Die juristische Presseschau vom 17. September 2015: Zuge­ständnis an TTIP-Gegner – EU-Kom­mis­sion will nicht klagen - 5,25 Quad­r­at­meter sind zu wenig

17.09.2015

Justiz

BVerfG zu Unterbringung in zu kleiner Einzelzelle: Das Bundesverfassungsgericht hat ein Urteil des Kammergerichts Berlins in einem Amtshaftungsverfahren wegen menschenunwürdiger Haftunterbringung in einer zu kleinen Einzelzelle teilweise aufgehoben. Der Beschwerdeführer war von Juni bis November 2009 in einer Einzelzelle mit einer Bodenfläche von 5,25 m² und räumlich nicht abgetrennter Toilette untergebracht. In einem parallel gelagerten Verfahren stellte der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin mit einem am 5. November 2009 veröffentlichten Beschluss eine Verletzung der Menschenwürde fest. Das Bundesverfassungsgericht führt aus, dass das Urteil des Kammergerichts verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, soweit es Amtshaftungsansprüche für die Zeit vor Veröffentlichung der Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichtshofs verneine und zudem eine zweiwöchige Frist zur Umsetzung dieser Entscheidung einräume. Die Ablehnung einer Geldentschädigung auch nach Ablauf der Umsetzungsfrist verkenne jedoch Bedeutung und Tragweite der Menschenwürdegarantie. Dies melden zeit.de und lto.de.

EuGH zu Hartz IV für EU-Bürger: Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Anuscheh Farahat kritisiert auf verfassungsblog.de das Urteil des Europäischen Gerichtshof in der Rechtssache der Schwedin Alimanovic, wonach die Mitgliedstaaten arbeitssuchende Unionsbürger von beitragsunabhängigen Sozialleistungen ausschließen dürfen. Das Urteil rüttele" an der Grundidee der Unionsbürgerschaft als grundlegendem Status aller Unionsbürger*innen, die inklusiv und vor allem identifikationsstiftend wirken sollte".

OVG Münster zu Dublin-Verordnung: Aslybewerber dürften nicht zu "refugess in orbit" werden, für die kein Mitgliedstaat mehr verantwortlich sei. Die Klagenden seien nicht innerhalb von sechs Monaten nach Spanien, dem Ersteinreiseland, abgeschoben worden, so dass nun Deutschland zuständig sei und sie in Deutschland einen Anspruch auf Prüfung ihrer Asylanträge haben. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Münster laut SZ und lto.de. Das OVG hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung Revision zugelassen.

ArbG Karlsruhe zu "vorgeschobenem" Kündigungsgrund: Das Arbeitsgericht Karlsruhe hat entschieden, dass die fristlose Kündigung eines Daimler-Betriebsrates rechtens sei, die vom Arbeitgeber auf einen erheblichen Verstoß gegen Arbeitszeiterfassungspflichten gestützt wurde. Die Facebook-Posts des Arbeitnehmers: "Jeder Mensch zahlt für seine Taten! Die einen früher, die anderen später... Fuck Charlie Hebdo" seien arbeitsrechtlich nicht ausschlaggebend gewesen, entgegen der Annahme des Arbeitnehmers, der den offiziellen Kündigungsgrund nur als vorgeschoben ansah, meldet handelsblatt.com.

LG Osnabrück zu heimlichen Intimvideos von Patientinnen: Das Landgericht Osnabrück verurteilte einen 62-jährigen Arzt zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe, drei Jahren Berufsverbot und Zahlung von 75.000 Euro an eine gemeinnützige Organisation. Der Arzt hatte heimlich Patientinnen mit einer Kugelschreiberkamera aufgenommen, während diese sich umzogen, und zudem manche der Frauen sexuell missbraucht. Daneben wurde er wegen des Besitzes kinder- und jugendpornografischer Bilder und Videos verurteilt. Über das Urteil berichtet spiegel.de.

OLG München – NSU-Prozess: Am 227. Prozesstag (Dienstag) des NSU-Prozesses wurde die Behauptung des Neonazi Marcel D., nicht als V-Mann beim thüringischen Verfassungsschutz tätig gewesen zu sein, nun durch den Verfassungsschutzmitarbeiter Jürgen Z. widerlegt, schreibt zeit.de (Tom Sundermann). "D. war unter dem Decknamen Hagel tätig und lieferte von 1997 bis 2000 Informationen." Im Zusammenhang mit der Vernehmung werde erneut deutlich, "wie erstaunlich entspannt der Verfassungsschutz in frühen Zeiten mit Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt umsprang". Am gestrigen Mittwoch wurde nun - nach viermaliger Ladung - der Zeuge Tom T. verhört: Aus einer losen rechten Jugendclique entstand 1995 dann die "Kameradschaft Jena", zu deren Gründern laut T. Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt, André K., sowie die Angeklagten Beate Zschäpe, Ralf Wohlleben und Holger G gehört haben sollen, berichtet spiegel.de. Tom T. wurde insbesondere zu seiner früheren Aussage beim Bundeskriminalamt vernommen, wonach "sich damals Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe bald "als elitäre Gruppe abgesondert" hätten und die beiden Uwes "als SA der Neuzeit", als "Szenepolizei" auftraten."

KG Berlin – Geiselnahme im ICE: Im Prozess um eine Geiselnahme im ICE wird das Kammergericht Berlin am heutigen Donnerstag das Urteil verkünden, meldet welt.de. Der 21-jährige soll im November 2014 in einem ICE von Berlin nach Hamburg den Zugchef mit einer Schreckschusspistole gezwungen haben, ein Schreiben mit politischem Inhalt telefonisch weiterzugeben, außerdem habe er 500.000€ gefordert.

LG München I – Deutsche Bank: „Im Prozess gegen die Deutsche Bank würden die Staatsanwälte ein fragwürdiges Bild abgeben“ und entwickelten ein „übertriebenes Jagdfieber“, findet die FAZ (Joachim Jahn). So wies der Vorsitzende Richter Peter Noll im Prozess die Ankläger auf die notwenigen Tatbestandsmerkmale des Betruges hin: Täuschung, Irrtum und stoffgleicher Schaden; er habe erhebliche Zweifel an der Beweisbarkeit dieser Merkmale.

LG Köln – Quelle-Erbin: Mehr als vier Jahre läuft der Zwei-Milliarden-Euro-Prozess der Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz gegen die Deutsche Bank-Tochter Sal. Oppenheim, deren Ex-Manager sowie den Immobilienunternehmer Josef Esch vor dem Langgericht Köln. Der Prozess ist auf den 12. April 2016 vertagt, da die Anwälte zur Zeit auf einen Vergleich hin arbeiten, weiß das Handelsblatt (Volker Votsmeler) und gibt einen Überblick über den Stand des Verfahrens.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 17. September 2015: Zugeständnis an TTIP-Gegner – EU-Kommission will nicht klagen - 5,25 Quadratmeter sind zu wenig . In: Legal Tribune Online, 17.09.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16917/ (abgerufen am: 18.05.2024 )

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