Die juristische Presseschau vom 18. Dezember 2013: BVerfG billigt Kohle-Enteignungen – BVerwG zu Haarlänge bei Soldaten – BGH moniert teuren Kontoauszug

18.12.2013

Es gibt kein "Recht auf Heimat", und Karlsruhe macht keine Energiepolitik - das BVerfG hat zum Braunkohletagebau entschieden. Außerdem in der Presseschau: Bundesdatenschutzbeauftragte schon unter Beschuss, BVerwG zu Soldatenhaaren, BGH zu überhöhten Bankgebühren, EGMR zur straffreien Leugnung eines Völkermords, und wie ein griechischer Ex-Minister im Verkehr gleich drei Mal in flagranti ertappt wurde.

Tagesthema

BVerfG zu Garzweiler II: Das Bundesverfassungsgericht hat über Verfassungsbeschwerden eines Bürgers sowie des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND) gegen den Braunkohletagebau Garzweiler II entschieden. Gemessen wurden die angegriffenen Umsiedlungen am Grundrecht auf Eigentum.  Enteignungen zur Gewinnung von Rohstoffen für den Energiemarkt seien zulässig. Ob der Abbau von Braukohle dem Allgemeinwohl diene, müsse die Politik entscheiden. Ein aus Artikel 11 Grundgesetz abgeleitetes "Recht auf Heimat" lehnte das BVerfG ab. Das Grundrecht auf Freizügigkeit schütze nur, "wo jeder seinen Aufenthalt und Wohnsitz nehmen" könne. Indes müsse betroffenen Bürgern frühzeitig eine Klagemöglichkeit zustehen, namentlich bereits gegen die Zulassung eines "Rahmenbetriebsplanes". Karlsruhe bestätigte dabei ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2006. Es berichten unter anderem SZ (Wolfgang Janisch), taz (Christian Rath), FAZ (Reiner Burger) und spiegel.de (Jörg Diehl).

"My Home ist not my Castle", kommentiert Maximilian Steinbeis (Verfassungsblog). Bei dem Gedanken, dass eine "Zwangsumsiedlung" stattfinden könne, solange die Behörden "das Allgemeinwohl im Sinn haben (…) und ein nachdenkliches Gesicht machen", werde ihm ganz anders. Wolfgang Janisch (SZ) bedauert, dass die Verfassungsrichter am Ende doch die Courage verlassen habe und sie kein "Recht auf Heimat" formulierten. "So ist es richtig", findet Reinhard Müller (FAZ): Über die Energiegewinnung entscheide der Souverän durch das Parlament und nicht das Bundesverfassungsgericht. Die Stärkung des Rechtsschutzes begrüßt Müller indes: "Rechtsschutz, der einen Rechtsbruch gar nicht mehr verhindern (…) kann", sei nämlich keiner.

Rechtspolitik

Interview Leutheusser-Schnarrenberger: Die scheidende Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) spricht zum Abschluss ihrer Amtszeit mit lto.de (Pia Lorenz/Claudia Kornmeier) über die schwarz-roten Pläne zur Vorratsdatenspeicherung - "ein grotesk falsches Signal" - die Wirkung des Gutachtens des Generalanwaltes am Europäischen Gerichtshof und warum Datenschützer heute wenigstens nicht mehr als Sicherheitsrisiko gesehen würden. Beim Recht der Unterbringung, bei den eingetragenen Lebenspartnerschaften und bei Rechten für Intersexuelle wäre sie gern noch gestalterisch aktiv gewesen. Außerdem geht es um ihre Zukunft, eventuell als Generalsekretärin des Europarats, und die Zukunft der FDP.

Justizminister Maas: Die Aufgaben des neuen Justizministers Heiko Maas (SPD) beleuchtet die FAZ (Peter Carstens). Mit der Umsetzung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung sowie der Reform des Prostitutionsgesetzes sei er für zwei politisch brisante Vorhaben verantwortlich. Erstmals sei dem Justizministerium auch der Verbraucherschutz "zugeschlagen" worden. Außerdem werden noch weitere im Koalitionsvertrag vereinbarte Vorhaben aufgezählt, von der bürgernahen und effizienten Gestaltung des Zivilprozesses bis zur Stärkung der Bundesanwaltschaft.

telepolis.de (Peter Mühlbauer) kritisiert Maas: Er sei "kein Freund von Freiheitsrechten" und habe in der Vergangenheit nicht nur ein Verbot von Paintball und PC-"Killerspielen" befürwortet, sondern auch die umstrittenen Internetsperren.

Erstes Gesetz der Koalition: Wie das Handelsblatt (Peter Thelen) informiert, soll noch in dieser Woche ein Gesetz im Bundestag verabschiedet werden, um das bereits im Jahr 2010 eingeführte Preiserhöhungsverbot für die Pharmaindustrie zu verlängern. Der Bundesrat solle das Gesetz in seiner letzten Sitzung in diesem Jahr am morgigen Donnerstag verabschieden. Dazu auch spiegel.de sowie die FAZ (Andreas Mihm).

Neue Datenschutzbeauftragte: Thomas Stadler (internet-law.de) fragt sich, was die neue Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff (CDU) für eben diese Position qualifiziert. Die Juristin habe in ihren 15 Jahren als Bundestagsabgeordnete "alle bürgerrechtsfeindlichen Gesetzesvorhaben (…) mitgetragen". Das Handelsblatt (Dietmar Neuerer) sieht in Voßhoff "die umstrittenste Personalie der neuen Bundesregierung".

"No-Spy"-Abkommen: Die Bundesregierung hat einen Bericht der New York Times dementiert, wonach das geplante "No-Spy"-Abkommen zwischen Deutschland und den USA endgültig vom Tisch sei, spiegel.de informiert. Die FAZ (Andreas Ross) schildert den Hintergrund: "je mehr Regierungen darauf pochen, dass sich die Amerikaner zurückhalten, desto heikler wird es für das Weiße Haus, nur den deutschen Freunden Zusicherungen zu geben."

Kein Presseauskunftsgesetz: Ein von der SPD-Bundestagsfraktion erarbeiteter Entwurf zu einem Presseauskunftsgesetz ist laut telepolis.de (Helmut Lorscheid) nach Widerstand aus der Union nicht in den schwarz-roten Koalitionsvertrag aufgenommen worden. Der Entwurf war eine Reaktion auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Februar 2013, wonach die Auskunftspflichten der Landespressegesetze nicht für Bundesbehörden wie den Bundesnachrichtendienst gelten.

Vorratsdatenspeicherung: Rechtsprofessor Daniel Thym befasst sich auf dem Verfassungsblog mit den möglichen Folgen der ausstehenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zur Vorratsdatenspeicherung. Thym betrachtet drei Alternativen zur Regelung der Datenverwendung: rein mitgliedstaatliche Regelung, Spielraum für die mitgliedstaatlichen Gesetzgeber mit Kontrolle durch den Europäischen Gerichtshof oder eine Regelung durch den EU-Gesetzgeber, wie es Generalanwalt Cruz Villalón vorschlage. Weiter stelle sich die Frage, ob der Deutsche Bundestag die Richtlinie derzeit umsetzen müsse. Thym bejaht dies, solange sie nicht für nichtig erklärt wurde.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 18. Dezember 2013: BVerfG billigt Kohle-Enteignungen – BVerwG zu Haarlänge bei Soldaten – BGH moniert teuren Kontoauszug . In: Legal Tribune Online, 18.12.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10395/ (abgerufen am: 07.05.2024 )

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