Die juristische Presseschau vom 22. Oktober 2013: EGMR zu Katyn-Massaker – Mehr Oppositionsrechte – Prozess um Organtransplantationen

22.10.2013

Enttäuschend für die Angehörigen: Der EGMR kann Russland nicht verpflichten, das Katyn-Massaker an polnischen Kriegsgefangenen aufzuarbeiten. Außerdem in der Presseschau: Politiker und Wissenschaftler wollen mehr Oppositionsrechte, ein Chirurg steht im Organspendeskandal vor Gericht, Spanien muss Eta-Mitglieder freilassen - und in Italien wird jetzt gespart.

Thema des Tages

EGMR zu Katyn-Ermittlungen: Angehörige von Opfern des Katyn-Massakers haben eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) weitgehend verloren. Die sowjetische Geheimpolizei hatte im Jahr 1940 tausende polnische Offiziere und Intellektuelle erschossen. Russland hat das Massaker inzwischen zugegeben, Ermittlungen jedoch im Jahr 2004 eingestellt. Der Gerichtshof könne Russland aber nicht dazu verpflichten, das Geschehen weiter aufzuklären, entschied nun die Große Kammer des EGMR. Auch würden die Hinterbliebenen nicht unmenschlich behandelt. Allerdings beanstandeten die Straßburger Richter die mangelhafte Zusammenarbeit der russischen Behörden mit dem EGMR, weil die Militärstaatsanwaltschaft die Unterlagen über die Einstellung nicht heraus gibt. Die FAZ (Konrad Schuller) und die taz (Christian Rath) geben einen Überblick.

Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de) analysiert das Urteil und auch die Sondervoten – unter anderem des russischen und des polnischen Richters. Dabei geht es vor allem um die Frage, inwiefern die Europäische Menschenrechtskonvention, die 1950 entstand und 1998 in Russland in Kraft trat, rückwirkend gilt. Die Mehrheit der Richter vertrete hier eine restriktive Linie und habe damit "eine Chance vergeben, die Konvention ihre befriedende Wirkung entfalten zu lassen".

Rechtspolitik

Europäisches Asylsystem: verfassungsblog.de (Maximilian Steinbeis) spricht mit dem Staatsrechtler Jürgen Bast über das europäische Asylsystem. Er kritisiert, die grundlegenden Probleme der Flüchtlingspolitik würden nicht angegangen – so gebe es zwar ein weitgehendes Recht auf Asyl, aber kaum legale Möglichkeiten für Flüchtlinge, dieses Recht geltend zu machen. Zudem müssten die EU-Mitgliedstaaten das Asylsystem solidarisch regeln.

EU-Datenschutzverordnung: Die SZ (Javier Cáceres - aktualisierte Fassung auf sueddeutsche.de), spiegel.de (Claus Hecking) und Die Welt (Manuel Bewarder/Ulrich Clauss/Christoph B. Schlitz) berichten über die geplante EU-Verordnung zum Datenschutz, die die bisher geltende Richtlinie ablösen soll. Die EU-Parlamentarier wollen mit ihren Änderungsvorschlägen zum Kommissions-Entwurf den Datenschutz verbessern.

Oppositionsrechte: Sollten Union und SPD die Rechte der Opposition im Bundestag stärken? Der Staatsrechtler Hans-Michael Heinig spricht sich auf verfassungsblog.de dafür aus. Im Falle einer großen Koalition mit 4/5-Mehrheit sei das kein tagespolitischer Aktivismus und kein "Gnadenbrot" der Machthaber, sondern folge demokratischen Vorstellungen. Um eine abstrakte Normenkontrolle einlegen und einen Untersuchungsausschuss einsetzen zu können, müssten die Quoren im Grundgesetz geändert werden, andere Anpassungen könnten im Rahmen der Geschäftsordnung getroffen werden. Auch der Politikwissenschaftler Stephan Bröchler betont in einem Gastbeitrag für die SZ die Bedeutung einer starken Opposition. Einen Überblick über die Vorschläge von Politikern der jeweiligen Parteien gibt zeit.de (Anne Fromm).

Abmahn-Anwälte: Zwei Wochen, nachdem das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken in Kraft getreten ist, werde bereits klar, dass Massenabmahnungen wegen Filesharing damit nicht wirksam eingeschränkt werden könnten, kritisiert Thomas Stadler (internet-law.de). Die Abmahnkanzleien würden nun wohl versuchen, die reduzierten Anwaltskosten durch höhere Schadensbeträge wettzumachen – das zeige sich im Fall einer aktuellen Abmahnung der Kanzlei Waldorf Frommer.

Steuerhinterziehung: Der Präsident des Bundesfinanzhofes, Rudolf Mellinghoff, und der Präsident des Deutschen Steuerberaterverbandes, Harald Elster, warnen davor, die strafbefreiende Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung abzuschaffen oder die Anforderungen zu verschärfen. Das Handelsblatt (Donata Riedel) und die FAZ (Joachim Jahn) berichten vom Deutschen Steuerberatertag in Berlin.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 22. Oktober 2013: EGMR zu Katyn-Massaker – Mehr Oppositionsrechte – Prozess um Organtransplantationen . In: Legal Tribune Online, 22.10.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9854/ (abgerufen am: 04.05.2024 )

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