Die juristische Presseschau vom 20. November 2013: Wendung im Fall Gurlitt – Brennelementesteuer vorm EuGH – Bundesversammlung als Quasi-Parlament

20.11.2013

Justiz

FG Hamburg – Brennelementesteuer: Im Rechtsstreit zwischen deutschen Energiekonzernen und der Bundesregierung über die Rechtmäßigkeit der Brennelementesteuer hat das Finanzgericht Hamburg den Fall wegen Zweifeln an der Europarechtskonformität der Steuer dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Nach Erläuterung der taz (Christian Rath) hatte das Gericht die Steuer bereits in einem ähnlichen Verfahren für verfassungswidrig gehalten und das Bundesverfassungsgericht angerufen. Von der Vorlage zum EuGH versprächen sich die Kraftwerkbetreiber nun insbesondere eine schnellere Entscheidung als aus Karlsruhe. Weitere Berichte finden sich bei lto.de, in der SZ (Markus Balser), der FAZ (Corinna Budras) und dem Handelsblatt (juf/HB).

BVerfG – Bundesversammlung: Das Bundesverfassungsgericht hat am Dienstag bekannt gegeben, am 11. Februar 2014 über die Organklage eines NPD-Politikers zu verhandeln, wonach die Bundesversammlung zur Bundespräsidentenwahl 2010 bzw. 2011 nicht korrekt zusammengesetzt gewesen sein soll. Wie Max Steinbeis (verfassungsblog.de) erläutert, werde von der Klage– unabhängig von der erkennbaren politischen Absicht dahinter – die spannende Frage aufgeworfen, ob die Bundesversammlung eine Art Quasi-Parlament sei, deren Mitglieder eines verfassungsrechtlich garantierten Schutzraums bedürfen. Auch die FAZ (Reinhard Müller) schildert die einzelnen Klagepunkte.

EuGH zu Gehaltserhöhung für EU-Beamte: Der Europäische Gerichtshof hat nach Meldung von lto.de entschieden, dass der Rat der EU im Jahr 2011 eine Gehaltserhöhung für EU-Beamte wegen der Wirtschaftskrise ablehnen durfte. Damit wurde die Streitfrage geklärt, ob Kommission oder Rat die Einschätzungsbefugnis über eine entsprechende Regelung im Statut der Beamten der EU zusteht. Laut FAZ (Corinna Budras, Hendrik Kafsack) hatten sich die EU-Organe bereits Anfang des Jahres wegen dieses Kompetenzstreits auf ein neues Statut geeinigt.

LAG Hessen – Deutsche Bank: Wie das Handelsblatt (M. Brackmann/P. Köhler. L. de la Motte/F. Specht) in seinem Titelthema berichtet, hat die Deutsche Bank Berufung beim Landesarbeitsgericht Hessen gegen ein Urteil eingelegt, wonach sie vier Händler wieder einstellen muss, die sie im Zuge der Affäre um Manipulationen des Referenzzinses Libor entlassen hatte. Während die Deutsche Bank von Fehlverhalten einzelner Händler spricht, hatte das Arbeitsgericht Frankfurt in seinem Urteil auch auf die Mitverantwortung des Arbeitgebers im Libor-Skandal verwiesen. Der Versuch der Bank, dem durch die Berufung entgegenzutreten, sei nicht ohne Risiko; schließlich seien schon in der Vorinstanz brisante Vorwürfe zutage getreten, denen nun auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht nachgehe.

Separat gibt das Handelsblatt (L. de la Motte/P. Köhler) einen Überblick über die Rechtsstreitigkeiten, mit denen die Deutsche Bank derzeit konfrontiert ist.

