Die juristische Presseschau vom 22. Dezember 2017: Pro­zess­be­ginn zum Anschlag auf BVB-Bus / OLG Mün­chen zu wrongful life / Bilanz zum ICTY

22.12.2017

Justiz

BAG zu Grippeschutzimpfung: Ein Arbeitnehmer hat infolge der Folgeschäden einer Grippeschutzimpfung, die ihm sein Arbeitgeber anbot, keinen Anspruch auf Schmerzensgeld. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht. Zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehe weder ein Behandlungsvertrag noch ergäben sich Aufklärungspflichten zu den Risiken der Impfung aus dem Arbeitsvertrag. Deshalb könne auch eine Pflichtverletzung der Betriebsärztin dem Arbeitgeber nicht zugerechnet werden. Es berichten Rechtsprofessor Michael Fuhlrott auf lto.de und die BadZ (Christian Rath).

OLG München zu wrongful life: Das Oberlandesgericht München hat einen Arzt zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt, weil dieser einen Patienten am Leben gehalten hatte, dessen Gesundheitszustand keine Aussicht auf Besserung hatte. Die Richter sahen die Weiterbehandlung als Behandlungsfehler an und konstatierten, eine Lebensverlängerung könne für den Patienten einen Schaden im Rechtssinne bedeuten. Der Arzt wäre dazu verpflichtet gewesen, die Situation des inzwischen verstorbenen Patienten mit seinem Betreuer gründlich zu erörtern. Nun trage er die Beweislast dafür, dass bei ordnungsgemäßer Aufklärung eine Entscheidung zur Fortsetzung der Lebenserhaltung gefallen wäre, so das Gericht. lto.de (Maximilian Amos) fasst das Urteil zusammen. Beide Seiten wollen in Revision gehen.

OLG Frankfurt a.M. zu waldtypischen Gefahren: Ein Waldbesitzer haftet nicht für waldtypische Gefahren. So hat das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. einem Bericht von lto.de zufolge entschieden. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass sich der Waldbesucher mit dem Betreten des Waldes bewusst derartigen Gefahren aussetze. Eine Frau hatte das Land Hessen verklagt, weil sie bei einer Radtour auf einem Waldweg gestürzt war.

BGH – Tagesschau-App: Der Bundesgerichtshof hat die Revision zu einem Urteil gegen die Tagesschau-App nicht zugelassen. Geklagt hatten acht Zeitungsverlage – darunter die SZ und die FAZ – gegen das Angebot der Tagesschau-App vom 15. Juni 2011, da dieses zu textlastig sei, wodurch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten den Zeitungen unrechtmäßig Konkurrenz machten. Über den Rechtsstreit informiert das Hbl (Catrin Bialek).

BFH – Gemeinnützigkeit von Attac: Im Streit um den Gemeinnützigkeitsstatus des globalisierungskritischen Vereins Attac hat der Bundesfinanzhof die Revision gegen ein Urteil des Finanzgerichts Kassel zugelassen. Dies meldet lto.de. Nachdem das Finanzgericht die Zulassung der Revision 2016 abgelehnt hatte, war die Frankfurter Finanzverwaltung auf Anweisung des Bundesfinanzministeriums dagegen vorgegangen. Konkret geht es um die Frage, ob Attac zu politisch ist, um gemeinnützig zu sein.

OLG Düsseldorf – Wilkinson-Ersatzklingen: In einem Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf ist ein Rechtsstreit zwischen Gilette und dem Unternehmen Wilkinson Sword verhandelt worden, da letzteres günstige Ersatzklingen für einen Nassrasierer von Gilette auf den Markt gebracht hatte. Der ursprüngliche Kläger Gilette sieht dadurch Patente verletzt, die er vor Jahren für seine austauschbaren Klingen angemeldet hat. Das Landgericht Düsseldorf hatte der Klägerseite zuvor in einem Eilverfahren Recht gegeben, sodass Wilkinson Sword seitdem seine Ersatzklingen weder produzieren noch vertreiben darf. Wie die SZ (Benedikt Müller) berichtet, ist ein Urteil am 11. Januar zu erwarten.

OLG München – NSU-Verfahren: Die FAZ (Karin Truscheit) beschreibt, welche Entwicklungen der NSU-Prozess im Jahr 2017 genommen hat. Dem Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen beipflichtend schlossen die Sitzungsvertreter des Generalbundesanwalts eine verminderte Schuldfähigkeit Beate Zschäpes aus und forderten für sie eine lebenslange Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung. Nachdem die Beweisaufnahme im Sommer geschlossen worden war, folgten mit Verzögerungen die Plädoyers der Sitzungsvertreter des Generalbundesanwalts. Seit einigen Wochen plädieren die Nebenkläger und ihre Vertreter. Vermutlich werde im Jahr 2018 nach fünfjähiger Verhandlungsdauer ein Urteil fallen.

LG Stuttgart – LKW-Kartell: Wie die FAZ (Oliver Schmale) berichtet, hat der Europäische Ladungs-Verbund Internationaler Spediteure (Elvis) eine Schadensersatzklage über 176 Millionen Euro gegen Daimler erhoben. Die Lastwagen-Kunden monieren, sie hätten wegen der jahrelangen Absprachen von Herstellern wie Daimler zu hohe Preise bezahlt. Zuvor hatte die EU-Kommission den Daimler-Konzern und andere Hersteller wegen der Preisabsprachen bereits zu hohen Bußgeldern verurteilt. 

LG Duisburg – Loveparade: Im Prozess um die Aufarbeitung der Duisburger Loveparade 2010 hat die Verteidigung massive Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft sowie den früheren NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) erhoben. Die Ermittler hätten ein mögliches Versagen der Polizei bei der Loveparade zu wenig in den Blick genommen. Ferner hätte Jäger durch Äußerungen zum Schutze der eingesetzten Polizisten die Ermittlungen beeinflusst. Die Strafverteidiger fordern, den Prozess bis März auszusetzen, während die Opferanwälte dies als Versuch werten, den Prozess zu verzögern. Die SZ (Christian Wernicke) berichtet.

StA Hamburg – G 20-Fotos: Laut einem Bericht der SZ wird an der Öffentlichkeitsfahndung mit Fotos von mutmaßlichen G 20-Randalierern weiterhin Kritik laut. Nachdem auch schon eine 17-jährige Jugendliche durch die Fotos identifiziert werden konnte, stellte der Jurist Bernd Maelicke infrage, ob bei der Fahndung der Schutzgedanke des Jugendstrafrechts im Interesse der Erziehung jugendlicher Angeklagter erkannt und geprüft wurde.

Thomas Hahn (SZ) kommentiert, eine 17-Jährige falle unter das Jugendstrafrecht und müsse deshalb vor der Öffentlichkeit geschützt werden.

 

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 22. Dezember 2017: Prozessbeginn zum Anschlag auf BVB-Bus / OLG München zu wrongful life / Bilanz zum ICTY . In: Legal Tribune Online, 22.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26169/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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