Die juristische Presseschau vom 6. Juni 2014: Spionage und Recht – Schadensersatz für Schlagloch – VW-Korruption eingestellt

06.06.2014

Verstößt Spionage gegen das Völkerrecht? Der NSA-Ausschuss lässt sich von Experten beraten. Derweil ermittelt der Generalbundesanwalt, möchte aber nicht verraten, wie. Außerdem in der Presseschau: Diskriminierung gegen alte weiße Männer, Hausrecht eines Mieters, Schadensersatz für ein Schlagloch, Korruptionsverfahren gegen VW eingestellt und ein Hammer-Angebot.

Thema des Tages

NSA-Ausschuss: FAZ (Eckart Lohse) und zeit.de (Lisa Caspari) berichten über die Sitzung des Untersuchungsausschuss des Bundestags zu den Abhörtätigkeiten des US-amerikanischen Geheimdienstes NSA. Verfassungsrechtler als geladene Experten hätten dabei kontroverse Positionen zu der Frage bezogen, wie das Wirken von Geheimdiensten im Ausland völkerrechtlich zu bewerten sei. Der von der Opposition geladene niederländische Rechtsprofessor Douwe Korff habe in der Ausspähung deutscher Daten zumindest dann eine völkerrechtswidrige Verletzung der Souveränität der Bundesrepublik erkennen wollen, wenn hierzu in Deutschland befindliche Server angezapft würden. Im Übrigen würden Menschenrechte universal gelten. Der deutsche Rechtsprofessor Stefan Talmon habe dagegen die Ansicht vertreten, dass völkerrechtlich alles erlaubt sei, was nicht explizit verboten sei. Ein allgemeines Spionage-Verbot existiere jedoch nicht. In diesem Sinne könne auch die Bundeskanzlerin und ihr Mobiltelefon ein "legitimes Objekt ausländischer Spionage" sein.

Nach einer Meldung von bild.de hat der Ausschuss derweil am Donnerstagabend mit den Stimmen der Mitglieder der Regierungs-Koalition beschlossen, mit dem Berliner Anwalt des NSA-Whistleblowers Edward Snowden die Chancen für ein informelles Treffen in Moskau "auszuloten."

NSA-Ermittlungen: Die SZ (Wolfgang Janisch/Hans Leyendecker) befasst sich mit der Entscheidung des Generalbundesanwalts, wegen der Anzapfung des Kanzlerhandys gegen die NSA jetzt doch zu ermitteln. Zwar wolle die Bundesanwaltschaft ihr "Ermittlungskonzept" nicht öffentlich diskutieren, einiges deute jedoch darauf hin, dass eine Vernehmung "heikler Zeugen" vermieden werden solle. Mit einer Vernehmung der Kanzlerin zu ihrem Gespräch mit dem US-Präsidenten Barack Obama sei jedenfalls nicht zu rechnen. Dafür sollten Dokumente "aus dem Fundus von Edward Snowden" beschafft werden. Die Autoren mutmaßen, dass anzufragende Medien aus Quellenschutz-Gesichtspunkten dieses Ansinnen wohl eher ablehnen würden. Als weiteres Problem stelle sich den Ermittlern eine mögliche Verjährung der im Raum stehenden Vorwürfe. Bei geheimdienstlichen Agententätigkeiten belaufe die Verjährung fünf Jahren. Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens genüge nicht, um sie ruhen zu lassen.

Ein Hintergrund-Artikel der SZ (Hans Leyendecker/Georg Mascolo) beleuchtet die Schwierigkeiten bei Ermittlungen mit diplomatische Bezug. Ein Zweibrücker Oberstaatsanwalt habe bei Ermittlungen im örtlichen Zusammenhang der Air Base Ramstein "erstklassige" Unterstützung der US-Amerikaner bei gewöhnlicher Kriminalität erfahren. Als er dagegen wegen der Entführung eines Imans 2003 in Italien und dessen anschließender Verbringung über Ramstein zur Folter nach Ägypten gegen CIA-Agenten ermittelten wollte, seien ihm keinerlei Auskünfte erteilt worden. So habe das Verfahren trotz "interessanter" Spuren zweimal eingestellt werden müssen. Auch "die meist sehr erfolgreich" opiererende Münchner Staatsanwaltschaft sei bei ihren Ermittlungen wegen der Verschleppung Khaled el-Masris an mangelnder Kooperationsbereitschaft amerikanischer Stellen, aber auch deutscher Regierungsbehörden gescheitert.

