Die juristische Presseschau vom 16. Juli 2015: Vier Jahre Haft für Gröning – BVerfG zu Durch­su­chun­gen – Zschäpes YouTube-Ac­count

16.07.2015

Vier Jahre Haft für den früheren SS-Mann Oskar Gröning – und die Abkehr von der früheren Strafjustiz zum Holocaust. Außerdem in der Presseschau: BVerfG zur Eilkompetenz bei Durchsuchungen und die Debatte zum Kulturgutschutzgesetz.

Thema des Tages

Vier Jahre Haft für Gröning: Das Landgericht Lüneburg hat den früheren SS-Mann Oskar Gröning wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 300.000 Fällen zu vier Jahren Haft verurteilt. Gröning war von 1942 bis 1944 in der Verwaltung des Konzentrationslagers Auschwitz eingesetzt und tat Dienst an der Rampe, wo Deportierte selektiert wurden. Darin sah das Gericht strafrechtlich einschlägige Beihilfehandlungen. Fraglich ist nun, ob der 94-jährige Gröning tatsächlich ins Gefängnis muss – um seinen gesundheitlichen Zustand soll es nicht gut stehen. Den Prozess, die Schilderungen von Gröning aus der Zeit in Auschwitz, seinen Lebensweg und die Reaktionen der Nebenkläger resümieren die SZ (Hans Holzhaider), die FAZ (Alexander Haneke), spiegel.de (Wiebke Ramm) und die Zeit (Nora Bossong – Redaktionsschluss vor Urteilsspruch).

In den Augen Reinhard Müllers (FAZ) ist mit dem Prozess das "unbegreifliche Unrecht nach Jahrzehnten des Wiederaufbaus und Wegschauens wieder aufgeflackert". Joachim Käppner (SZ) hebt hervor, dass die Strafjustiz in entsprechenden Fällen lange nur verurteilt hat, wenn konkrete Morde nachgewiesen werden konnten. Anders heute: "Wer in einem Vernichtungsapparat dient, kann schwerlich behaupten, mit der Vernichtung nichts zu tun gehabt zu haben, nur weil er persönlich keines der Opfer erschlagen oder erschossen hat." Auch Klaus Hillenbrand (taz) begrüßt dies, habe doch die frühere Rechtsprechung stets "himmelschreiendes Unrecht" manifestiert. Gisela Friedrichsen (spiegel.de) hofft, dass dieses Urteil "ein- für allemal die unrühmliche Unentschlossenheit der deutschen Justiz" im Zusammenhang mit dem Holocaust abschließt.

Die Zeit druckt zudem die gekürzte Fassung eines Plädoyers der Nebenklage ab.

Rechtspolitik

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge: Weil eine angemessene Betreuung nicht mehr möglich sei, hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf gebilligt, nach dem unbegleitete minderjährige Flüchtlinge künftig auf die Bundesländern verteilt werden können. SZ (Constanze von Bullion), die Welt (Sabine Menkens) und taz (Josephine Schulz) berichten.

Kulturgutschutzgesetz: Auch Zeit (Thomas E. Schmidt) und SZ (Stephan Speicher) befassen sich mit der Diskussion um die Reform des Kulturgutschutzgesetzes. Mittlerweile hat Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) versucht, Gegner zu beschwichtigen, nachdem eine "kalte Enteignung" im Raum steht und einige Künstler ihre Dauerleihgaben aus Museen abziehen. Zugleich hat Grütters eine überarbeitete Version des Gesetzentwurfs für Mitte kommender Woche angekündigt.

Niklas Maak (FAZ) hält die Kritik für überzogen und sieht eine "Unfähigkeit, den Inhalt von Gesetzentwürfen zu begreifen". Joachim Jahn (FAZ) hingegen fordert angesichts eines "scharfen Eingriff" ins Privateigentum Klarstellungen und Entschädigungsregelungen im Gesetz.

Grüner Entwurf für Ausländerrechte: Der Welt (Matthias Kamann) liegt ein Gesetzentwurf der Grünen vor, der illegal in Deutschland lebenden Menschen Zugang zu Gerichten, Behörden und Ärzten verschaffen soll – ohne die Gefahr einer Abschiebung.

Bankenkredite: Banken sollen künftig die Bonität ihrer Kunden genauer prüfen können. Kann die Bank keine gründliche Prüfung nachweisen, können Kunden kündigen, ohne eine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen zu müssen. Dies sieht laut Handelsblatt (jha) ein vom Bundeskabinett verabschiedeter Gesetzentwurf vor.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 16. Juli 2015: Vier Jahre Haft für Gröning – BVerfG zu Durchsuchungen – Zschäpes YouTube-Account . In: Legal Tribune Online, 16.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16246/ (abgerufen am: 02.05.2024 )

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