Die Staatsanwaltschaft Augsburg will dem Kunstsammler Gurlitt die Bilder, die zweifelsfrei in seinem Eigentum stehen, unverzüglich zurückzugeben. Nur: Bei welchen ist das der Fall? Außerdem in der Presseschau: Beschlüsse der Justizministerkonferenz, Brennelementesteuer vorm EuGH, Verhandlung zur Stellung der Bundesversammlung, und warum ein humpelnder Mops einen Rechtsstreit auslöst.
Thema des Tages
Gurlitt-Kunstsammlung: Wie die SZ (Stefan Mayr) berichtet, will die Staatsanwaltschaft Augsburg nach Angaben des Leitenden Oberstaatsanwalts Reinhard Nemetz nun diejenigen Bilder aus der Sammlung von Cornelius Gurlitt, die zweifelsfrei in dessen Eigentum stehen, unverzüglich zurückgeben. Er habe die neu eingerichtete Taskforce gebeten, diese Bilder unverzüglich zu benennen.
Die Eigentumsverhältnisse der Bilder sind Gegenstand ausführlicher Beiträge. spiegel.de (Michael Sontheimer) differenziert nach der Herkunft der Bilder. Kaum strittig sei wohl die Eigentumsfrage bei etlichen Bildern von Louis Gurlitt, dem Landschaftsmaler und Urgroßvater von Cornelius Gurlitts. Die rund 380 Bilder, welche die Nazis staatlichen Museen als "Entartete Kunst" entzogen hatten, seien wohl legal und unanfechtbar in Gurlitts Besitz. Bezüglich der Raubkunst, also der Kunstwerke, die in besetzten europäischen Ländern beschlagnahmt oder Juden zu unsittlich niedrigen Preisen abgekauft wurden, bestehe aufgrund Zeitablaufs wohl keine rechtliche Grundlage zur Rückgabe mehr. Die SZ (Andreas Zielcke) und die FAZ (Julia Voss) stellen in ihren Analysen im Feuilleton die Rechtsfragen der Verjährung und des gutgläubigen Erwerbs "Entarteter Kunst" und Raubkunst in den Vordergrund.
Für Heribert Prantl (SZ) wirft die Ankündigung Fragen auf: Wenn sich so leicht feststellen lässt, welche Bilder unverdächtig sind, warum hat man sie nicht längst zurückgegeben? Und wenn es sich nicht so leicht feststellen lässt, warum hat man Eigentumsrecherchen nicht schon viel früher intensiv betrieben?
Rechtspolitik
Justizministerkonferenz: Die Justizminister der Länder haben auf ihrer Herbstkonferenz einen Vorstoß Nordrhein-Westfalens zur Einführung eines eigenen Unternehmensstrafrechts begrüßt. Wie die FAZ (Joachim Jahn) erläutert, soll nun insbesondere geprüft werden, ob eine solche Reform die internen Kontrollsysteme in Unternehmen stärken und damit zur Vermeidung von Straftaten beitragen würde. Weitere Vorschläge der Minister beziehen sich auf die sogenannte Schonfristregelung im Mietrecht, Sanktionen gegen Doping im Sport sowie Ermittlungen in sozialen Netzwerken. Nur "zur Kenntnis genommen" wurde dagegen der Vorschlag der Kieler Ministerin Anke Spoorendonk zur Überarbeitung des Mordparagraphen, dessen konkreter Wortlaut aus der Zeit des Nationalsozialismus stammt.
Oppositionsrechte: Die sich anbahnende Große Koalition wirft nach Einschätzung der Rechtsprofessorin Sophie-Charlotte Lenski auf verfassungsblog.de bereits jetzt einen dunklen Schatten auf die Minderheitenrechte der Opposition im Bundestag. So habe das Bundestagsplenum Entschließungsanträge der Fraktionen der Linken und der Grünen unter sehr zweifelhaftem Umgang mit den Regelungen der Geschäftsordnung an den Hauptausschuss verwiesen – gegen den Willen der Antragsteller, und obwohl ein solcher Ausschuss bislang noch gar nicht eingesetzt ist. Dies lasse befürchten, dass sich die Ankündigungen, die Rechte der Opposition mit besonderer Sorgfalt zu schützen, als leere Versprechungen erweisen könnten.
