Die juristische Presseschau vom 21. Januar 2016: Flücht­lings-Ober­g­renze in Öst­er­reich / EU-Bürger haben Recht auf Sozial­hilfe / Isla­mis­ten­-Pro­zess in Düs­sel­dorf

21.01.2016

Justiz

BSG zu Sozialleistungen für EU-Bürger: Das Bundessozialgericht hat am gestrigen Mittwoch erneut entschieden, dass EU-Bürger nicht vollständig von Sozialleistungen ausgeschlossen werden dürfen. Zwar könnten die Jobcenter in bestimmten Fällen die Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II verweigern. Dann müssten jedoch Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII geprüft werden, wobei das den Behörden eingeräumte Ermessen nach sechsmonatigem Aufenthalt auf Null reduziert sei. Dies berichten lto.de (Christian Stolz) und die FAZ (Joachim Jahn).

EuGH zu Kartellbehörden: Die EU-Staaten sind hinsichtlich "Kronzeugenregelungen" für Unternehmen, die Kartellrechtsverstöße zugeben, nicht an die Beschlüsse des Europäischen Wettbewerbsnetz (ECN) gebunden. Dieser Arbeitskreis, bestehend aus nationalen Wettbewerbsbehörden und EU-Kommission, kann zwar ebenfalls Kartellverstöße verfolgen und Kronzeugenregelungen aufstellen. Wenn es jedoch bereits eine nationalstaatliche Regelung gibt, geht diese vor, und die Meldung beim ECN führt im Zweifel nicht zu Straffreiheit, entschied der EuGH laut einem Bericht von lto.de (Ulrich Soltész) und der FAZ (Joachim Jahn).

BGH zu Vorfälligkeitsentschädigung: Das Urteil des Bundesgerichtshofs, wonach Sondertilgungen der Verbraucher bei vorzeitigen Darlehensrückzahlungen in die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung einfließen müssen, wenn durch die Bank Sondertilgungsrechte eingeräumt worden waren, wird nun auf lto.de (Jochen Strohmeyer) ausführlich besprochen. Maßgebliches Argument ist, dass es zu einer Überkompensation der Bank führe, wenn Sondertilgungsrechte bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung generell nicht zu berücksichtigen wären.

BGH zu Gebühren- und Vergütungsvereinbarungen: Rechtsanwalt Hans-Jochem Mayer befasst sich auf blog.beck.de mit einem Urteil des Bundesgerichtshofs, in dem es um die Voraussetzungen von formfreien Vergütungsvereinbarung für anwaltliche Beratungstätigkeiten gemäß § 34 RVG geht. Zudem definiert das Gericht, wann eine Vergütungsvereinbarung von anderen Vereinbarungen mit Ausnahme der Auftragserteilung im Sinne von § 3 a I 2 RVG deutlich abgesetzt ist.

BGH zu Genossenschaft als Zwischenmieterin: § 565 BGB normiert, dass im Falle einer Zwischenvermietung nach deren Ende der Vermieter in die Rechte und Pflichten des Zwischenmieters aus dem Vertrag mit dem Dritten eintritt – der Dritte also geschützt ist. Das gilt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs jedoch nicht, wenn die Zwischenmieterin eine Genossenschaft ist, meldet lto.de (Ulf Nadarzinski).

BVerwG zu Säumniszuschlägen bei einstweiligem Rechtsschutz: Säumniszuschläge, die bei Nichtzahlung kraft Gesetzes anfallen, müssen nicht beglichen werden, wenn der Betroffene im gerichtlichen Eilverfahren die aufschiebende Wirkung des Bescheids erreicht. Das entschied jetzt das Bundesverwaltungsgericht nach einer Meldung von lto.de.

OLG München – NSU: Am 256. Verhandlungstag im Münchner Terroristenprozess ist der Staatsanwalt Gerwin Moldenhauer als Zeuge über die Erkenntnisse zur Aufklärungshilfe durch die Mitangeklagten Carsten S. und Holger G. gehört worden und hatte viel Lob für diese übrig. "Ohne die Angaben von Herrn G. hätte der dringende Tatverdacht gegen Herrn Wohlleben und später auch gegen Herrn Carsten S. nicht begründet werden können", sagte der Beamte nach einem Bericht von spiegel.de (Wiebke Ramm). Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe will sich indes am heutige Donnerstag erneut zu den Fragen des Vorsitzenden Richters äußern, meldet die taz (Konrad Litschko).

