Die juristische Presseschau vom 21. Januar 2016: Flücht­lings-Ober­g­renze in Öst­er­reich / EU-Bürger haben Recht auf Sozial­hilfe / Isla­mis­ten­-Pro­zess in Düs­sel­dorf

21.01.2016

Österreich beschließt Flüchtlings-Obergrenze, Deutschland diskutiert über Konsequenzen in Europa. Außerdem in der Presseschau: BSG bestätigt Sozialhilfe-Ansprüche von EU-Bürgern und Asylsuchende klagen gegen das BAMF.

Thema des Tages

Flüchtlingspolitik – Obergrenze: Österreich will ab sofort die Zahl der aufzunehmenden Flüchtlinge begrenzen – in den kommenden vier Jahren sollen nur noch 127.500 Menschen Zuflucht finden, im Jahr 2016 nur 37.500. Darauf einigten sich Bund, Länder und Kommunen auf einem Asylgipfel am Mittwoch. Zu den Möglichkeiten rechtskonformer Umsetzung und Kontrolle soll es noch zwei Rechtsgutachten geben, bevor Details beschlossen werden. Absprachen mit den Nachbarstaaten stünden noch aus. In Deutschland beharrte Bundeskanzlerin Angela Merkel angesichts dieser Nachrichten auf ihrem Standpunkt, hier werde es eine Obergrenze nicht geben. Stattdessen sei eine europäische Lösung gefragt. Bundespräsident Gauck forderte alle EU-Staaten auf, sich an der Aufnahme von Flüchtlingen zu beteiligen. Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) sprachen sich für eine europaweite Einigung über die Verteilung der Flüchtlinge aus. Die Flüchtlingskrise "wäre keine Krise, wenn sich alle Länder beteiligen würden." Vor diesem Hintergrund sei Österreichs Entscheidung verständlich. Es berichteten die SZ (C. Kahlweit u.a.), die taz (Ralf Leonhard) und spiegel.de.

Heribert Prantl (SZ) meint, diejenigen, die Bundeskanzlerin Merkel für ihre Ablehnung einer Obergrenze kritisierten, wüssten, dass ihr Weg letztlich der richtige sei. Die "Renationalisierung des innereuropäischen Grenzregimes [sei] auch dann ein Fehler, wenn die anderen EU- Staaten diesen Fehler ebenfalls" machten.

Unterdessen haben sich mehrere hochrangige Juristen zur Diskussion um die Obergrenze geäußert, wie die BerlZ (Christian Bommarius) zusammenfasst: So bekräftigte etwa Bundesverfassungsgerichts-Präsident Andreas Voßkuhle im Deutschlandfunk, dass eine Obergrenze unzulässig sein, weil das Asylrecht unbegrenzt für jedermann gelte. Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio hingegen ist der Ansicht, Deutschland sei nicht verpflichtet, allen Menschen weltweit Schutz zu gewähren, indem die Einreise faktisch oder rechtlich ermöglicht würde. Eine solche unbegrenzte Rechtspflicht bestehe weder europarechtlich noch völkerrechtlich. Im Gegensatz sei die Bundesregierung zur Sicherung der Landesgrenzen der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, wenn das europäische Grenzsicherungs- und Einwanderungssystem nicht funktioniere.

Flüchtlingspolitik – EU-Recht: In einem Gastbeitrag in der FAZ beleuchtet der Rechtsprofessor Daniel Thym die Diskussion um nationalstaatliche Alleingänge verschiedener EU-Mitgliedstaaten zu Grenzkontrollen vor dem Hintergrund des europäischen Flüchtlingsrechts. Die Möglichkeiten der Mitgliedsstaaten seien durch europarechtliche Vorgaben stark eingeschränkt, die auch Deutschland maßgeblich voran getragen habe. Gleichzeitig aber wären Grenzschließungen auch nach deutschem Recht problematisch – die Lösung müsse auf europäischer oder internationaler Ebene gefunden werden, auch wenn das schwierig sei. Gleichzeitig berichtet die SZ (Cerstin Gammelin) darüber, dass der "Konvent für Deutschland", bestehend aus früheren Spitzenpolitikern, die Missachtung des EU-Rechts durch die Bundesregierung massiv kritisiere. Die Dublin-Abkommen seien "massiv gescheitert", die Schengen-Grenzen seien gefährdet, und Europa werde zunehmend als "rechtsfreier Raum" wahrgenommen. Es bedürfe eines einheitlichen europäischen Asylrechts, wobei das deutsche Grundgesetz jedoch ein ernsthaftes Hindernis darstelle.

Rechtspolitik

Lobbyisten im Bundestag: Im Streit um die Verteilung von Bundestags-Hausausweisen an Interessenvertreter von Firmen und Verbänden hat der Bundestag beschlossen, ein neues Verfahren und mehr Transparenz bei der Vergabe einführen zu wollen. Auf eine Informationsklage hin war im Dezember erstmals offengelegt worden, welche Lobbyisten über Hausausweise verfügten. Die Hälfte erhielten bislang Organisationen von der offiziellen Verbändeliste, die andere Hälfte Vertreter von Firmen, Parteien und parteinahen Stiftungen. Dies berichtet der Tsp (Jost Müller-Neuhof).

EU-Kommission und Fahrzeugkontrollen: Die EU-Kommission möchte in Zukunft das Recht eingeräumt bekommen, selbst Autos vom Markt zu nehmen. Als Reaktion auf die Affäre um manipulierte Abgaswerte wolle sie "nicht-konforme Autos im Falle eines Sicherheitsrisikos oder einer Umweltschädigung" aus dem Verkehr ziehen können. Auch die Mitgliedsstaaten und ihre technischen Prüforganisationen, etwa der TÜV, sollen durch die EU-Kommission überprüft und gegebenenfalls gerügt werden können, meldet die SZ (mbal).

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 21. Januar 2016: Flüchtlings-Obergrenze in Österreich / EU-Bürger haben Recht auf Sozialhilfe / Islamisten-Prozess in Düsseldorf . In: Legal Tribune Online, 21.01.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18203/ (abgerufen am: 29.04.2024 )

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