Datenschutz USA-EU: In den Gesprächen zwischen EU-Justizkommissarin Reding und dem amerikanischen Justizminister Holder über die Folgen der NSA-Abhöraffäre und ein mögliches Datenschutzabkommen soll es nach Berichten von spiegel.de (Gregor Peter Schmitz) und der FAZ (Andreas Ross) zu einer Annäherung gekommen sein. Nach Darstellung der SZ (Cerstin Gammelin) habe Redings Entourage erklärt, Holder habe "durchsickern lassen", er sei willens, darüber nachzudenken, EU-Bürgern die gleichen Datenschutzrechte zu gewähren wie Amerikanern. Bisher haben EU-Bürger keine Rechtsschutzmöglichkeit gegen die Nutzung ihrer Daten. Eine kritische Bewertung der Gesprächsergebnisse findet sich auf netzpolitik.org (Alexander Sander).
Justiz
FG Hamburg – Brennelementesteuer: Im Rechtsstreit zwischen deutschen Energiekonzernen und der Bundesregierung über die Rechtmäßigkeit der Brennelementesteuer hat das Finanzgericht Hamburg den Fall wegen Zweifeln an der Europarechtskonformität der Steuer dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Nach Erläuterung der taz (Christian Rath) hatte das Gericht die Steuer bereits in einem ähnlichen Verfahren für verfassungswidrig gehalten und das Bundesverfassungsgericht angerufen. Von der Vorlage zum EuGH versprächen sich die Kraftwerkbetreiber nun insbesondere eine schnellere Entscheidung als aus Karlsruhe. Weitere Berichte finden sich bei lto.de, in der SZ (Markus Balser), der FAZ (Corinna Budras) und dem Handelsblatt (juf/HB).
BVerfG – Bundesversammlung: Das Bundesverfassungsgericht hat am Dienstag bekannt gegeben, am 11. Februar 2014 über die Organklage eines NPD-Politikers zu verhandeln, wonach die Bundesversammlung zur Bundespräsidentenwahl 2010 bzw. 2011 nicht korrekt zusammengesetzt gewesen sein soll. Wie Max Steinbeis (verfassungsblog.de) erläutert, werde von der Klage– unabhängig von der erkennbaren politischen Absicht dahinter – die spannende Frage aufgeworfen, ob die Bundesversammlung eine Art Quasi-Parlament sei, deren Mitglieder eines verfassungsrechtlich garantierten Schutzraums bedürfen. Auch die FAZ (Reinhard Müller) schildert die einzelnen Klagepunkte.
EuGH zu Gehaltserhöhung für EU-Beamte: Der Europäische Gerichtshof hat nach Meldung von lto.de entschieden, dass der Rat der EU im Jahr 2011 eine Gehaltserhöhung für EU-Beamte wegen der Wirtschaftskrise ablehnen durfte. Damit wurde die Streitfrage geklärt, ob Kommission oder Rat die Einschätzungsbefugnis über eine entsprechende Regelung im Statut der Beamten der EU zusteht. Laut FAZ (Corinna Budras, Hendrik Kafsack) hatten sich die EU-Organe bereits Anfang des Jahres wegen dieses Kompetenzstreits auf ein neues Statut geeinigt.
LAG Hessen – Deutsche Bank: Wie das Handelsblatt (M. Brackmann/P. Köhler. L. de la Motte/F. Specht) in seinem Titelthema berichtet, hat die Deutsche Bank Berufung beim Landesarbeitsgericht Hessen gegen ein Urteil eingelegt, wonach sie vier Händler wieder einstellen muss, die sie im Zuge der Affäre um Manipulationen des Referenzzinses Libor entlassen hatte. Während die Deutsche Bank von Fehlverhalten einzelner Händler spricht, hatte das Arbeitsgericht Frankfurt in seinem Urteil auch auf die Mitverantwortung des Arbeitgebers im Libor-Skandal verwiesen. Der Versuch der Bank, dem durch die Berufung entgegenzutreten, sei nicht ohne Risiko; schließlich seien schon in der Vorinstanz brisante Vorwürfe zutage getreten, denen nun auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht nachgehe.
Separat gibt das Handelsblatt (L. de la Motte/P. Köhler) einen Überblick über die Rechtsstreitigkeiten, mit denen die Deutsche Bank derzeit konfrontiert ist.
OLG München – NSU: Im NSU-Verfahren vor dem Oberlandesgericht München ist am Dienstag Brigitte Böhnhardt, deren Sohn Uwe zum NSU gehörte und zehn Menschen ermordet haben soll, als Zeugin vernommen worden. Wie spiegel.de (Gisela Friedrichsen) schildert, habe sie im Rahmen der Vernehmung Verschwörungstheorien geschmiedet, Behörden angeklagt, für die Opfer aber kein Wort des Bedauerns gefunden. Weitere Berichte finden sich u.a. bei tagesschau.de (Holger Schmidt), der FAZ (Karin Truscheit) und zeit.de (Tom Sundermann). Das weitere Vorgehen des Gerichts, sich mit Zeugen aus dem früheren Umfeld Beate Zschäpes ein Bild über die Angeklagte zu machen, erläutert separat die taz (Andreas Speit).
OLG Stuttgart zu Haftung von Wikipedia: Rechtsanwalt David Ziegelmayer referiert auf lto.de das über 200 Randnummer umfassende Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart von Anfang Oktober zur Haftung von Wikipedia für Persönlichkeitsverletzung in Artikeln des Online-Lexikons. Nach den vom Gericht aufgestellten Grundsätzen hafte Wikipedia für Falschbehauptungen nicht als sogenannter Content-Provider für eigene Informationen, sondern vielmehr – ähnlich einem Forenbetreiber – als Host-Provider. Beschwere sich allerdings ein Betroffener bei der Plattform, hafte Wikipedia fortan als Störerin.
LG Berlin zu Google: Das Landgericht Berlin hat auf Klage der Verbraucherzentrale Bundesverband 25 Nutzungs- und Datenschutzbestimmungen des Internetkonzerns Google für rechtswidrig erklärt. Wie zeit.de berichtet, seien die Klauseln zu unbestimmt formuliert gewesen oder hätten die Rechte der Verbraucher unzulässig eingeschränkt. Google wolle in Berufung gehen.
LG Kiel zu vertraglichem Verkaufsverbot: Nach einem Urteil des Landgerichts Kiel ist die Vertragsklausel eines Kameraherstellers, die Ware nicht auf Online-Plattformen wie eBay oder Amazon zum Verkauf anzubieten, kartellrechtswidrig. Wie internet-law.de (Thomas Stadler) erläutert, sei laut Gericht eine Beschränkung des erreichbaren Kundenkreises im Wege selektiver Vertriebssysteme zwar durchaus möglich. Weil der Hersteller seine Kameras aber auch direkt an Großhändler veräußere, liege ein selektives Vertriebssystem in diesem Fall nicht vor.
Bundesanwaltschaft – NSA: Nach Zacharias Zacharakis (zeit.de) zeichnet es sich ab, dass die Bundesanwaltschaft in der NSA-Spähaffäre kein förmliches Ermittlungsverfahren einleiten wird. So habe Generalbundesanwalt Harald Range im Rahmen eines Radiointerview geäußert, die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens könne im politisch-diplomatischen Bereich eine ganz schwerwiegende Nachricht sein. Damit werde laut Zacharakis die Chance vertan, ein Signal zu setzen, dass Datenschutz und Privatsphäre in Deutschland hohe Rechtsgüter sind, die über außenpolitischen Interessen stehen.
StA Osnabrück – HSH Nordbank: Unter Federführung der Staatsanwaltschaft Osnabrück wurden am Dientag bundesweit unter anderem Büros der HSH Nordbank durchsucht, um Beweise über die Geldströme eines dubiosen Windparkprojekts im italienischen Kalabrien sicherzustellen. Das Projekt, das von der HSH Nordbank zu hundert Prozent finanziert wurde, soll nach Einschätzung italienischer Ermittler von der kalabrischen Mafia zur Geldwäsche genutzt worden sein. Es berichten unter anderem spiegel.de (Francesco Sbano, Andreas Ulrich) und die SZ (Markus Balser).
Auch wenn es sich nur um einen Verdacht handele, und nicht gegen die Bank ermittelt werde, so stelle sich doch die Frage, wie die Bank dazu komme, fernab ihrer Heimatregion ein solches Projekt zu finanzieren, meint Johannes Ritter (FAZ).
Recht in der Welt
USA – Milliardengeldbuße von JP Morgan: Die SZ (Niklaus Piper) widmet sich in ihrem Tagesthema der Einigung zwischen der US-Bank JP Morgan Chase und dem amerikanischen Justizministerium auf eine Rekordgeldbuße von circa 13 Milliarden Dollar wegen des Verkaufs hochriskanter Wertpapiere vor Ausbruch der Finanzkrise. Das Verfahren sei ein Beispiel dafür, welche Möglichkeiten die amerikanische Justiz im Wirtschaftsrecht hat. Staatsanwälte könnten, ebenso wie die Börsenaufsicht SEC, Zivilklagen einreichen, die leichter zu gewinnen seien als ein Strafprozess.
In einem separaten Beitrag spekuliert die SZ (Andrea Rexer) über Strafzahlungen, die wegen ähnlicher Geschäfte auf die Deutsche Bank zukommen könnten.
Russland – Greenpeace-Aktivisten: Nach Meldung spiegel.de hat die russische Justiz am Dienstag erstmals mehrere ausländische Besatzungsmitglieder der "Artic Sunrise" nach monatelanger Haft unter Auflagen freigelassen. Sie sind wegen des Protestes gegen Ölbohrungen in der Arktis wegen "Rowdytums" angeklagt.
Türkei – Verfassungsreform: Die SZ (Christiane Schlötzer) befasst sich mit dem Scheitern der Verfassungsreform in der Türkei. Die Parlamentskommission, die seit zwei Jahren an dem Werk arbeitet, soll ohne Ergebnis aufgelöst werden. Eine neue Verfassung, die auch den Kurden und anderen Minderheiten in der Türkei mehr Rechte geben sollte, war eines der zentralen Versprechen von Premier Erdogan nach der Parlamentswahl im Juni 2011.
Sonstiges
Aushorchen von Asylbewerbern: Nach Recherchen der SZ (C. Fuchs/J. Goetz/ H. Leyendecker/K. Ott/N. Schenck/T. Schultz, Zusammenfassung auf sueddeutsche.de) fragt die geheimnisumwitterte "Hauptstelle für Befragungswesen", die dem Kanzleramt untersteht, Asylsuchende in Deutschland über mutmaßliche islamistische Terrorgruppen aus. Wer mit der Hauptstelle kooperiere, werde oft mit einer schnellen Anerkennung als Asylbewerber belohnt. Nach Ansicht des Frankfurter Asylrechtsanwalt und Mitbegründers der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl, Victor Pfaff, verstoße diese verdeckte Informationssammlung im Rahmen des Asylverfahrens gegen deutsches und europäisches Asylrecht sowie gegen die Genfer Flüchtlingskonvention.
Schienenkartell: In dem sogenannten "Schienenkartell", in dem Stahlbetriebe jahrelang ihre Preise abgesprochen und überhöhte Rechnungen gestellt haben sollen, haben sich die Thyssen-Krupp AG und die Deutsche Bahn nun vergleichsweise auf die Zahlung einer Schadensersatzsumme von mehr als 150 Millionen Euro geeinigt. Die SZ (Kirsten Bialdiga/Klaus Ott) und das Handelsblatt (Martin Murphy) berichten. Mit dem Vergleich werde eine vor einem Jahr von der Bahn eingereichte Schadensersatzklage teilweise hinfällig.
Das Letzte zum Schluss
Humpelnder Mops: Vor dem Amtsgericht Ingolstadt fordert eine Hundebesitzerin Schadensersatz für ihre Mops-Hündin, die an Arthrose leidet und nur mit Schmerzmitteln und Akupunktur ein einigermaßen erträgliches Leben führen kann. Auf das Angebot der Züchterin, ihr in einigen Jahren einen anderen Mops aus ihrer Zucht zu geben, habe sie nicht eingehen wollen: "Emma ist für mich ein Familienmitglied." Auch einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag lehnte die Klägerin laut welt.de (Paul Winterer) ab, so dass nun ein Sachverständigengutachten klären muss, ob die Arthrose genetisch bedingt ist oder nicht.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/js
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 20. November 2013: Wendung im Fall Gurlitt – Brennelementesteuer vorm EuGH – Bundesversammlung als Quasi-Parlament . In: Legal Tribune Online, 20.11.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10095/ (abgerufen am: 27.04.2024 )
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