OLG Düsseldorf – Islamistenprozess: Zum Beginn des Prozesses um die sogenannte Lohberger Brigade hat der 25-jährige Angeklagte viel über seine schwierige Jugendzeit, aber wenig über seine Radikalisierung und seine Erfahrungen als Kämpfer beim "Islamischen Staat" in Syrien erzählt, berichten die FAZ (Reiner Burger) und die SZ (Kristiana Ludwig). Ihm wird vorgeworfen, sich von Oktober 2013 bis November 2014 in Syrien aufgehalten und dort verschiedene Funktionen übernommen zu haben – unter anderem soll er im "Sturmtrupp" gewesen sein, auch "Gestapo des IS" genannt. Er gilt als einer der wichtigsten Zeugen der islamistischen Szene in Deutschland, der in anderen Verfahren bereits über IS-Organisationsstrukturen und Zusammenhänge ausgesagt hat.

OLG Frankfurt – Schadensersatz für Kachelnmann: Im Schadensersatzprozess des ehemaligen Wettermoderators Jörg Kachelmann gegen seine Ex-Geliebte deutete der Vorsitzende Richter an, dass Aussicht auf Erfolg bestehe. Kachelmann fordert 13.352,69 Euro für den Ersatz von Gutachterkosten im Strafprozess, der gegen ihn wegen eines Vergewaltigungsvorwurfs geführt worden war, von dem er letztlich freigesprochen wurde. Zur ausschlaggebenden Frage der Herkunft von Verletzungen der Frau wurde ein Gutachter gehört, berichtet lto.de.

LG Augsburg zu Uli Hoeneß: Auf Beck-Blog beschäftigt sich Rechtsprofessor Henning Ernst Müller mit den Voraussetzungen der Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung nach § 57 Abs.2 Nr. 2 des Strafgesetzbuches und kommt zu dem Ergebnis, dass die Strafvollstreckungskammer die Norm richtig angewandt habe.

Generalbundesanwalt – Islamistischer Terror: Die Bundesanwaltschaft hat im vergangenen Jahr in 136 Verfahren gegen 199 Beschuldigte geführt, denen Beteiligung am islamistischen Terror vorgeworfen wird – das stellt im Vergleich zum Vorjahr einen sprunghaften Anstieg dar. Generbundesanwalt Peter Frank bekräftigte, die Teilnahme am Bürgerkrieg in Syrien und im Irak sei keine Bagatelle und würde konsequent geahndet; mittlerweile seien 17 Anklagen erhoben worden und sieben Urteile ergangen. Da die direkte Beteiligung an Tötungshandlungen oft sehr viel schwerer nachzuweisen sei als der Aufenthalt in Kriegsgebieten, sprach sich der Generalbundesanwalt für eine Bestrafung auch wegen indirekter Handlungen, die einen Beitrag zur Tötung leisteten, aus, berichtet die SZ (Wolfgang Janisch).

Untätigkeitsklagen gegen das BAMF: Weil ihre Asylanträge teilweise seit über einem Jahr unbearbeitet geblieben sind, haben mehr als 200 Asylbewerber insbesondere aus Syrien und Eritrea vor den Verwaltungsgerichten in Nordrhein-Westfalen Klagen gegen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eingereicht, wie spiegel.de meldet. Die langen Wartezeiten und die Ungewissheit seien eine große Belastung. Dies sehe auch der nordrhein-westfälische Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) ein.

StA Verden – 3. Generation RAF: Angesichts der mutmaßlichen neuen Straftaten von Mitgliedern der RAF meint Reinhard Müller (FAZ), der Rechtsstaat werde dies aushalten. Es müsse hart gegen jede Art von Gewalt durchgegriffen werden, allerdings hätten viele der teilweise erheblichen Bedrohungen in Europa "die Freiheit der Bürger und das Funktionieren der staatlichen Organe bislang nicht wesentlich beeinträchtigen können".

Wolfgang Schnur gestorben: DDR-Anwalt Wolfgang Schnur ist im Alter von 71 Jahren verstorben. Schnur, der für seinen Einsatz für DDR-Bürgerrechtler und Dissidenten bekannt wurde, war auch Gründer der Oppositionsbewegung Demokratischer Aufbruch – und machte Angela Merkel zu seiner Pressesprecherin, womit ihr Aufstieg in der Politik begann. Nachdem er als Stasi-Spitzel enttarnt worden war, wurde ihm 1993 die Anwaltszulassung entzogen. Hierzu schreiben Joachim Käppner (SZ) und die FAZ.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 21. Januar 2016: Flüchtlings-Obergrenze in Österreich / EU-Bürger haben Recht auf Sozialhilfe / Islamisten-Prozess in Düsseldorf . In: Legal Tribune Online, 21.01.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18203/ (abgerufen am: 16.05.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen