Die juristische Presseschau vom 23. bis 25. März 2013: Groß­kanzlei arbeitet für Justiz – Anwalts­honorare steigen – Wulffs "straf­recht­liche Ver­ant­wor­tung"

25.03.2013

Weitere Themen – Justiz

Verfahrenseinstellung für Wulff?: Der Focus (Christoph Elflein/Ansgar Siemens) berichtet über das Angebot der Staatsanwaltschaft Hannover an Christian Wulff, das Verfahren wegen Bestechlichkeit – vormals noch Vorteilsannahme – gegen Zahlung von 20.000 Euro einzustellen. Ein vergleichbares Angebot erging auch an den Filmproduzenten David Groenewold. Andernfalls werde Anklage erhoben. Eine Zusage würde als "Übernahme strafrechtlicher Verantwortlichkeit" gewertet. Wie die Montags-FAZ (Robert von Lucius) dazu meldet, habe die Staatsanwaltschaft nachträglich erklärt, sie erwarte "ausdrücklich kein Schuldeingeständnis", die Zahlung genüge, das "öffentliche Interesse" an der Strafverfolgung zu beseitigen.

Ausführlich befasst sich die Montags-SZ (Hans Leyendecker) (ähnlich suedeutsche.de) mit der "Tücke juristischer Worte". Eine Klarstellung der Bedeutung des § 153a der Strafprozessordnung, eingeführt Mitte der Siebziger Jahre, habe das Bundesverfassungsgericht Anfang des Jahres 1991 geliefert. Danach könne "nicht einmal davon ausgegangen werden", dass der Beschuldigte die ihm vorgeworfenen Straftaten "mit hinreichender Wahrscheinlichkeit verübt hat", so das BVerfG laut SZ.

Jost Müller-Neuhof (Sonntags-Tagesspiegel) kommentiert das Angebot an Wulff:"Zahlen, bitte". Die "Übernahme der strafrechtlichen Verantwortung" habe aber nichts mit Schuld oder einer Geständnis zu tun.

Heribert Prantl (Montags-SZ) fragt, was übrig geblieben sei von den "ungeheuer umfangreichen" Ermittlungen gegen Wulff: Ein "Fastnichts". Eine strafrechtliche Relevanz der "Peinlichkeiten" habe sich nicht ergeben. Zum Schluss betont Prantl, dass die Einstellung nach der oft "Freikauf-Paragraph" genannten Vorschrift keine Schuldfeststellung beinhalte und prominent schon Josef Ackermann und Helmut Kohl zugute gekommen sei.

BVerfG – Klageeinreichung Länderfinanzausgleich: Am Montag reichen, so informiert bild.de (Franz Solms-Laubach), Hessen und Bayern ihren Antrag auf eine abstrakte Normenkontrolle des Länderfinanzausgleichs ein.

BVerfG zu Deals: Werner Leitner, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht im Deutschen Anwaltverein, meint gegenüber dem Spiegel, nach dem Urteil werde es keine Deals mehr über die Schuldfrage und die "Gesamtlösung", also eine Entscheidung auch über weitere Ermittlungsverfahren, geben. Wenn Richter einen Deal verschwiegen, könne dies eine "Falschbehauptung im Amt" oder gar Rechtsbeugung sein.

Einem Angeklagten dürfen grundlegende Rechte nicht vorenthalten werden – hier zeigt sich, so kommentiert Reinhard Müller (FAS), das wahre Gesicht des Rechtsstaates. Ob die "Karlsruher Mahnungen" gehört würde, fragt sich Müller weiter: Die schon vorher klar rechtswidrigen Absprachen hätte man auch Rechtsbeugung nennen können. Aber wann würden deutsche Richtern deswegen schon einmal verurteilt?

EuGH zu Gaspreisanpassung: Nach dem Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofes zu Preisanpassungsklauseln in den Gasverträgen von Energiekonzernen befasst sich Rechtsanwalt Hans-Christoph Thomale für lto.de mit den Hintergründen und möglichen finanziellen Folgen für die Kunden.

BayVGH zu automatisierter Kennzeichenerfassung: Einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom Dezember letzten Jahres zufolge ist die Rechtsgrundlage im Polizeiaufgabengesetz des Landes für die automatische Kennzeichenerfassung "noch verfassungskonform", wie Thomas Stadler (internet-law) berichtet, der eine Verfassungsbeschwerde nahe legt. Das Vorhandensein bestimmter "Lageerkenntnisse" als Erfassungsvoraussetzung eröffne "einen weiten und effektiv nicht mehr nachprüfbaren Spielraum bei der Anordnung", so Stadler.

