Die juristische Presseschau vom 7. Januar 2014: Karenzzeit für Ex-Politiker – Vorratsdatenspeicherung auf Eis – Gefahrengebiet Hamburg

07.01.2014

Von wegen Reformstau – der geplante Tätigkeitswechsel von Ronald Pofalla belebt die Debatte über Karenzzeiten für Politiker. Außerdem in der Presseschau: Koalitionskrach über Vorratsdatenspeicherung, Bürgerrechte in der SPD, Hamburger Gefahrengebiet, gewerbsmäßige Sterbehilfe, Anzeigensteller Carl Christian Müller und ein dringendes Bedürfnis.

Thema des Tages

Karenzzeit: Der geplante Wechsel Ronald Pofallas (CDU) aus dem Kanzleramt in den Vorstand der Deutschen Bahn bringt Bewegung in die Debatte über Karenzzeiten für Politiker, die aus Ämtern in die freie Wirtschaft wechseln. So signalisierten CDU-Politiker ein Einverständnis mit einer 18-monatigen "Abkühlungsphase", schreibt zeit.de (Michael Schlieben) in einem Beitrag, der "Reformmotor Pofalla" überschrieben ist und verschiedene Modelle diskutiert. Das Handelsblatt (Klaus Stratmann) zitiert Eva Högl (SPD), stellvertretende Fraktionsvorsitzende ihrer Partei, mit dem Vorschlag von Selbstverpflichtungserklärungen. Diese ermöglichten nach Rang und Sachgebieten abgestufte Sperrzeiten für Tätigkeitswechsel und liefen auch nicht Gefahr, grundrechtswidrig zu sein.

Ein Interview zum Thema mit Rechtsprofessor Michael Kubiciel bringt lto.de (Claudia Kornmeier). Der Strafrechtler hält Interessenkonflikte für systemimmanent, befürwortet aber eine Abkühlungsphase. Er äußert sich zudem über Karenzzeiten für Berufsbeamte, die für Bundestagsabgeordnete neue Pflicht zur Offenlegung von Nebentätigkeiten, die strafrechtliche Relevanz des Wechsels von Pofalla und schlägt die Einrichtung einer Enquête-Kommission vor, die Verhaltensregeln für derartige Wechsel aufstellen könnte.

Auf einen weiteren Aspekt der Personalie Pofalla macht die taz (Anja Maier) in ihrem Bericht aufmerksam. Die Zeitung zitiert die Parteivorsitzenden Katja Kipping (Linke) mit ihrer Bewunderung für die an den Tag gelegte "gleichstellungspolitische Blindheit." Im Vorstand der Bahn säßen bislang fünf Männer und eine Frau, die Bundesregierung hätte sich demnach bei der Neubesetzung entsprechend der im Koalitionsvertrag erklärten Absicht um eine Erhöhung des Anteils weiblicher Führungskräfte bemühen sollen.

Rechtspolitik

Koalitionsstreit: Die Welt (M. Bewarder/S. von Borstel/T. Vitzthum) dokumentiert die aktuellen und potentiellen Streitpunkte in der großen Koalition. Neben der Vorratsdatenspeicherung werden die Themen Zuwanderung, Mindestlohn und Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes genannt.

Vorratsdatenspeicherung: Die Ankündigung des Justizministers Heiko Maas (SPD), die gesetzliche Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs "auf Eis" legen zu wollen, unterzieht die taz (Christian Rath) einer kritischen Würdigung. Der Artikel zeichnet hierzu den Inhalt der europäischen Richtlinie, den Verfahrensstand der den Luxemburger Richtern vorgelegten Frage ihrer Vereinbarkeit mit EU-Grundrechten und die inhaltlich "völlig oberflächliche" Kritik des Generalanwalts Pedro Cruz Villalón nach. Im Leitartikel des Blattes erinnert Christian Rath (taz) daran, dass die SPD ernsthaften Widerstand gegen die Vorratsdatenspeicherung in den Koalitionsverhandlungen hat vermissen lassen. Es sei abzusehen, dass der Europäische Gerichtshof "nur marginale Änderungen" der betreffenden Richtlinie verlangen wird, wegen strengerer deutscher Standards wäre die anstehende Entscheidung also ohne große Relevanz für die Bundesrepublik. Immerhin habe sich Maas als "Blockademinister" profiliert.