Rechtspolitik

Asylrecht: In einem Gastbeitrag für die SZ fordert Klaus F. Zimmermann, Direktor des Instituts zur Zukunft der Arbeit, eine Reform der europäischen Flüchtlings- und Asylpraxis. Neben ethischen sprächen auch ökonomische Gründe für eine Abkehr vom bisherigen "Festungsdenken," welches die Lasten von Wanderungsbewegungen vor allem den Mittelmeeranrainern aufbürde. Stattdessen sei ein europäisches Quotensystem für die Aufnahme von Flüchtlingen und Asylbewerbern zu entwickeln und müssten diese auch auf nationaler Ebene die Möglichkeit erhalten, sich ihren Lebensunterhalt selbst zu erwirtschaften.

Datenaustausch: Auf einer Tagung in Luxemburg haben sich die EU-Innenminister auf eine verstärkte Zusammenarbeit beim Austausch von Fluggastdaten heimkehrender Syrien-Kämpfer verständigt, berichtet die Welt (Manuel Bewarder/Florian Flade). In diesem Zusammenhang wird Bundesinnenminister Thomas de Maiziére (CDU) mit den Worten zitiert, dass sich durch den Anschlag auf das Jüdische Museum in Brüssel die "abstrakte Bedrohung" durch Bürgerkriegsaktivisten in "eine konkrete Gefahr", der nun begegnet werden müsse, gewandelt habe.

Mindestlohn: Die Welt (Stefan von Borstel, Zusammenfassung) berichtet über die erste Lesung des Mindestlohn-Gesetzentwurfes im Bundestag, dass im kommenden Monat beschlossen werden soll. Die Opposition habe Sonderregelungen des Entwurfs, etwa für Minderjährige oder Langzeitarbeitslose kritisiert.

Dass auch pädagogisch geprägte Praktika, etwa solche, die von Studien- oder Ausbildungsordnungen vorgesehen sind, nicht dem neuen Mindestlohn unterfallen, begrüßt Nadia Pantel (SZ) in einem Kommentar. Denn hierdurch würden Praktika, die vorwiegend dem Berufseinstieg dienten, klarer definiert – als Arbeit, die angemessen entlohnt werden müsse.

Bestellerprinzip: Die FAZ (Joachim Jahn) berichtet über ein von Rechtsprofessor Friedhelm Hufen im Auftrag des Immobilienverbandes Deutschland angefertigtes Rechtsgutachten, nach dem Pläne der Bundesregierung zur Einführung eines Bestellerprinzips im Immobilienrecht verfassungswidrig sind. Die Neuregelung solle Immobilieneigentümer dazu zwingen, einen von ihnen beauftragten Makler selbst zu bezahlen. Nach den Feststellung des Gutachters sei dies unverhältnismäßig.

Hass-Verbrechen: Ein Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums sieht vor, bei der Strafbemessung nach § 46 des Strafgesetzbuches künftig auch "rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende" Motive aufzunehmen. Die Bundestags-Fraktion der Grünen, die eine Erweiterung derartiger Hass-Verbrechen oder Hate Crimes bei Angriffen gegen alle "verletzlichen" Gruppen fordert, veranstaltete nun eine Experten-Anhörung zum Thema. Die taz (Heide Oestreich) berichtet.

Diskriminierung: Henryk M. Broder (Welt) räsoniert über Diskriminierung. Weil ihm bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes anlässlich einer von ihm als diskriminierend empfundenen Bemerkung einer Jungpolitikerin über "alte weiße Männer" mitgeteilt worden sei, dass der Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes nicht eröffnet wäre, folgert der Autor anhand von Äußerungen der Leiterin der Stelle über Homophobie, dass die tatsächliche Agenda der Behörde mitnichten die Bekämpfung von Diskriminierung sei. Stattdessen "geht es um Durchsetzung einer Political Correctness im Dienste gesellschaftlicher Randgruppen, die es geschafft haben, ihre Interessen zum geschützten Interessenbestand der ganzen Gesellschaft zu erklären."

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 6. Juni 2014: Spionage und Recht – Schadensersatz für Schlagloch – VW-Korruption eingestellt . In: Legal Tribune Online, 06.06.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12192/ (abgerufen am: 08.05.2024 )

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