Die juristische Presseschau vom 18. Juni 2014: Keine Helmpflicht durch die Hintertür – Grundgesetzänderung zur Hochschulfinanzierung – Bettelverbot in Norwegen

18.06.2014

Wer ohne Helm Fahrrad fährt, hat deshalb noch keine Mitschuld an den Schäden eines Unfalls, entschied der BGH am gestrigen Dienstag. Außerdem in der Presseschau: das Kooperationsverbot bei der Hochschulfinanzierung soll weichen, kein Beweisverwertungsverbot beim Mithören durch Telefonlautsprecher, Norwegen will ein Bettelverbot einführen, und wie das Übergewicht beim Drogenschmuggel dienlich sein kann.

Thema des Tages

BGH zu Mitverschulden: Eine gesetzliche Pflicht zum Tragen von Fahrradhelmen gibt es nicht. Doch das Oberlandesgericht Schleswig hatte letztes Jahr den Schadensersatzanspruch einer Klägerin um 20 Prozent gekürzt, weil sie beim Unfall keinen Fahrradhelm getragen hatte. Auf die Revision hin, hat der Bundesgerichtshof am gestrigen Dienstag entschieden, dass eine Obliegenheit zum Tragen eines Helms derzeit nicht besteht, meldet spiegel.de.

Geklagt hatte eine Frau, die beim Zusammenstoß mit einer plötzlich vor ihr geöffneten Autortür vom Fahrrad gestürzt war und sich schwere Kopfverletzungen zugezogen hatte. Während das OLG Schleswig noch darauf abstellte, dass das Tragen eines Helms zu den üblichen Schutzmaßnahmen eines ordentlichen und vernünftigen Fahrradfahrers gehöre, lehnte der BGH diese Ansicht ab. Die Richter argumentierten, dass ein Mitverschulden sich weder aus einer gesetzlichen Pflicht noch aus einem allgemeinen Verkehrsbewusstsein ergebe. Dabei habe sich das Gericht auf Statistiken berufen, wonach lediglich elf Prozent aller Fahrradfahrer mit Helm unterwegs seien. Die SZ (Jan Bielicki), taz (Christian Rath) und FAZ (Joachim Jahn) stellen den Fall und das Urteil ausführlich dar. Die gesetzliche Einführung einer Helmpflicht sei zudem nicht geplant.

Alfred Scheidler fasst auf lto.de anlässlich des Urteils die bisherige Rechtssprechung der Oberlandesgerichte zusammen.

Malte Kreutzfeldt (taz) begrüßt, dass der BGH "auf die Einführung einer Helmpflicht durch die Hintertür verzichtet hat". Auch Jan Bielicki (SZ) und Holger Dambeck (spiegel.de) halten das Urteil für vernünftig, weil die Nutzung des Fahrrads insgesamt gesund und umweltfreundlich sei, und durch eine Obliegenheit bzw. indirekte Pflicht zum Tragen eines Helms nicht eingeschränkt werden sollte.

Rechtspolitik

EU-Kommissionspräsident: Professor Joachim Wieland beschäftigt sich auf lto.de mit der anstehenden Wahl des Präsidenten der EU-Kommission. Auch wenn formell keine Pflicht für den Europäischen Rat bestehe, das Ergebnis der Europawahlen zu berücksichtigen, hätten die Wahlen "eine so starke demokratische Legitimation geschaffen, dass die mittelbare nationale Legitimation der Ratsmitglieder nicht mehr ausreicht, um sich darüber hinweg zu setzen."

Hochschulfinanzierung: Die FAZ (Heike Schmoll), die Welt (Thomas Vitzthum) und die taz (Anna Lehmann) berichten von einem Referentenentwurf des Bundesbildungsministeriums, der eine Änderung von Art. 91b Grundgesetz vorsieht, um die Kooperation von Bund und Ländern bei der Finanzierung von Forschungseinrichtungen an den Universitäten zu erleichtern. Aufgrund der jetzigen Formulierung sei bisher nur die vorübergehende Förderung von Projekten problemlos möglich gewesen.

Euro-Stabilitätspakt: Nach Darstellung der SZ (Cerstin Gammelin/Claus Hulverscheidt) sind die Regierungen von Frankreich und Italien bestrebt, die Regelungen des Euro-Stabilitätspaktes aufzuweichen. Die kreditfinanzierten Investitionen in "Wachstum und Beschäftigung" sollen künftig nicht auf das Budgetdefizit angerechnet werden. Bei dem Vorstoß werden sie von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) unterstützt. Dies wiederum sei weitgehend auf Ablehnung beim Koalitionspartner gestoßen, so die FAZ (Manfred Schäfers/Christopher Schwarz) und das Handelsblatt (Jan Hildebrand/Klaus Stratmann).

Regierungsvorhaben und WM: Auch focus.de (Julian Rohrer) fragt sich, ob die Regierung die Fußballweltmeisterschaft der Männer ausnutze, "um unpopuläre Projekte durchzudrücken". Der Autor führt die anstehenden Themen an: geplant sei unter anderem die Vorstellung der Pkw-Maut, eine Bundestagsdebatte zum Drohnen-Einsatz und die Reform der Lebensversicherung.

Rockerbanden: In einem Gastbeitrag in der SZ befasst sich der Vorsitzende des Bundesverbands Deutscher Kriminalbeamter André Schulz mit den Rockerstrukturen, die in den Deliktsfeldern der organisierten Kriminalität mittlerweile eine bedeutende Rolle einnehmen würden. Er plädiert für eine Ausweitung der Ermittlungsbefugnisse von Kriminalbeamten und Gesetzesreformen "gerade im Bereich der Vermögensabschöpfung und der Geldwäsche", um der neuen Bedrohung Herr zu werden.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 18. Juni 2014: Keine Helmpflicht durch die Hintertür – Grundgesetzänderung zur Hochschulfinanzierung – Bettelverbot in Norwegen . In: Legal Tribune Online, 18.06.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12288/ (abgerufen am: 28.04.2024 )

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