OLG München – NSU: Im NSU-Verfahren vor dem Oberlandesgericht München ist am Dienstag Brigitte Böhnhardt, deren Sohn Uwe zum NSU gehörte und zehn Menschen ermordet haben soll, als Zeugin vernommen worden. Wie spiegel.de (Gisela Friedrichsen) schildert, habe sie im Rahmen der Vernehmung Verschwörungstheorien geschmiedet, Behörden angeklagt, für die Opfer aber kein Wort des Bedauerns gefunden. Weitere Berichte finden sich u.a. bei tagesschau.de (Holger Schmidt), der FAZ (Karin Truscheit) und zeit.de (Tom Sundermann). Das weitere Vorgehen des Gerichts, sich mit Zeugen aus dem früheren Umfeld Beate Zschäpes ein Bild über die Angeklagte zu machen, erläutert separat die taz (Andreas Speit).

OLG Stuttgart zu Haftung von Wikipedia: Rechtsanwalt David Ziegelmayer referiert auf lto.de das über 200 Randnummer umfassende Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart von Anfang Oktober zur Haftung von Wikipedia für Persönlichkeitsverletzung in Artikeln des Online-Lexikons. Nach den vom Gericht aufgestellten Grundsätzen hafte Wikipedia für Falschbehauptungen nicht als sogenannter Content-Provider für eigene Informationen, sondern vielmehr – ähnlich einem Forenbetreiber – als Host-Provider. Beschwere sich allerdings ein Betroffener bei der Plattform, hafte Wikipedia fortan als Störerin.

LG Berlin zu Google: Das Landgericht Berlin hat auf Klage der Verbraucherzentrale Bundesverband 25 Nutzungs- und Datenschutzbestimmungen des Internetkonzerns Google für rechtswidrig erklärt. Wie zeit.de berichtet, seien die Klauseln zu unbestimmt formuliert gewesen oder hätten die Rechte der Verbraucher unzulässig eingeschränkt. Google wolle in Berufung gehen.

LG Kiel zu vertraglichem Verkaufsverbot: Nach einem Urteil des Landgerichts Kiel ist die Vertragsklausel eines Kameraherstellers, die Ware nicht auf Online-Plattformen wie eBay oder Amazon zum Verkauf anzubieten, kartellrechtswidrig. Wie internet-law.de (Thomas Stadler) erläutert, sei laut Gericht eine Beschränkung des erreichbaren Kundenkreises im Wege selektiver Vertriebssysteme zwar durchaus möglich. Weil der Hersteller seine Kameras aber auch direkt an Großhändler veräußere, liege ein selektives Vertriebssystem in diesem Fall nicht vor.

Bundesanwaltschaft – NSA: Nach Zacharias Zacharakis (zeit.de) zeichnet es sich ab, dass die Bundesanwaltschaft in der NSA-Spähaffäre kein förmliches Ermittlungsverfahren einleiten wird. So habe Generalbundesanwalt Harald Range im Rahmen eines Radiointerview geäußert, die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens könne im politisch-diplomatischen Bereich eine ganz schwerwiegende Nachricht sein. Damit werde laut Zacharakis die Chance vertan, ein Signal zu setzen, dass Datenschutz und Privatsphäre in Deutschland hohe Rechtsgüter sind, die über außenpolitischen Interessen stehen.

StA Osnabrück – HSH Nordbank: Unter Federführung der Staatsanwaltschaft Osnabrück wurden am Dientag bundesweit unter anderem Büros der HSH Nordbank durchsucht, um Beweise über die Geldströme eines dubiosen Windparkprojekts im italienischen Kalabrien sicherzustellen. Das Projekt, das von der HSH Nordbank zu hundert Prozent finanziert wurde, soll nach Einschätzung italienischer Ermittler von der kalabrischen Mafia zur Geldwäsche genutzt worden sein. Es berichten unter anderem spiegel.de (Francesco Sbano, Andreas Ulrich) und die SZ (Markus Balser).

Auch wenn es sich nur um einen Verdacht handele, und nicht gegen die Bank ermittelt werde, so stelle sich doch die Frage, wie die Bank dazu komme, fernab ihrer Heimatregion ein solches Projekt zu finanzieren, meint Johannes Ritter (FAZ).

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 20. November 2013: Wendung im Fall Gurlitt – Brennelementesteuer vorm EuGH – Bundesversammlung als Quasi-Parlament . In: Legal Tribune Online, 20.11.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10095/ (abgerufen am: 27.04.2024 )

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