Die juristische Presseschau vom 28. Februar 2017: Rennen war Mord / BGH zu Wech­sel­mo­dell / Haft­be­fehl gegen Yücel

28.02.2017

Vor dem LG Berlin wurden zwei Todesfahrer wegen Mordes verurteilt. Außerdem in der Presseschau: Das Wechselmodell ist auch gegen den Willen eines Elternteils durchsetzbar und Deniz Yücel befindet sich nun förmlich in Untersuchungshaft.

Thema des Tages

Lebenslange Freiheitsstrafen für Todesfahrer: Das Landgericht Berlin hat zwei als "Ku'damm-Raser" bekannt gewordene 25 und 28 Jahre alte Männer wegen Mordes an einem unbeteiligten 69-jährigen Autofahrer zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt. Die beiden hätten den Tod anderer billigend in Kauf genommen, also mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt, und ihre Autos während des Rennens nicht kontrollieren können, was sie zu "gemeingefährlichen Mitteln" gemacht habe. Es ist das erste Mal in der deutschen Rechtsgeschichte, dass Raser, die einen tödlichen Unfall verursachten, wegen Mordes verurteilt wurden. Bislang kamen Autofahrer in solchen Fällen mit Schuldsprüchen wegen fahrlässiger Tötung und wesentlich geringeren Strafen davon. Das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig, die Verteidiger haben Revision angekündigt, berichtet die SZ (Verena Mayer). Ausführliche Berichte finden sich auch in der FAZ (Johannes Leithäuser) und der taz (Uta Eisenhardt).

Jost Müller-Neuhof (Tsp) empfindet es als problematisch, die Höchststrafe für eine Tat zu verhängen, die erst aufgrund eines Zufalls zu einer solchen wurde. Zum Mörder werde man nicht durch Zufall. Auch Christian Rath (BadZ) bezeichnet das Urteil als zu hart. Reinhard Müller (FAZ) wirft die Frage auf, ob wir jetzt alle potentielle Mörder seien. Nach Ansicht von Joachim Käppner (SZ) erkannte das Gericht um der Symbolik willen auf Mord, es riskiere eine Aufhebung durch den Bundesgerichtshof.

Im Interview mit der taz (Sunny Riedel) erläutert die Verkehrspsychologin Bächli-Biétry, welche Motivation Raser antreibe und wie sie davon abgehalten werden können.

Rechtspolitik

Härtere Gesetze gegen Raser: Der Bundesrat hat im September vergangenen Jahres einen Gesetzentwurf beschlossen, nach dem ein neuer § 315d in das Strafgesetzbuch eingeführt werden soll, der die Teilnahme an "verbotenen Kraftfahrzeugrennen" mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bedroht. Auch Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) habe einen Gesetzentwurf zu dem Thema angekündigt, der sich aber immer noch in der Ressortabstimmung mit Justizminister Heiko Maas (SPD) befinde, schreibt die taz (Christian Rath). Wie die SZ (Markus Balser) berichtet, ist der Elan, mit dem solche Gesetzesverschärfungen im Herbst 2016 angegangen wurden, mittlerweile erlahmt, weshalb eine Umsetzung noch in der laufenden Legislaturperiode immer unwahrscheinlicher werde.

Vorratsdatenspeicherung: Wie netzpolitik.org (Andre Meister) mitteilt, hat das Justizministerium einen Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz abgelehnt, mit dem der Blog in Erfahrung bringen wollte, wie die Vorratsdatenspeicherung mit dem Europarecht in Einklang gebracht werden soll. Als Grund sei angegeben worden, dass sich die Bundesregierung derzeit noch im Austausch darüber befinde.

Störerhaftung: Die Rechtsrisiken für Betreiber öffentlicher WLAN-Hotspots sollen weiter gesenkt werden. Wie zeit.de berichtet, sieht ein Entwurf des Wirtschaftsministeriums zur Nachbesserung des Telemediengesetzes die Abschaffung der Störerhaftung auf Unterlassung vor. Im Gegenzug sehe der neue Entwurf vor die Rechteinhaber zu ermächtigen, Betreiber zur Sperrung von Piraterie-Seiten zu verpflichten, schreibt die FAZ (Hendrik Wieduwilt).

Unbefristeter Unterbindungsgewahrsam: Gefährder sollen in Bayern künftig unbegrenzt in Präventivhaft genommen werden können. Wie die SZ (Ronen Steinke) berichtet, sieht das von der bayerischen Staatsregierung beschlossene Anti-Terror-Paket vor, die bisher geltende Höchstdauer von 14 Tagen für den sogenannten Unterbindungsgewahrsam erstmals völlig aufzuheben. In einem Kommentar bezeichnet Ronen Steinke (SZ) dies als Einführung des Guantanamo-Prinzips und merkt an, dass dadurch die Unschuldsvermutung auf den Kopf gestellt werde.

Elektronische Signatur: Wie das Hbl (Heike Anger) schreibt, wartet der Onlinehandel zunehmend verunsichert auf das sogenannte Vertrauensdienstegesetz, das bestimmte Details der elektronischen Signatur entsprechend einer seit Mitte letzten Jahres geltenden EU-Verordnung regeln soll. Das deutsche Durchführungsgesetz stecke in der Ressortabstimmung fest.


Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 28. Februar 2017: Rennen war Mord / BGH zu Wechselmodell / Haftbefehl gegen Yücel . In: Legal Tribune Online, 28.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22201/ (abgerufen am: 05.05.2024 )

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