Die juristische Presseschau vom 1. September 2017: Arbeits­rechts­re­form in Fran­k­reich / Kla­ge­ab­wei­sung im Abgasskandal / Sozial­hilfe für EU-Aus­länder

01.09.2017

Justiz

LG Braunschweig zu VW-Abgassoftware: Das Landgericht Braunschweig hat die Klage eines Verbrauchers abgewiesen, die von der amerikanischen Anwaltskanzlei Hausfeld und dem Dienstleister Myright zu einer Art Musterklage im VW-Skandal bestimmt worden war. Darin forderte der Kläger die Rückzahlung des Kaufpreises für sein Dieselfahrzeug und machte geltend, dass die ursprünglich erteilte Genehmigung wegen der Abschaltvorrichtung nicht hätte erteilt und das Auto nicht zum Verkehr zugelassen werden dürfen. Das Gericht verneinte jedoch ein automatisches Erlöschen der Genehmigung und der Zulassung zum öffentlichen Verkehr, berichten die FAZ (Marcus Jung) und lto.de. Zudem legte es den Fall dem Europäischen Gerichtshof, anders als erhofft, nicht vor.

BSG zu EU-Ausländern: Das Bundessozialgericht hat seine Rechtsprechung bekräftigt, dass EU-Ausländern ein Anspruch auf Sozialhilfe zusteht, selbst wenn sie erwerbsfähig sind. Im konkreten Fall ging es um den Antrag einer Ungarin, die nach Einreise und zwischenzeitiger Beschäftigung erwerbslos geworden war. Das Urteil betreffe zwar die alte Fassung des SGB XII, da das BSG den Anspruch aber aus der Verfassung ableite, dürfe darin der Wille zum Ausdruck kommen, an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten, erläutert die FAZ (Dietrich Creutzburg/Hendrik Wieduwilt).

Dietrich Creutzburg (FAZ) stellt heraus, dass das BSG im Urteil nicht nur die Unterinstanzen zurechtweist, sondern auch die neue Gesetzesänderung in Zweifel zieht.  

BAG zu Pierre Sanoussi-Bliss: Das Bundesarbeitsgericht hat die Entfristungsklage des Schauspielers Pierre Sanoussi-Bliss abgewiesen. Dieser verkörperte 18 Jahre lang die Figur des Oberkommissars Axel Richter in der Serie "Der Alte" und machte geltend, dass die Befristung in den Schauspielerverträgen unwirksam gewesen sei. Das BAG folgte dagegen der Argumentation der Produktionsfirma und bejahte das Vorliegen einer besonderen Art der Arbeitsleistung nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz, erklärt Rechtsprofessor Michael Fuhlrott auf lto.de.

BGH zu Schlemmerblock: Der Herausgeber des Gutscheinheftes "Schlemmerblock" darf keine Vertragsstrafe von 2.500 Euro bei Pflichtverstößen der teilnehmenden Gastwirte verlangen. Das entschied der Bundesgerichtshof, stellt die SZ (Wolfgang Janisch) dar. Der Fall betraf einen Gastwirt, der am Gutscheinsystem teilnahm, aber bei Vorlage lediglich ein kleineres Gericht servieren und ein anderes von der Teilnahme ausschließen wollte. Der BGH sah die Höhe der hierfür vorgesehenen Vertragsstrafe als unverhältnismäßig an, weil sie bereits bei geringen Verstößen greife. 

OLG München – NSU: In ihrem Plädoyer sieht die Bundesanwaltschaft nun auch die Vorwürfe gegen den Angeklagten Andre É. als bestätigt an. Dieser sei als überzeugter Neonazi in die Pläne des Terror-Trios eingeweiht gewesen, habe ein einzigartiges Näheverhältnis zu den NSU-Mitgliedern aufgebaut und ihnen immer wieder im Alltag zur Seite gestanden. Unter anderem habe er mehrere Wohnungen angemietet und Zschäpe bei der Polizei als seine Ehefrau bezeichnet. Die taz (Konrad Litschko), die SZ (Wiebke Ramm), und spiegel.de (Julia Jüttner) fassen das Plädoyer zusammen.

BAW – Rechter Terror: Die Welt (Florian Flade) berichtet von neuen Erkenntnissen im Zusammenhang mit den beiden Rechtsextremisten aus dem Großraum Rostock, die einen Anschlag auf linke Politiker geplant haben sollen. Im Zuge der Ermittlungen gegen den terrorverdächtigen Bundeswehrsoldaten Franco A. sei man auf einen weiteren Ex-Soldaten gestoßen, der den entscheidenden Hinweis auf die Gruppe von sechs Männern gegeben habe, zu denen die beiden Beschuldigten gehörten. Bei den beiden handele es sich um einen Rechtsanwalt und einen Polizisten, die in Social-Media-Kanälen den Zusammenbruch der staatlichen Ordnung herbeifantasierten.

LG Neubrandenburg – Hubert Zafke: Das Verfahren gegen den früheren SS-Sanitäter Hubert Zafke wird nun voraussichtlich doch wegen Verhandlungsunfähigkeit eingestellt, berichtet die Welt (Per Hinrichs). Die taz (Klaus Hillenbrand) bejaht die Entscheidung aus rechtsstaatlicher Sicht. Doch habe die Justizposse rund um das Verfahren gezeigt, dass die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in Neubrandenburg noch immer unerwünscht sei.

Landgericht Köln – Kölner Stadtarchiv: Das Landgericht Köln hat die Anklage gegen sechs Männer wegen fahrlässiger Tötung zugelassen. Sie sollen für den Einsturz des Kölner Stadtarchivs im Jahr 2009 verantwortlich gewesen sein, bei dem zwei Menschen ums Leben kamen. Ihnen wird vorgeworfen, bei den Bauarbeiten an einer nahen U-Bahn-Station anerkannte Regeln der Technik missachtet zu haben, sodass es zu einem Absinken des Grundes kam, meldet lto.de.

Freshfields und Cum-Ex-Geschäfte: Wie die SZ (Klaus Ott) berichtet, rückt die Großkanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer im Skandal um die Cum-Ex-Geschäfte in den Fokus. Die Sozietät soll für interessierte Banken "Gutachten beinahe wie am Fließband produziert" haben, die auf die Ausnutzung der Gesetzeslücke im Steuerrecht hinwiesen und damit zum Milliardenschaden beim Fiskus beitrugen. Ermittelt werde gegen die verantwortlichen Anwälte bisher nicht.

VW-Affäre: Der VW-Konzern hat neben der US-amerikanischen Kanzlei Jones Day nun auch Freshfields mit der "weltweiten Rechtsverteidigung" in der Abgasaffäre beauftragt, berichtet die SZ (Hans Leyendecker u.a.). Damit könnte den VW-Mitarbeitern eine weitere Fragerunde ins Haus stehen. Dass die ermittelnden Staatsanwaltschaften auch hier die Ergebnisse beschlagnahmen könnten, sei eher ausgeschlossen, da die Kanzlei lediglich mit der Verteidigung und nicht mit einer Untersuchung beauftragt worden sei.

VG Berlin – Rundfunkbeitrag: Die taz (Christian Rath) stellt den Fall eines Berliner Hausprojekts vor, dessen 43 Bewohner insgesamt nur einen Rundfunkbeitrag zahlen wollen und deshalb vor dem Verwaltungsgericht Berlin klagen. Sie machten geltend, dass sie eine einzige Wohngemeinschaft im Sinne des Staatsvertrages seien, da die Gemeinschaftsräume nicht abgetrennt und für alle Bewohner frei zugänglich seien. Damit würde der Beitrag nur einmal anfallen.

AG Hamburg zu G-20: Nun fasst auch spiegel.de (Anna-Sophie Schneider) die zwei Urteile des Amtsgerichts Hamburg gegen G-20-Teilnehmer und die Reaktionen darauf zusammen. Die Anwälte haben bereits angekündigt, gegen die harten Urteile vorzugehen. Auch überlege man, die Strategie für noch laufende Verfahren zu ändern.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 1. September 2017: Arbeitsrechtsreform in Frankreich / Klageabweisung im Abgasskandal / Sozialhilfe für EU-Ausländer . In: Legal Tribune Online, 01.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23422/ (abgerufen am: 27.04.2024 )

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