Die juristische Presseschau vom 24. September 2015: Bewaff­neter Ein­satz ohne Par­la­ment – USA ist kein sicherer Hafen - Unter­halt trotz Unfrucht­bar­keit

24.09.2015

Bei Geheimeinsätzen der Bundeswehr muss der Bundestag nicht mehr nachträglich zustimmen. Außerdem in der Presseschau: EuGH-Generalanwalt gegen Safe-Harbor-Beschluss und der BGH zu Unterhalt bei künstlicher Befruchtung.

Thema des Tages

BVerfG zu Bundeswehr und Parlamentsvorbehalt: Das Bundesverfassungsgericht konkretisiert die verfassungsrechtlichen Maßstäbe für das Mitentscheidungsrecht des Bundestages über den Einsatz bewaffneter Soldaten im Ausland. Für den Einsatz bewaffneter Streitkräfte gilt grundsätzlich der Parlamentsvorbehalt, ohne dass eine zusätzliche militärische Erheblichkeitsschwelle überschritten sein müsse, das heißt auch für Einsätze aus humanitären Gründen. Nur bei Gefahr im Verzug ist ausnahmsweise die Bundesregierung berechtigt, den Einsatz vorläufig alleine zu beschließen. Wenn der Einsatz bereits abgeschlossen ist, muss der Bundestag nun aber nicht mehr nachträglich zustimmen. Der Bundestag hat dann aber ein umfassendes Informationsrecht. Dem Fall lag ein Rettungseinsatz in Libyen im Februar 2011 zu Grunde. Darüber berichten unter anderem der Tsp (Ursula Knapp), die SZ (Wolfgang Janisch) und die FAZ (Helene Bubrowski). Die taz (Christian Rath) weist darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht damit "für heimliche Kommandoaktionen der Bundeswehr den Parlamentsvorbehalt faktisch ausgehebelt" habe.

Reinhard Müller (FAZ) meint, dass die Zustimmung in der Regel "ohnehin kein Problem" sei, da die Regierung sich ihren Mehrheitsverhältnissen sicher sein könne. Bislang habe "sich der Parlamentsvorbehalt auch nicht als Spaltpilz im Bündnis erwiesen; er darf eben nicht zur Gefahr werden." Der Anwalt Robert Glawe begrüßt auf lto.de das Urteil. Der Parlamentsvorbehalt werde zwar noch einmal ausführlich begründet, "einer extensiven parlamentarischen Anspruchshaltung" würden aber Grenzen gezogen. Durch die "alleinige Eilkompetenz" der Bundesregierung trage das Gericht dem Interesse der Soldaten Rechnung, auf Grund einer rechtlich verlässlichen (und nicht schwebend unwirksamen) Anordnung eingesetzt zu werden.

Rechtspolitik

Asylrecht: Die EU-Kommission hat zwei Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Die EU-Asyl-Verfahrensrichtlinie und die Aufnahme-Richtlinie seien noch nicht vollständig umgesetzt worden. Die Bundesregierung erklärte, sie stehe kurz vor der Umsetzung. Insgesamt hat die EU-Kommission 40 Verfahren gegen 19 Staaten eingeleitet, berichtet spiegel.de.

Konzernhaftung: Durch das geplante Rückbau- und Entsorgungskostennachhaftungsgesetz soll eine Konzernhaftung für Verbindlichkeiten aus Stilllegung, Rückbau und Entsorgung in Zusammenhang mit Kernkraftwerken begründet werden, meldet blog.beck.de (Philippe Rollin). Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie wolle dadurch verhindern, dass Konzerne durch Konzernabspaltungen sich ihrer Verbindlichkeiten entledigen könnten. "Neben dem unmittelbar als Zustandsstörer haftenden Eigentümer zieht [das geplante Gesetz] sämtliche 'herrschende Unternehmen' zur Haftung heran, und zwar alle zusammen als Gesamtschuldner."

Einwanderungsgesetz: Christian Bommarius (BerlZ) ist der Ansicht, dass das Grundrecht auf Asyl von der Politik "schamlos und beständig" missbraucht werde, denn diese habe sich über Jahrzehnte der Ansicht verschlossen, dass ein großer Teil, nicht als politisch Verfolgte, sondern als Armuts- und Umweltflüchtlinge kämen und "denen verweigert wird, was sie gar nicht verlangen. Sie suchen keine Zukunft, sondern eine neue Heimat", für sie sei nicht das Grundrecht auf Asyl anzuwenden, sondern Art.1: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Die Politik reagiere "hektisch und planlos" anstatt endlich ein Einwanderungsgesetz zu erarbeiten.

Erbschaftsteuer: In einem Gastkommentar kritisiert der FDP-Politiker Hermann Otto Solms im Handelsblatt die Erbschaftsteuerreform des Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble und schlägt vier diskutable Neugestaltungen vor, die den Anforderungen an den Gleichheitsgrundsatz entsprächen und der Bedeutung der Familienunternehmen gerecht würden.

Prekäre Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie: Sämtliche in der Fleischindustrie Arbeitenden sollen sozialversicherungspflichtig beschäftigt werden; diese von Bundeswirtschaftsminister Gabriel vorgelegte Selbstverpflichtung unterschrieben sechs führende Fleischwirtschaftsproduzenten. Im Herbst soll das Gesetz für Werkvertrags- und Leiharbeiter überarbeitet werden, mit der Hoffung, die prekären Arbeitsverhältnisse in der Fleischindustrie zu verbessern, so die Zeit (Anne Kunze).

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 24. September 2015: Bewaffneter Einsatz ohne Parlament – USA ist kein sicherer Hafen - Unterhalt trotz Unfruchtbarkeit . In: Legal Tribune Online, 24.09.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16995/ (abgerufen am: 03.05.2024 )

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