Die juristische Presseschau vom 6. November 2015: Sui­zid­hilfe vor Abstim­mung / Heckler & Koch vor Anklage / Unab­hän­giger Son­der­er­mittler?

06.11.2015

Der Bundestag steht vor der Abstimmung zur Gesetzesregelung der Suizidhilfe. Außerdem in der Presseschau: StA erhebt Anklage wegen Waffenverkäufen nach Mexiko, Kurt Graulich im NSA-Ausschuss und eine Superheldin abseits des Tennisplatzes.

Thema des Tages

Suizidhilfe: Der Bundestag entscheidet am heutigen Freitag über eine gesetzliche Regelung zur Suizidhilfe. Ausführliche Darstellungen zu den vertretenen Positionen bringen unter anderem der Tsp (Rainer Woratschka/Jost Müller-Neuhof) und die FAZ (Heike Schmoll). Auch lto.de (Pia Lorenz) gibt einen ausführlichen Überblick. Unter Verweis auf eine von der früheren Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) vertretene Auffassung fragt der Beitrag zudem, ob der hochsensiblen Thematik nicht besser durch einen Verzicht auf eine gesetzliche Regelung gedient wäre. In weiteren Beiträgen befragt lto.de (Pia Lorenz) Rechtsprofessor Christian Hillgruber und Rechtsanwalt Wolfgang Putz zu den von ihnen vertretenen Ansichten.

In ihrem Kommentar befürchtet Heike Haarhoff (taz), dass sich der maßgeblich von Kerstin Griese (SPD) vorangetriebene Entwurf, nach dem jede Suizidbeihilfe strafbar sein soll, sobald sie auf Wiederholung ist, durchsetzen wird. Dies wäre nicht nur "eine Kapitulation vor der Mündigkeit aufgeklärter Menschen", sondern auch ein "Wertangriff auf den säkular-pluralistischen Staat". Die individuelle Entscheidung für einen Suizid dürfe nicht vom Staat bewertet werden. Zu diesem Zweck sei es vorzuziehen, beim rechtlichen Status Quo zu verbleiben. In einem ausführlichen Gastbeitrag für das Feuilleton der FAZ legt dagegen Oliver Tolmein dar, dass eine Liberalisierung des geltenden Rechts analog zu vergleichbaren Regelungen in den Niederlanden und Belgien konsequenterweise auch das Recht beinhalten müsse, "sich vom Arzt töten zu lassen". Die dortigen Voraussetzungen würden neben einer erhöhten staatlichen Entscheidungskompetenz im Ergebnis auch eine Relativierung des Lebensschutzes und damit die Aufgabe eines Prinzips der deutschen Rechtsordnung mit sich bringen.

Rechtspolitik

Flüchtlinge: Die Regierungskoalition hat sich auf die Einrichtung von drei bis fünf speziellen Aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge mit geringer Bleibeperspektive verständigt. Wie unter anderem die SZ (Christoph Hickmann/Robert Roßmann) berichtet, sollen in den Registrierzentren beschleunigte Asylverfahren durchgeführt werden. Die Bewerber würden Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Anspruch nehmen können und während der Prüfung einer verschärften Residenzpflicht unterworfen sein.

Informationsfreiheit: Der Rechtsstudent Lukas Müller (verfassungsblog.de) untersucht die im Juli vom Europäischen Parlament erlassene Verordnung zum Telekommunikationsmarkt unter der verfassungsrechtlichen Maßgabe der staatlichen Gewährleistung der Informationsfreiheit im Internet.

Elektronischer Rechtsverkehr: Spätestens ab dem Jahr 2022 wird die elektronische Kommunikation von Anwälten mit Gerichten obligatorisch sein. In einer gemeinsamen Erklärung kritisieren der Deutsche Anwaltverein und der Deutsche Richterbund den aktuellen Stand der diesbezüglichen Vorbereitungen. Wie lto.de (Pia Lorenz) schreibt, fordern die Verbände zudem, dass zum genannten Stichtag auch der elektronische Kommunikationsweg in der entgegengesetzten Richtung sichergestellt sei.

Prostitution: Die Stellungnahmen von Ländern und Verbänden zu dem von der Regierung geplanten Prostitutionsschutzgesetz melden erhebliche Bedenken an. Der thüringische Datenschutzbeauftragte etwa bemängele die Masse von Daten, die zu den Prostituierten erfasst werden sollen, schreibt die SZ (Constanze von Bullion). Nordrhein-Westfalen dagegen melde verfassungsrechtliche Bedenken an. Die vorgesehene Anmeldepflicht verletze die Berufsfreiheit.

Antiterrorgesetz: Das nach den Anschlägen vom 11.September eingeführte Terrorismus-Bekämpfungsgesetz ist vom Bundestag zum dritten Mal verlängert worden. Eine von Rechtsprofessor Jan Ziekow verantwortete Evaluation zur Anwendung der im Gesetz vorgesehenen Auskunftsbefugnisse für Geheimdienste habe keine "flächenhaften Auskunftsverlangen" ergeben. Es berichtet die taz (Christian Rath).

Insolvenzanfechtung: Dieter Fockenbrock (Handelsblatt) führt im Leitartikel der Zeitung die aktuell von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) betriebene Reform der Insolvenzanfechtung, dem "Kern des Insolvenzrechts", auf "verantwortungslose Geschäftemacher" etwa bei Teldafax, "aber auch in der Anwaltschaft" zurück. Die gegenwärtig in der Kritik stehende Bestimmung, nach der Insolvenzverwalter Leistungen zahlungsunfähiger Unternehmen auch noch nach Jahren zurückfordern können, bestünde schon seit 1999, "die Aufregung darüber tobt aber erst seit ein paar Jahren". Die angedachte Verkürzung der Fristen für Anfechtungen sei zwar "logisch", begünstige aber auch einflussreiche Gläubiger.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 6. November 2015: Suizidhilfe vor Abstimmung / Heckler & Koch vor Anklage / Unabhängiger Sonderermittler? . In: Legal Tribune Online, 06.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17458/ (abgerufen am: 30.04.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen