Die juristische Presseschau vom 23. - 25. November 2013: NPD-Verbotsantrag kommt – "Lex Gurlitt" – BVerfG verhandelt zu Sperrklausel

25.11.2013

Es hilft nichts, das Recht auf seiner Seite zu haben. Man muss auch mit der Justiz rechnen: Das BVerfG bekommt den lang angekündigten NPD-Verbotsantrag der Bundesländer. Außerdem in der Presseschau: "Lex Gurlitt", Hauptausschuss für Bundestag, Hate-Crime-Gesetze, Sperrklausel vor BVerfG, Harald Range-Interview und Bahnzwang statt Fahrverbot.

NPD-Verbotsantrag: Den von Vertretern der Bundesländer erarbeiteten knapp 250 Seiten umfassenden NPD-Verbotsantrag stellt der Spiegel (H. Gude/J. Schindler/F. Schmid, Zusammenfassung) vor. Im ersten Teil des Antrags gehe es um die Rolle der V-Personen, weiter um den Nachweis der "aggressiv-kämpferischen Grundhaltung" der Partei und drittens die Feststellung der Verhältnismäßigkeit eines NPD-Verbotes, das auch den Grundsätzen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte genüge. Die Verfahrensbevollmächtigten der Länder Christoph Möllers und Christian Waldhoff, Juristen von der Berliner Humboldt-Universität, betonten mit Blick auf die V-Leute, dass ein Einfluss der Behörden auf die Parteiführung mittlerweile auszuschließen sei. Die Samstags-FR (Steffen Hebestreit) und zeit.de (Tilman Steffen) berichten ebenfalls ausführlich.

Wie die Samstags-FAZ (jbe.) aus NPD-Kreisen weiß, wolle man eine systematische Verzögerung, etwa mittels Beantragung von Schriftsatzverlängerungen, des Verfahrens herbeiführen, bis die Partei wieder in den Genuss staatlicher Parteienfinanzierung komme und einen adäquaten Rechtsbeistand finanzieren könne. Bislang sei die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht von Rechtsanwalt Peter Richter aus Saarbrücken vertreten worden.

Rechtspolitik

"Lex Gurlitt": Mit einiger sachlicher Strenge spricht der Spiegel (Dietmar Hipp/Conny Neumann, Zusammenfassung) mit dem bayerischen Justizminister und Rechtsprofessor Winfried Bausback (CSU) über den Fall Gurlitt, Schuldzuweisungen, die Bilder-Beschlagnahme und die Verzögerung der Ermittlungen und Information der politischen Führung im Justizministerium unter seiner Vorgängerin Beate Merk (CSU). Bausback verteidigt die Entscheidung, Gurlitt zunächst nur die Werke zurückzugeben, die "zweifelsfrei" sein Eigentum seien. Weiter erklärt Bausback, er habe einen Gesetzesvorschlag ausarbeiten lassen, wonach bösglaubige Besitzer von NS-Raubkunst sich gegenüber Herausgabeansprüchen von Eigentümern nicht wie bislang auf eine zivilrechtliche 30-jährige Verjährungsfrist berufen können. Die Regelung solle auch rückwirkend gelten.

Im Feuilleton der Montags-FAZ (Jürgen Kaube) findet sich unter dem Titel "Aus diesem Dilemma führen nur heikle Auswege" ein ausführlicher Beitrag zu einer Kunstrechtler-Tagung. Dabei sei unter anderem kontrovers die rechtliche Grundlage für die Bilder-Beschlagnahme diskutiert worden.

Udo Vetter (lawblog.de) sieht bei der "Lex Gurlitt" einige Hürden: Das Rechtsstaatsprinzip, der damit einhergende legitime Wunsch nach Rechtssicherheit und Spezialgesetze als eigenes Unrecht. Da eine "derart krass zurückwirkende Regelung" für alle und auch nicht nur für Beutekunst gelten müsste, stünden gegebenenfalls "spannende Jahre bevor, in denen die deutsche Justiz ächzen und so mancher um sein ererbtes Hab und Gut zittern dürfte". Das sei dann auch der Grund, "warum es so ein Gesetz niemals geben wird."

"Hauptausschuss" für Bundestag?: Die Koalitionsbildung in Berlin lässt noch auf sich warten, so auch die Bildung verschiedenster Bundestagsausschüsse. Nun wird für den kommenden Donnerstag ein Antrag auf Einsetzung eines Sonderausschusses, genannt "Hauptausschuss", erwartet. Die Rechtswissenschaftler Charlotte Heppner und Thomas Wierny (Juwiss.de) befassen sich mit den verfassungsrechtlichen Hintergründen und der Bedeutung von Ausschüssen für die Abgeordnetentätigkeit.

Zum Hinweis der Linken und anderer Kritiker, der Hauptausschuss sei im Grundgesetz nicht erwähnt und damit wohlmöglich verfassungswidrig, meint Christian Rath (taz.de): "Wie deutsch ist das denn? Soll alles verboten sein, was im Grundgesetz nicht explizit erwähnt ist?"

Managergehälter: Laut Montags-FAZ (Andreas Mihm/Jürgen Dunsch) haben sich Union und SPD darauf geeinigt, Managergehälter börsennotierter Unternehmen zu begrenzen. Der jeweilige Aufsichtsrat solle ein "Maximalverhältnis" zwischen Vorstandsvergütungen und dem Durchschnittsgehalt eines Unternehmensangestellten festlegen.

Vorratsdatenspeicherung: Keine Einigung zwischen Union und SPD gebe es bislang bei der Vorratsdatenspeicherung. Laut Montags-Welt (Manuel Bewarder) wolle die SPD eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Frühjahr 2014 abwarten und bei der Speicherfrist deutlich unter sechs Monaten bleiben. Die Union wolle dagegen eine schnelle und umfassendere Umsetzung.

Legalisierung der Eizellenspende?: Wie die Montags-taz (Heike Haarhof) informiert, wolle die ehemalige Justizministerin Brigitte Zypris (SPD) das Embryonenschutzgesetz auf den Prüfstand stellen lassen und eine Eizellenspende auch in Deutschland ermöglichen.

Grundgesetz und Bildungspolitik: Im Gespräch mit der Montags-taz (Anna Lehmann) spricht sich der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz Horst Hippler für eine Grundgesetzänderung aus, um dem Bund Schul- und Hochschulpolitik zu ermöglichen. Eine monetäre Einmischung des Bundes nur in Fällen überregionaler Bedeutung zuzulassen, wie es die Union vorgeschlagen habe, lehne er ab.

Bilanz zum Prostitutionsgesetz: Eine negative Bilanz zum Prostitutionsgesetz zieht Mehmet Ata (FAS). So seien heute zum Beispiel lediglich 44 Prostituierte als sozialversicherungspflichtig beschäftigte gemeldet. Es gebe noch immer keine Erlaubnispflicht für Bordelle und es fehlten überall Kontrollen. Aus den Koalitionsplänen berichtet Ata, man wolle ein Mindestalter von 21 Jahren für Prostituierte einführen und Flatrate-Angebote in Bordellen verbieten, auch stehe die Kriminalisierung von Freiern von Zwangsprostituierten im Raum.

Hate-Crime-Gesetz?: "Kommen Täter mit rechter Gesinnung vor Gericht zu leicht davon?", fragt sich der Spiegel (Maximilian Popp) mit Blick auf Forderungen zum Beispiel von EU-Ministerrat und Europarat, rassistische oder andere vorurteilgetriebene Motive bei der Strafverfolgung als straferschwerend zu berücksichtigen. Die Landes-Justizminister hätten nun einen Vorschlag erarbeitet, um § 46 des Strafgesetzbuches um "menschenverachtende Beweggründe" zu erweitern.

Betäubungsmittelrecht: In einem breit angelegten Beitrag zum Cannabis-Konsum in Deutschland weist die Welt am Sonntag (Per Hinrichs) auch auf eine Petition liberaler Strafrechtsprofessoren hin, mit welcher der Bundestag aufgefordert werden soll, die Betäubungsmittelgesetze zu analysieren. Statt einer Kriminalisierung der Konsumenten solle lieber auf Prävention und Aufklärung gesetzt werden.

Massengentests: Auch Thomas Stadler (internet-law.de) sieht die Pläne zur "DNA-Rasterfahndung" kritisch: Das laufe auf eine "rechtsstaatswidrige Ermittlung um jeden Preis hinaus".

Bericht über Abhörtätigkeiten: Den Bericht des Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar nennt Rechtsanwalt Niko Härting auf lto.de eine "sachliche Abrechnung mit zahlreichen Missständen". Schaar beklage unter anderem "kontrollfreie Räume" bei der geheimdienstlichen Tätigkeit, für die es noch immer an einem europäischen Rechtsrahmen fehle.

Kritik am Fahrverbot: Wie spiegel.de meldet, kritisiert der Deutsche Richterbund das von der entstehenden Koalition als eigenständige strafrechtliche Sanktionsmöglichkeit geplante Fahrverbot. Dem stehe einerseits der grundgesetzliche Gleichbehandlungsgrundsatz entgegen - nur wer einen Führerschein habe, könne der Haft oder Geldstrafe entgehen. Auch sehe man die Gefahr einer "Strafbarkeitsspirale": Ein Versuch, sich der Strafe zu entziehen bliebe nicht straffrei.

Auf lto.de hat Strafrechtsprofessor Michael Kubiciel ebenfalls verfassungsrechtliche Bedenken ob der Gleichheit, aber auch ob der Verhältnismäßigkeit bei der Abkehr vom Verkehrsbezug bei Fahrverboten. Ein zeitgemäßes Strafsystem sei aber überfällig, etwa mit gemeinnütziger Arbeit oder Internetverboten. Jost Müller-Neuhof (Sonntags-Tagesspiegel) sieht in der Idee auch ein Gerechtigkeitsproblem. Auch spiegele es die alte Fehlannahme wieder, "junge Menschen beeindrucke, was ältere denken, dass es sie beeindruckt".

"Mini-NSA" für Deutschland?: Wie der Focus knapp meldet, habe der Chef des Bundeskriminalamtes Jörg Ziercke gegenüber Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) in einem "streng vertraulichen Gespräch" gemahnt, das Bundeskriminalamt könne nur einen Anteil von circa 30 Prozent der "kritischen Kommunikation" von Staatsfeinden überwachen und auswerten. Im Innenministerium wolle man nun mit der Bündelung von Abhörmöglichkeiten mehrerer Ämter reagieren, die Rede sei von einer "Mini-NSA".

Di Fabio zu großer Koalition: In einem Gastkommentar für den Focus meint der Rechtsprofessor und ehemalige Bundesverfassungsrichter Udo di Fabio: "Hände weg von Neuwahlen" und mahnt, "Schwarze und Rote sollten nicht zu hoch pokern". Eine große Koalition sei das kleinere Übel verglichen mit "Ungewissen politischen Experimenten".

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 23. - 25. November 2013: NPD-Verbotsantrag kommt – "Lex Gurlitt" – BVerfG verhandelt zu Sperrklausel . In: Legal Tribune Online, 25.11.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10148/ (abgerufen am: 07.05.2024 )

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