.

Thomas Fischer setzt sich durch: Wie jetzt auch die Donnerstags-taz (Christian Rath) berichtet, hat das Bundeskabinett die Ernennung von Thomas Fischer zum Vorsitzenden Richter am 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes gebilligt. Der "streitbare Strafrichter" habe das Bundesjustizministerium mit "zahlreichen Klagen und viel Beharrungsvermögen" zum Einlenken bewegt. Fischer war, obwohl stellvertretender Vorsitzender im 2. Strafsenat, nach einer überraschend herabgestuften Bewertung durch den Gerichtspräsidenten Klaus Tolksdorf zunächst nicht vorgeschlagen worden.

Die FR (Ursula Knapp) fasst noch einmal die Hintergründe des "beispiellosen Streits" zusammen, der nun mit einem von Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger eingefädelten "gewagten Deal" ende: Fischers Mitbewerber um den Vorsitz im 2. Strafsenat Rolf Raum solle nun den Vorsitz im 1. Senat erhalten, der seit Anfang April frei ist. Dafür solle Raum, so die FR, kurzfristig in seiner dienstlichen Bewertung hochgestuft worden sein - denn eigentlich habe es einen "mit Bestnote beurteilten" anderen Bewerber gegeben. "Laut Gesetz" hätte Raum den Vorsitz mit der schlechteren Bewertung nicht bekommen können. Ob Tolksdorf "von der Politik zu einer Anhebung gedrängt wurde oder seine Überzeugung geändert hat", stehe dahin. Auch die FAZ (Joachim Jahn) informiert ausführlich. Fischer, der vor seinem Jurastudium Kraftfahrer und Musiker gewesen sei, sei "nicht von allen Kollegen die ausgleichende Fähigkeit zugeschrieben worden", die ein Senatsvorsitzender benötige. Den Vorsitz des Vierten Strafsenates übernehme nun Richterin Beate Sost-Scheible. Das noch laufende Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim sei einvernehmlich von Fischer und der Justizministerin für erledigt erklärt worden.

Reinhard Müller (FAZ) kommentiert: Es ist vollbracht, die Justizministerin hat entschieden. Schon früher hätten aber Richter, die den "fachlich brillanten" Fischer als wissenschaftlichen Mitarbeiter am Gericht kennen lernten, eine Wahl als Bundesrichter nicht "empfohlen".

LG Berlin – Platzt Prozess um Jonny K.?:  Wegen der verbalen Entgleisung eines Schöffen im Prozess um den am Berliner Alexanderplatz zu Tode geprügelten Jonny K. könnte, wie focus.de  berichtet, das Verfahren vor dem Landgericht Berlin platzen. Mit den Worten "Sind Sie zu feige oder wollen Sie uns verarschen?" habe der "Laienrichter" die Aussage eines Augenzeugen kommentiert, nachdem dieser sich bei fast allen Fragen auf Erinnerungslücken berief.  Die Verteidigung habe beantragt, den Schöffen als befangen auszuschließen. Da keine Ersatzschöffen bestellt seien, müsste der Prozess "neu aufgerollt" werden, so focus.de.

EU-Kommission zu BER: spiegel.de berichtet über das von der EU-Kommission gegen Deutschland eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren wegen des neuen Hauptstadtflughafens BER. Die Kommission kritisiere, dass die letztendlich festgelegten Flugrouten keiner Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen worden waren. Separat informiert spiegel.de (Michael Kröger) ausführlich über die Hintergründe. Zwei Monate haben Deutschland nun Zeit, zu reagieren. Dann könnten eine formale Rüge und schließlich eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof folgen.

AG Dresden – Jugendpfarrer König: Über den Prozess wegen schweren Landfriedensbruchs gegen den Jenaer Jugendpfarrer Lothar König berichtet spiegel.de (Julia Jüttner) ausführlich. Zwei im Prozess gezeigte Videos stützen nicht die den Pfarrer belastenden Aussagen von Polizisten. Vorgeworfen werde ihm, auf einer Anti-Nazi-Demonstration im Februar 2011 u.a. zu Gewalt gegen Polizisten aufgerufen zu haben. Die Donnerstags-Ausgabe der taz (Sebastian Erb) berichtet ebenfalls.

Zweimal Grüne gegen Dobrindt: Die Grünen haben im Streit mit Alexander Dobrindt (CSU-Generalsekretär) zur Auseinandersetzung um pädophile Tendenzen bei den Grünen in den 80-er Jahren eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin erwirkt. Darin, so focus.de, werde Dobrindt untersagt, zu behaupten, Volker Beck, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, sei  "Vorsitzender der Pädophilen AG bei den Grünen" gewesen. Weiter gingen die Grünen "per Unterlassungs- und Richtigstellungsbegehren" gegen Äußerungen des CSU-Mannes über ihre Steuerpolitik vor. Dieser behaupte fälschlich, die Grünen wollten das Ehegattensplitting gänzlich abschaffen.

"Justizalarm" im Fall Mollath: Im Fall des seit Jahren in der Psychiatrie einsitzenden Gustl Mollath haben die Verteidigung sowie die Staatsanwaltschaft im Februar bzw. März einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens beim Landgericht Regensburg gestellt - und jeweils "dargelegt, warum Mollaths Verurteilung nicht haltbar ist". Das Gericht hat sich aber, so kommentiert Heribert Prantl (SZ), nicht so leicht alarmieren lassen und das sei nur schwer erträglich: "Recht, Gesetz und Verfassungsgericht" verbieten jede Saumseligkeit, wenn es um Freiheitsentziehung geht". Das Gericht habe bislang nur mit einer Ablehnung der Unterbrechung der Strafvollstreckung reagiert.

Sachsens regierungsnahe Justiz?: Unter dem Titel "Justizverständnis auf Sächsisch" befasste sich die Donnerstags-taz (Michael Bartsch) mit möglichen Ursachen des Negativimage der Landesjustiz. Dass der "Hauptfeind links stehe und Eliten verschont werden" - wie in den 1990er Jahren der Baulöwe Heinz Barth - treffe nicht für alle sächsischen Richter und Staatsanwälte zu. Eine "typische sächsische Justiz" gebe es nicht, so laut taz der Dresdner Oberstaatsanwalt Jürgen Schär, der einzige ostdeutsche leitende Oberstaatsanwalt in Sachsen. 

Fall Veysel K./richtige Strafverteidiger: Vor dem Hintergrund des Falles Veysel K. spricht lto.de (Christopher Hauss) mit dessen Verteidiger und Fachanwalt für Strafrecht Jens Mader über die Rolle von Staatsanwaltschaften und Medien in laufenden Ermittlungsverfahren, Richter, die um jeden Preis verurteilen wollen und die kaputtgesparte Rechtsmedizin in Deutschland. K. wurde im April dieses Jahres vom Landgericht Cottbus freigesprochen, nachdem er 2010 verurteilt wurde, weil er seine Geliebte beim Geschlechtsverkehr umgebracht habe. Mader hält es bei solch schweren Tatvorwürfen für notwendig, durch einen Fachanwalt für Strafrecht vertreten zu werden, ein solcher habe K. in der "entscheidenden Frühphase" gefehlt. Weiter beklagt Mader die Rechtsreferendarausbildung als "Erziehung nach dem Obrigkeitsstaat".

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 30. bis 31. Mai 2013: Ba-Wü wollte Wohlleben-Anwältin als V-Frau – Europa nicht grenzenlos – BVerfG muss Euro ohne Draghi retten . In: Legal Tribune Online, 31.05.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8833/ (abgerufen am: 09.05.2024 )

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