Die juristische Presseschau vom 9. Juni 2015: Entschädigung für Wörz – Entspannung für Fitschen – Geburtstag von Ipsen

09.06.2015

Mit welchem Betrag ist eine falsche Verurteilung entschädigt? Das LG Karlsruhe verhandelt zu Harry Wörz. Außerdem in der Presseschau: Konsequenzen des Fitschen-Rücktritts, Würdigung für Völkerrechtler und Genugtuung von der Steuer.

Thema des Tages

LG Karlsruhe – Harry Wörz: Der Fall Harry Wörz gilt als besonders krasses Beispiel eines Justizirrtums. Wegen versuchten Totschlags seiner getrennt lebenden Frau wurde Wörz zu elf Jahren verurteilt, von denen er viereinhalb Jahre verbüßte. Ein Wiederaufnahmeverfahren führte in zwei Anläufen schließlich 2010 zu seinem rechtskräftigen Freispruch.

Vor dem Landgericht Karlsruhe begehrt Wörz nun vom Land Baden-Württemberg rund 110.000 Euro an Entschädigung. Der Betrag solle über die bereits gewährte gesetzliche Haftentschädigung hinaus den Verdienstausfall des mittlerweile arbeitsunfähigen Bauzeichners ausgleichen, schreibt die SZ (Wolfgang Janisch). Der Kläger habe sich einer "quälenden Vernehmung" zu seiner hypothetischen Arbeitsbiographie stellen müssen. Nach dem Bericht von spiegel.de schlug das Gericht einen Vergleich vor, für dessen Annahme die Parteien nun einen Monat Zeit hätten.

Rechtspolitik

Sicherheitsbehörden: In einem Gastbeitrag für die SZ beklagt Wolfgang Seibel, Professor für Politik- und Verwaltungswissenschaften, eine "Flucht aus der Verantwortung" von sowohl Regierung als auch Opposition im Umgang mit Problemen deutscher Sicherheitsbehörden. Politische Einflussnahme habe die Ermittlungstätigkeit von Polizei und Verfassungsschutz zu den mutmaßlichen NSU-Morden behindert. Die jetzigen Forderungen zur Herausgabe von Selektorenlisten bedienten zwar einen Kontrollreflex, behinderten aber die zum Schutz von Grundrechten notwendige Arbeit von Sicherheitsbehörden.

Bürokratiebremse: In einem Gastkommentar kritisiert Johannes Heuschmid (taz) die im März vom Bundeskabinett als Selbstverpflichtung beschlossene sogenannte Bürokratiebremse. Die nach einem "One in, one out"-Prinzip geplanten Maßnahmen für Bürokratieabbau begünstigten schematische Herangehensweisen an komplexe Sachverhalte. Insbesondere seien Einschränkungen bei der naturgemäß kostenverursachenden Arbeits- und Sozialgesetzgebung zu befürchten. Erfahrungen mit vergleichbaren Initiativen in Großbritannien legten nahe, dass sogenannter Bürokratieabbau "eine umfassende Deregulierungsagenda" verberge.

Umsatzsteuer: Das Handelsblatt (Melanie Rübartsch) berichtet über Kritik an willkürlich erscheinenden, kurzfristigen Anhebungen des Mehrwertsteuersatzes durch den Fiskus. Die hierdurch um Planungssicherheit gebrachten Unternehmen setzten sich der Gefahr hoher Nachzahlungen und strafrechtlicher Verfolgung aus. Für eine ausnahmslose Vereinheitlichung des Steuersatzes gebe es jedoch keine politische Mehrheit.

Demonstrationsfreiheit: Michael Wolffsohn (Welt) setzt sich in einem Gastkommentar mit dem Wesen der Demonstrationsfreiheit auseinander. Der Historiker folgert aus der Zeichensetzung als Sinn und Zweck einer Demonstration, dass unfriedlich geplante oder durchgeführte Versammlungen den Schutz des Grundgesetzes nicht für sich in Anspruch nehmen könnte. Denn die Demonstrationsfreiheit sei "kein Freifahrtschein für Straßenschlachten".

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 9. Juni 2015: Entschädigung für Wörz – Entspannung für Fitschen – Geburtstag von Ipsen . In: Legal Tribune Online, 09.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15782/ (abgerufen am: 28.04.2024 )

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