Die juristische Presseschau vom 17. September 2015: Zuge­ständnis an TTIP-Gegner – EU-Kom­mis­sion will nicht klagen - 5,25 Quad­r­at­meter sind zu wenig

17.09.2015

Die EU-Kommission schlägt eine Reform der TTIP-Schiedsgerichte vor. Außerdem in der Presseschau: Kein Vertragsverletzungsverfahren wegen Vorratsdatenspeicherung geplant und das BVerfG zur Unterbringung in einer zu kleinen Einzelzelle.

Thema des Tages

EU-Kommission - TTIP: Die EU-Kommission schlägt für das geplante Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) zwischen den USA und der EU eine Reform des bisher vorgesehenen Schiedsgerichtssystem vor. Streitfälle zwischen Investoren und Staaten sollen zukünftig vor einem neuen, unabhängigen und transparenten Handelsgerichtshof verhandelt werden. Die Urteile sollen durch 15 unabhängige – von Regierungsseite öffentlich berufene - Richter gefällt werden. Auch eine Berufungsinstanz solle eingeführt werden. "Niemand kann sagen, dass das eine Privatjustiz ist", betont Cecilia Malmström, die EU-Handelskommissarin. Der Handelsgerichtshof solle zunächst bilateral von den USA und der EU getragen werden und später im Zuge weiterer Freihandelsabkommen multilateral werden. Das bereits fertige Abkommen mit Kanada (CETA) soll aber nicht mehr verändert werden. Der neuen Linie müssen zunächst noch die Mitgliedsstaaten und das Europaparlament zustimmen, danach die USA. EU-Parlamentarier von Union, SPD und FDP befürworten den neuen Vorschlag. Grüne und Umweltschützer waren hingegen unzufrieden. Dies berichten FAZ (Henrik Kafsack u.a.), SZ (Michael Bauchmüller u.a.), taz (Eric Bonse) und Spiegel Online.

Heribert Prantl (SZ) begrüßt den Vorschlag. Es sei an der Zeit gewesen, von der abstrusen Idee Abstand zu nehmen, Streitigkeiten im Rahmen des TTIP von privaten Schiedsgerichten entscheiden zu lassen; diese hätten selbst Urteile der höchsten europäischen und deutschen Gerichte als investitionsschädlich brandmarken können. Die Justiz lebe schließlich "vom Vertrauen der Menschen." Hendrik Kafsack (FAZ) freut sich darüber, dass die EU-Kommission mit dem Vorschlag gezeigt habe, dass sie "die Sorgen der Menschen vor dem Freihandelsabkommen ernst nimmt." Die Reformvorschläge seien die "richtige Antwort" auf das Problem, dass Konzerne durch private Schiedsgerichte unliebsame Gesetze verhindern könnten. Petra Pinzler (zeit.de) fragt sich, warum die EU-Kommission sich nicht gleich ganz von der Idee der Schiedsgerichte verabschiedet habe, anstatt diese nur durch öffentliche zu ersetzen.

Rechtspolitik

Vorratsdatenspeicherung: Die EU-Kommission dementiert den Bericht der SZ vom Dienstag, wonach sie ein Vertragsverletzungsverfahren gegen das geplante deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung angedroht haben solle, berichtet lto.de. netzpolitik.org (Anna Biselli) berichtet über die Stellungnahme der Kommission und veröffentlicht sie.

WLAN: Das Bundeskabinett hat einen Gesetzentwurf zum Ausbau drahtloser Internetzugänge im öffentlichen Raum vorgelegt, berichtet zeit.de. Kern des Entwurfes sei, dass Anbieter von WLAN-Hotspots nicht mehr für Rechtsverstöße ihrer Kunden belangt werden können, wenn diese einfache Sicherheitsvorkehrungen beachten und sich vom Nutzer die Zusicherung einholen, dass dieser keine Rechtsverletzung begehe.

Suizidhilfe: In einem Gastbeitrag stellt der Professor für Palliativmedizin Gian Domenico Borasio in der Zeit die wichtigsten Fakten zur Sterbehilfe dar. Viele der derzeit kursierenden Argumente gegen die assistierte Sterbehilfe würden auf Unwissenheit beruhen. An dem entscheidenden Problem gehe die Diskussion vorbei. Der Beitrag gibt einen rechtliche Überblick und zeigt Unterschiede zu den Nachbarländern sowie zum US-Bundesstaat Oregon auf. Borasio hat zusammen mit drei anderen Wissenschaftlern einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt, der sich an der Sterbehilfepraxis in Oregon orientierte.

Flüchtlingspolitik: Auf einem Sondertreffen der Bundeskanzlerin mit den Länderchefs sicherte diese den Ländern finanzielle Unterstützung zu, blieb zunächst aber unverbindlich, so die taz (Tobias Schulze). Die Bundesregierung wolle 40.000 neue Plätze zur Erstaufnahme einrichten und weitere Verteilungszentren schaffen. Außerdem sollen Mitarbeiter von Bundeswehr und Zoll beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aushelfen. Als weiteres Problem müsse die Einstufung weiterer Balkanländer als "sichere Herkunftsstaaten" noch geklärt werden. Laut SZ (Stefan Braun/Jens Schneider) kritisierten die Länder das bisherige Krisenmanagement des Bundes. Das Handelsblatt (Ruth Berschens/Jan Hildebrand) berichtet, dass unter anderem die Finanzminister Österreichs und Italiens fordern, dass die EU-Kommission ein höheres Haushaltsdefizit erlauben müsse, um so die Ausgaben für Flüchtlinge berücksichtigen zu können. Finanzminister Wolfgang Schäuble sprach sich gegen die Wünsche seiner Amtskollegen aus. Im Interview mit der Welt (Christoph B. Schlitz) spricht der EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos über Flüchtlingsquoten, das Ende von Schengen und deutsch-griechische Streifengänge.

EU-Mission gegen Schleuser: Das Bundeskabinett hat die Ausweitung des Bundeswehreinsatzes gegen Schleuser im Mittelmeer beschlossen. Das Mandat sieht die Entsendung von 950 Soldaten vor, meldet die SZ.

Verschärfung des Sexualstrafrechts: Seit zwei Tagen läuft eine Onlinepetition mit bereits 28.845  Unterschriften für eine Verschärfung des Sexualstrafrechts auf change.org. Bundesjustizminister Heiko Mass wird aufgefordert "alle nicht einverständlichen sexuellen Handlungen unter Strafe zu stellen," so die taz (Simone Schmollack). Sein bisheriger Gesetzentuwrf sei unzureichend.

Darlehensverträge: "Verbraucherschützer fordern Deckel auf Kosten bei früherer Abzahlung von Immobiliendarlehen," berichtet die taz (Paul Nieltopp). Ende September beraten Bundestag und Bundesrat erstmals einen Gesetzentwurf der Bundesregierung, mit dem eine Richtlinie der Europäischen Union umgesetzt werden soll. Die SZ (Thomas Öchsner) gibt einen Überblick über die wichtigsten Kritikpunkte der Verbraucherschützer an dem Gesetzentwurf.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 17. September 2015: Zugeständnis an TTIP-Gegner – EU-Kommission will nicht klagen - 5,25 Quadratmeter sind zu wenig . In: Legal Tribune Online, 17.09.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16917/ (abgerufen am: 04.05.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen