Die juristische Presseschau vom 29. November 2016: His­to­ri­sches NS-Urteil / Kopf­tuch für Erzie­herin / Anzeige gegen Assad

29.11.2016

Justiz

BVerfG zu Kopftuch: Darf eine Muslimin als Ausdruck ihrer religiösen Selbstbestimmung Kopftuch bei ihrer Arbeit in der Kindertagesstätte tragen? Ja, meint das Bundesverfassungsgericht in einer nun veröffentlichten Entscheidung. Es gebe keinen verfassungsrechtlichen Anspruch darauf, "von der Wahrnehmung anderer religiöser oder weltanschaulicher Bekenntnisse verschont zu bleiben", so die Karlsruher Richter. spiegel.de fasst den Fall zusammen.

Anzeige gegen Assad: Eine Gruppe deutscher Anwälte hat beim Generalbundesanwalt Anzeige gegen den syrischen Präsidenten Assad erstattet. Er habe sich nach dem deutschen Völkerstrafgesetzbuch wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Aleppo strafbar gemacht. Aleppo sei ein Völkermord in Zeitlupe, konstatiert einer der Anwälte. Die taz (Beate Seel) fasst die Argumentation der Juristen zusammen. zeit.de (Kristin Helberg) erläutert ausführlich, warum die Suche nach einem zuständigen Gericht schwerfällt und zeichnet die Verbrechen in Syrien nach.

Kristin Helberg (taz) findet die Straffreiheit Assads unerträglich: Es gebe genug Beweise; es fehle nur ein zuständiges Gericht. Sie betont, Deutschland sei der perfekte Ort für eine Anklage, weil viele syrische Flüchtlinge und somit genügend Zeugen für die Gräueltaten hier seien.

BRH über richterliche Nebentätigkeit: Bundesrichter führen zu viele Nebentätigkeiten aus, moniert der Bundesrechnungshof. Dies folge aus einer Prüfung, die sich insbesondere auf den Bundesgerichtshof bezog, wie die NJW (Joachim Jahn) schreibt. Um die Leistungsfähigkeit der Senate nicht zu gefährden, regt der BRH an, die Genehmigungen zu reduzieren. Der BGH gibt an, das Prüfungsergebnis und etwaigen Umsetzungsbedarf sorgfältig auswerten zu wollen. 

Europäisches Patentgericht: Die britische Regierung will das Abkommen für ein einheitliches Patentgericht ratifizieren. Wie die FAZ (mj.) erläutert, stand mit der britischen Entscheidung das Vorhaben auf der Kippe, nachdem ein Teil des Gerichts auch in London sitzen soll. Das EPG soll zuständig sein für Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem ebenfalls neuen Europäischen Patent. Es könnte seine Arbeit nun ab 2017 beginnen.

BVerfG – Vorratsdatenspeicherung: Ein Bündnis von Bürgerrechtlern, Datenschützern und Politikern hat Verfassungsbeschwerde gegen das neue Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung eingelegt, meldet die taz. Sie waren bereits gegen das vorherige Gesetz vorgegangen, das Karlsruhe 2010 als weitgehend verfassungswidrig einstufte.

LG Hamburg zu Adblocker: Das Landgericht Hamburg hat die Klage von SpiegelOnline gegen den AdBlock Plus-Betreiber Eyeo abgewiesen. Das Online-Magazin hatte beanstandet, das Unternehmen verletze Wettbewerbs- und Kartellrecht, indem es Werbeanzeigen verhindere, allerdings gegen Zahlung und nach bestimmten Kriterien Seitenbetreiber auf eine "weiße Liste" setze und so doch ihre Werbung anzeigen lasse. Die Urteilsbegründung steht noch aus, meldet lto.de.

AG Bautzen zu Brand in Flüchtlingsunterkunft: Das Amtsgericht Bautzen hat zwei Heranwachsende zu Jugendstrafen von zwei Jahren und sechs Monaten sowie drei Jahren ohne Bewährung wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt. Sie waren bei dem Brand einer Bautzener Flüchtlingsunterkunft mehreren Platzverweisen nicht gefolgt und behinderten damit die Löscharbeiten. Die beiden 21-Jährigen sind vorbestraft. Gegen den dritten Angeklagten erließ das Gericht einen Haftbefehl; er erschien nicht zur Verhandlung, meldet zeit.de.

LG Bochum – Werner Mauss: Werner Mauss hat im Steuerstrafverfahren vor dem Landgericht Bochum erstmals den Namen der Person genannt, die einen Geheimfonds zur Zahlung von Mauss errichtet haben soll – der Ex-Vizepräsident des Bundeskriminalamts Gerhard Boeden. Dieser habe dem ehemaligen V-Mann strikt untersagt, das Finanzamt von dem Geld in Kenntnis zu setzen. Das Gericht hege erhebliche Zweifel an Mauss' Darstellung, schreibt die SZ (Ralf Wiegand). Boeden ist 2010 verstorben.

LG Traunstein – Bad Aibling: Nachdem der Fahrdienstleiter des in Bad Aibling verunglückten Zugs bereits gestanden hatte, ein Spiel auf seinem Handy gespielt zu haben, hat nun ein Mitarbeiter des Games-Unternehmens ausgesagt, der Angeklagte habe auch mehrfach mit seinen Mitspielern gechattet. Ein Gutachten dazu, wie sehr ihn das Spiel abgelenkt hat, steht noch aus, berichtet die FAZ (Karin Truscheit).

Elektronisches Anwaltspostfach: Das besondere elektronische Anwaltspostfach ist in Betrieb gegangen. Darauf weist blog.beck.de (Thomas Lapp) hin.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 29. November 2016: Historisches NS-Urteil / Kopftuch für Erzieherin / Anzeige gegen Assad . In: Legal Tribune Online, 29.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21260/ (abgerufen am: 04.05.2024 )

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