Die juristische Presseschau vom 24. September 2015: Bewaff­neter Ein­satz ohne Par­la­ment – USA ist kein sicherer Hafen - Unter­halt trotz Unfrucht­bar­keit

24.09.2015

Justiz

BVerfG zu Vermittlungsausschuss: Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Jelena von Achenbach bespricht auf verfassungsblog.de das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur nicht erforderlichen Spiegelbildlichkeit des Parlaments in Arbeitsgruppen des Vermittlungsausschusses. "Das Demokratieprinzip gilt jedenfalls für das gesamte – auch das innere selbstorganisierte – Handeln der Verfassungsorgane im Gesetzgebungsvorgang, nicht nur für jenes, das verfassungsrechtlich konkret geregelt ist." Daraus ergebe sich auch die proportionale Besetzung von Arbeitsgruppen.

EuGH – Facebook: Die Safe-Harbor-Entscheidung der EU-Kommission für einen freien Datenverkehr in die USA, soll in dem Fall "Schrems gegen Facebook" aus Sicht des Generalanwalts des Europäischen Gerichtshofs gegen die EU-Grundrechtecharta verstoßen. Facebook-Daten, die in die USA übertragen werden, seien dort nicht ausreichend gegen den Zugriff des US-Geheimdienstes geschützt. Die irische Datenschutzbehörde könne Facebook die Übertragung von Daten in die USA untersagen. Es berichten blog.beck.de (Axel Spies), internet-law.de (Thomas Stadler), die taz (Christian Rath) und tagesschau.de (Frank Bräutigam).

Wolfgang Janisch (SZ) sieht in dem Schlussantrag "ein starkes Signal", denn Europa sei ein Raum, der einer "mächtigen Allianz des koordinierten Datenmissbrauchs Paroli" bieten könne. Er fragt sich, ob der Safe-Harbor-Beschluss nichts als naive Gutgläubigkeit war.

BGH zu Vaterschaft bei künstlicher Befruchtung: Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden, dass ein zeugungsunfähiger Mann, der die künstliche Befruchtung seiner Freundin akzeptiert und sich bereit erklärt hatte, für das Kind zu sorgen, dem Kind später auch Unterhalt zahlen muss, schreiben die SZ (Wolfgang Janisch) und die FAZ (Helene Bubrowski). Der Bundesgerichtshof folgt dabei dem Oberlandesgericht Stuttgart: "Bei der künstlichen Befruchtung handele es sich um die Übernahme der Elternschaft kraft Willensakt." Das OLG stützte sich auf den 2002 reformierten § 1600 des Bürgerlichen Gesetzbuches.

BGH zu Abbruch bei Ebay-Auktionen: Wer auf Ebay einen Gegenstand versteigert, darf unter bestimmten Voraussetzungen die Gebote der potentiellen Käufer streichen. Dies könne, neben den in den Ebay-Bedingungen ausdrücklich genannten Gründen auch dann in Betracht kommen, wenn gewichtige Umstände vorliegen. Eine gefühlte "Unseriösität"' des Käufers reiche nicht. Der Bundesgerichtshof hat dadurch seine Rechtsprechung zum Abbruch von Ebay-Auktionen präzisiert, meldet lto.de (Pia Lorenz).

Joachim Jahn (FAZ) weist darauf hin, dass Ebay "kein bloßer Freizeitspaß" sei, man mache sich im Zweifel auch schadensersatzpflichtig.

BGH zur Marke "Goldbären": In dem Streit des Goldbären-Produzent Haribo gegen Lindt hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Wortmarke "Goldbären" von Haribo nicht verletzt ist und Lindt weiterhin goldene Schokoladenbären verkaufen darf, da man den Lindt-Teddy als Goldbären bezeichnen könne, aber nicht müsse. Genauso gut passe "Schokoladen-Bär" oder "Schokoladen-Teddy". Aus Verbrauchersicht ist bei der Wortmarke demnach eine Verwechslungsgefahr nicht gegeben. Dies berichten süddeutsche.de (Stephan Radomsky) und das Handelsblatt (Holger Alich/Christoph Kapalschinski).

BGH zu Farbmarke Rot bei Banken: In dem Streit zwischen den Sparkassen und dem Bankkonzern Santander wegen Verletzung der Farbmarke Rot in ihrem jeweiligen Marktauftritt, verweist der Bundesgerichtshof den Fall an das Oberlandesgericht Hamburg zurück. Die Sparkassen wollen Santander verbieten, die Farbe rot auf dem deutschen Markt zu verwenden. 2007 hatten die Sparkassen "ihr" Rot (HKS 13) als Marke beim Patentamt eintragen lassen. Der BGH hält Ansprüche der Sparkassen für möglich. Tsp (Ursula Knapp) berichtet (auch zu Haribo).