Bürgerrechte: In einem Kommentar stellt Heribert Prantl (SZ) das Wirken des Hamburger Innensenators Michael Neumann (SPD) dem des Bundesjustizministers gegenüber. Während Neumann das Polizeirecht seines Landes in einer Weise "auslegen und ausführen" lasse, die "in Deutschland seinesgleichen" suche und sich dabei auf ein Polizeigesetz stütze, für dessen Verfassungsmäßigkeit "wenig" spreche, wolle Maas seiner Partei "offenbar wieder das Buchstabieren des Wortes "Bürgerrechte" beibringen." Es sei zu hoffen, dass ihn der Europäische Gerichtshof hierbei unterstützt.

Gefahrengebiet: Die Hamburger Polizei hat als Reaktion auf die jüngsten Krawalle in der Hansestadt große Teile der Innenstadt auf unbestimmte Zeit zu Gefahrengebieten erklärt. In den betreffenden Gebieten mit insgesamt mehr als 50.000 Einwohnern sind nunmehr verdachtsunabhängige Kontrollen möglich, schreibt zeit.de (Kersten Augustin). Als Rechtsgrundlage der Maßnahme diene die 2005 erfolgte Änderung des Polizeigesetzes des Landes, Kritiker bemängelten gravierende Eingriffe in "mehrere Grundrechte."

Finanzierung der Kommunen: Mit der "Wirklichkeit der Städte" befasst sich Jasper von Altenbockum (FAZ) im Leitartikel der Zeitung. Städte, Gemeinden und Landkreise trügen die laufenden, "wirklichen" Kosten so gut wie aller von Bund und Ländern beschlossener Sozialleistungen. Weil die Gesetzgeber sie aber nicht in die Lage versetzten, diesen "Aufgaben langfristig gerecht zu werden", müsse der "Streit um die Anerkennung kommunaler Realitäten" vor den Verwaltungs- und Verfassungsgerichten ausgetragen werden.

Sozialleistungen für EU-Bürger: Auch die FAZ (Helene Bubrowski/Corinna Budras) bringt nun einen "Wegweiser" zu den Ansprüchen auf Sozialleistungen für EU-Ausländer.

Suizidhilfe: Unter Berufung auf ein Gespräch mit der Rheinischen Post berichtet die FAZ (Andreas Mihm) über einen Vorstoß des neuen Bundesgesundheitsministers Hermann Gröhe (CDU) zum Verbot geschäftsmäßiger Suizidhilfe. Zwar beweise die Straffreiheit der Selbsttötung, "dass es menschliche Dramen gebe, vor denen das Strafrecht zu Recht schweige", mit "den Ängsten der Menschen vor dem Sterben ein Geschäft" machen zu wollen, sei aber verwerflich und damit strafwürdig. Die taz (Heike Haarhoff/Christian Rath) zeichnet in ihrem Bericht den erfolglosen Versuch der letzten Regierung zu einer gesetzlichen Regelung nach und konstatiert im Bezug auf die "dürren" Worte im jetzigen Koalitionsvertrag: "Das politische Konfliktpotential ethisch umstrittener Gewissensfragen bemisst sich häufig im Ausmaß der Ignoranz, mit der dem Thema begegnet wird." Die Welt (Claudia Kade) schreibt dagegen von Überlegungen in den Koalitionsparteien, bei einer etwaigen Bundestagsabstimmung den Fraktionszwang aufzuheben.

Textform: Ulrich Noack (Handelsblatt-Rechtsboard) erläutert den ab Juni geltenden § 126b des Bürgerlichen Gesetzbuches zur Textform einer Willenserklärung unter der Maßgabe einer formgerechten Stimmrechtsvertretung für die Hauptversammlungssaison 2014. In Umsetzung der EU-Verbraucherrechterichtlinie werde es nach Inkrafttreten der Neuregelung auf die Speicherform beim Empfänger und nicht auf die Übermittlungstechnik ankommen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 7. Januar 2014: Karenzzeit für Ex-Politiker – Vorratsdatenspeicherung auf Eis – Gefahrengebiet Hamburg . In: Legal Tribune Online, 07.01.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10570/ (abgerufen am: 02.05.2024 )

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