AG Hannover zu verfrühtem Flug: Das Amtsgericht Hannover hat entschieden, dass die Vorverlegung eines Flugs um mehr als zehn Stunden als Annullierung zu betrachten ist und auf Grundlage einer EU-Verordnung ein Ausgleichsanspruch bestehe, der nur entfällt, wenn die geränderte Abflugzeit den Passagieren rechtzeitig angezeigt würde, so spiegel.de knapp.

Prozesse um Brustimplantateskandal: Vor dem Handelsgericht Toulon (Frankreich) hat der Zivilprozess im Skandal um die fehlerhaften Brustimplantate der französischen Firma PIP begonnen, wie die Montags-taz (Rudolf Balmer) berichtet. Sechs Abnehmerfirmen sowie mehr als 1.500 betroffene Frauen hätte gegen den TÜV Rheinland als Zertifizierungsstelle geklagt. Der wiederum wolle als Nebenkläger im Mitte April in Marseille (Frankreich) beginnenden Strafprozess gegen den PIP-Gründer auftreten.

Separat erläutert die taz (Heike Haarhoff) noch einmal die Hintergründe des Skandals und den anstehenden Strafprozess wegen "schwerer Täuschung". Weiter rate ein deutscher Medizinrechtler geschädigten Frauen aus Deutschland Ansprüche gegen PIP ebenfalls in Frankreich geltend zu machen. Dort gebe es einen staatlich finanzierten Garantiefonds für geschädigte Patientinnen.

Klagen gegen Deutsche Bank und Commerzbank: Nach einem Bericht der Samstagsausgabe der Welt (Stefanie Bolzen/Anne Kunz) verklagt die Investmentbankerin Latifa Bouabdillah die Deutsche Bank und die Commerzbank vor dem Arbeitsgericht London. Die Deutsche Bank verklage Bouabdillah wegen sexueller Diskriminierung auf 1,2 Millionen Euro: Sie sei bei Beförderungen und Boni-Zahlungen immer wieder übergangen worden. Von dieser Klage habe sie ihrem neuen Arbeitgeber bei der Commerzbank nichts erzäht, weshalb ihr dieser später gekündigt habe. Auch dagegen klage sie nun.

LG Essen – MLPD gegen Verfassungsschutz: Über die Unterlassungs- und Schadenersatzklage der Marxistisch-Leninistischen-Partei-Deutschlands gegen den Schöningh Verlag wegen des Buches eines ehemaligen Mitarbeiters des Bundeamtes für Verfassungsschutz mit dem Titel "Linksextremismus – Deutschlands unterschätzte Gefahr?" berichtet der Spiegel (Hubert Grude). Die im Prozess vorgelegten Verfassungsschutzberichte hätten die Vorsitzende Richterin wenig beeindruckt, die vorgelegten Quellen seien "unzureichend".

Bierkartell: Wie der Focus (Axel Spilcker/Thomas van Zütphen) informiert, ermittelt das Bundeskartellamt gegen gut ein Dutzend deutsche Bierkonzerne mit einem Markanteil von ca. 50 Prozent wegen des Verdachts der Preisabsprachen. Es drohten Bußgelder in dreistelliger Millionenhöhe.

Justizpannen bei Mordermittlungen: Dem bislang unaufgeklärten Mord aus dem Jahr 1986 an dem Lehrer Dieter Huber widmet der Spiegel (Bruno Schrep) einen Beitrag. Ein Bruder und der Schwager des Verstorbenen versuchten, das bereits mehrfach eingestellte Verfahren, welches nach erheblichen Justizpannen den Konstanzer Ermittlern von der Staatsanwaltschaft Karlsruhe entzogen wurde, noch einmal in Gang zu bekommen. Beweismittel zur möglichen Überführungen eines Tatverdächtigen seien aus der Asservatenkammer am Bodensee entwendet worden. Es gäbe aber noch einige Beweisstücke vom Tatort, die mit neuen Methoden auf DNA-Spuren des Mannes untersucht werden könnten.

Mehr Anwälte ans BVerfG?: Drei Rechtsanwälte pro Senat des Bundesverfassungsgerichts? – Das fordert laut lto.de die Bundesrechtsanwaltskammer. Bisher habe es dort insgesamt erst drei ehemalige Anwälte gegeben.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 23. bis 25. März 2013: Großkanzlei arbeitet für Justiz – Anwaltshonorare steigen – Wulffs "strafrechtliche Verantwortung" . In: Legal Tribune Online, 25.03.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8400/ (abgerufen am: 05.05.2024 )

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