BFH zu Verkauf von Privatsammlungen: Im Verkauf von Privatsammlungen liegt grundsätzlich keine unternehmerische Tätigkeit, so dass keine Umsatzsteuer zu zahlen ist. Der Einwand, die 140 Pelzmäntel – planmäßig und mit erheblichen Organisationsaufwand verkauft - seien alle aus der "Sammlung der Schwiegermutter," wollte der Bundesfinanzhof der Klägerin aber nicht glauben. Bei dem Verkauf von Pelzmänteln unterschiedlicher Größen, Marken und Pelzarten sei kein einheitliches Sammelthema wie bei Briefmarken und Münzen ersichtlich; es handele sich um Gebrauchsgegenstände. Über den Fall berichtet lto.de.

VGH Hessen zu Abstand von Windrädern: Windräder dürften auch weiterhin in Hessen nicht näher als 1.000 Metern zu Siedlungen gebaut werden, bestätigte nun der hessische Verwaltungsgerichtshof die Vorinstanz, wie die Welt meldet. Zwar könnten aus Lärmschutzgründen 500 bis 600 Meter ausreichend sein, es sei aber der Landesplanung erlaubt, einen höheren Wert festzusetzen, um so auch andere Faktoren wie Lichtreflexe oder Schattenwurf zu berücksichtigen, eine Verhinderungsplanung liege dadurch nicht vor.

OLG Stuttgart zu Scala-Verträgen: Das Oberlandesgericht Stuttgart hat nun entschieden, dass die Sparkasse Ulm die so genannten Scala-Verträge, welche relativ hohe Zinsen und lange Laufzeiten haben, nicht vorzeitig kündigen dürfe. Das Handelsblatt (Elisabeth Atzler/Anke Rezmer) stellt den Fall vor.

Elisabeth Atzler (Handelsblatt) findet das Urteil richtig , denn der Kunde sei gegenüber der Bank in einer schwächeren Position und müsse deshalb mehr geschützt werden. Allein das "Leiden" der Bank angesichts der Minizinsen im Euroraum dürfe kein hinreichender Grund sein, die Gültigkeit von Verträgen mit langen Laufzeiten in Frage zu stellen. Die Bank habe die Risiken selbst "nicht existenzgefährdend" eingestuft.

OLG München – NSU-Prozess: Auf Gegenständen aus den Resten der ausgebrannten Wohnung des NSU-Trios in Zwickau finden sich laut Aussage eines BKA-Gutachters DNA-Spuren der Hauptangeklagten Beate Zschäpe, meldet die taz. Tiefere Einblicke in die Spurenanalyse des Gutachters gewährt zeit.de (Tom Sundermann).

VW: Volkswagen wird in dem "Abgasskandal" in den kommenden Jahren mit verschiedenen Anklagen und Verfahren in den USA und Deutschland zu rechnen haben: So könne die US-amerikanische Bundesumweltbehörde bis zu 37.500 Dollar Strafe pro beanstandetem Auto verhängen; was insgesamt eine Summe von 18 Milliarden Dollar ergäbe. Mehrere Anwaltskanzleien haben Class-Action-Klagen erhoben, mit dem Ziel Schadensersatz für betrogene VW-Diesel-Fahrer zu fordern, sowie Sammelklagen der Verbraucher. In Braunschweig eröffnete die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren. Dies meldet die Welt (Clemens Wergin).

Daneben ist gegen VW in Brasilien eine Zivilklage wegen seines Verhaltens während der Militärdiktatur eingereicht worden. Der Konzern habe während der Diktatur von 1964 bis 1985 die illegale Festnahme und Folter von Arbeitnehmern hingenommen, meldet die taz (Kai Schöneberg).

Heribert Prantl (SZ) wird es schwindlig bei den Nachrichten und schlecht angesichts der Folgen. Ein "Höllensturz" vergleichbarer Art habe es kaum je gegeben. Zu ermitteln sei "ein besonders schwerer Fall des fortgesetzten Betrugs"; in Deutschland mit Gefängnisstrafe bis zu 10 Jahren bedroht.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 24. September 2015: Bewaffneter Einsatz ohne Parlament – USA ist kein sicherer Hafen - Unterhalt trotz Unfruchtbarkeit . In: Legal Tribune Online, 24.09.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16995/ (abgerufen am: 18.05.2024 )

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