Verstößt Spionage gegen das Völkerrecht? Der NSA-Ausschuss lässt sich von Experten beraten. Derweil ermittelt der Generalbundesanwalt, möchte aber nicht verraten, wie. Außerdem in der Presseschau: Diskriminierung gegen alte weiße Männer, Hausrecht eines Mieters, Schadensersatz für ein Schlagloch, Korruptionsverfahren gegen VW eingestellt und ein Hammer-Angebot.
Thema des Tages
NSA-Ausschuss: FAZ (Eckart Lohse) und zeit.de (Lisa Caspari) berichten über die Sitzung des Untersuchungsausschuss des Bundestags zu den Abhörtätigkeiten des US-amerikanischen Geheimdienstes NSA. Verfassungsrechtler als geladene Experten hätten dabei kontroverse Positionen zu der Frage bezogen, wie das Wirken von Geheimdiensten im Ausland völkerrechtlich zu bewerten sei. Der von der Opposition geladene niederländische Rechtsprofessor Douwe Korff habe in der Ausspähung deutscher Daten zumindest dann eine völkerrechtswidrige Verletzung der Souveränität der Bundesrepublik erkennen wollen, wenn hierzu in Deutschland befindliche Server angezapft würden. Im Übrigen würden Menschenrechte universal gelten. Der deutsche Rechtsprofessor Stefan Talmon habe dagegen die Ansicht vertreten, dass völkerrechtlich alles erlaubt sei, was nicht explizit verboten sei. Ein allgemeines Spionage-Verbot existiere jedoch nicht. In diesem Sinne könne auch die Bundeskanzlerin und ihr Mobiltelefon ein "legitimes Objekt ausländischer Spionage" sein.
Nach einer Meldung von bild.de hat der Ausschuss derweil am Donnerstagabend mit den Stimmen der Mitglieder der Regierungs-Koalition beschlossen, mit dem Berliner Anwalt des NSA-Whistleblowers Edward Snowden die Chancen für ein informelles Treffen in Moskau "auszuloten."
NSA-Ermittlungen: Die SZ (Wolfgang Janisch/Hans Leyendecker) befasst sich mit der Entscheidung des Generalbundesanwalts, wegen der Anzapfung des Kanzlerhandys gegen die NSA jetzt doch zu ermitteln. Zwar wolle die Bundesanwaltschaft ihr "Ermittlungskonzept" nicht öffentlich diskutieren, einiges deute jedoch darauf hin, dass eine Vernehmung "heikler Zeugen" vermieden werden solle. Mit einer Vernehmung der Kanzlerin zu ihrem Gespräch mit dem US-Präsidenten Barack Obama sei jedenfalls nicht zu rechnen. Dafür sollten Dokumente "aus dem Fundus von Edward Snowden" beschafft werden. Die Autoren mutmaßen, dass anzufragende Medien aus Quellenschutz-Gesichtspunkten dieses Ansinnen wohl eher ablehnen würden. Als weiteres Problem stelle sich den Ermittlern eine mögliche Verjährung der im Raum stehenden Vorwürfe. Bei geheimdienstlichen Agententätigkeiten belaufe die Verjährung fünf Jahren. Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens genüge nicht, um sie ruhen zu lassen.
Ein Hintergrund-Artikel der SZ (Hans Leyendecker/Georg Mascolo) beleuchtet die Schwierigkeiten bei Ermittlungen mit diplomatische Bezug. Ein Zweibrücker Oberstaatsanwalt habe bei Ermittlungen im örtlichen Zusammenhang der Air Base Ramstein "erstklassige" Unterstützung der US-Amerikaner bei gewöhnlicher Kriminalität erfahren. Als er dagegen wegen der Entführung eines Imans 2003 in Italien und dessen anschließender Verbringung über Ramstein zur Folter nach Ägypten gegen CIA-Agenten ermittelten wollte, seien ihm keinerlei Auskünfte erteilt worden. So habe das Verfahren trotz "interessanter" Spuren zweimal eingestellt werden müssen. Auch "die meist sehr erfolgreich" opiererende Münchner Staatsanwaltschaft sei bei ihren Ermittlungen wegen der Verschleppung Khaled el-Masris an mangelnder Kooperationsbereitschaft amerikanischer Stellen, aber auch deutscher Regierungsbehörden gescheitert.
Rechtspolitik
Asylrecht: In einem Gastbeitrag für die SZ fordert Klaus F. Zimmermann, Direktor des Instituts zur Zukunft der Arbeit, eine Reform der europäischen Flüchtlings- und Asylpraxis. Neben ethischen sprächen auch ökonomische Gründe für eine Abkehr vom bisherigen "Festungsdenken," welches die Lasten von Wanderungsbewegungen vor allem den Mittelmeeranrainern aufbürde. Stattdessen sei ein europäisches Quotensystem für die Aufnahme von Flüchtlingen und Asylbewerbern zu entwickeln und müssten diese auch auf nationaler Ebene die Möglichkeit erhalten, sich ihren Lebensunterhalt selbst zu erwirtschaften.
Datenaustausch: Auf einer Tagung in Luxemburg haben sich die EU-Innenminister auf eine verstärkte Zusammenarbeit beim Austausch von Fluggastdaten heimkehrender Syrien-Kämpfer verständigt, berichtet die Welt (Manuel Bewarder/Florian Flade). In diesem Zusammenhang wird Bundesinnenminister Thomas de Maiziére (CDU) mit den Worten zitiert, dass sich durch den Anschlag auf das Jüdische Museum in Brüssel die "abstrakte Bedrohung" durch Bürgerkriegsaktivisten in "eine konkrete Gefahr", der nun begegnet werden müsse, gewandelt habe.
Mindestlohn: Die Welt (Stefan von Borstel, Zusammenfassung) berichtet über die erste Lesung des Mindestlohn-Gesetzentwurfes im Bundestag, dass im kommenden Monat beschlossen werden soll. Die Opposition habe Sonderregelungen des Entwurfs, etwa für Minderjährige oder Langzeitarbeitslose kritisiert.
Dass auch pädagogisch geprägte Praktika, etwa solche, die von Studien- oder Ausbildungsordnungen vorgesehen sind, nicht dem neuen Mindestlohn unterfallen, begrüßt Nadia Pantel (SZ) in einem Kommentar. Denn hierdurch würden Praktika, die vorwiegend dem Berufseinstieg dienten, klarer definiert – als Arbeit, die angemessen entlohnt werden müsse.
Bestellerprinzip: Die FAZ (Joachim Jahn) berichtet über ein von Rechtsprofessor Friedhelm Hufen im Auftrag des Immobilienverbandes Deutschland angefertigtes Rechtsgutachten, nach dem Pläne der Bundesregierung zur Einführung eines Bestellerprinzips im Immobilienrecht verfassungswidrig sind. Die Neuregelung solle Immobilieneigentümer dazu zwingen, einen von ihnen beauftragten Makler selbst zu bezahlen. Nach den Feststellung des Gutachters sei dies unverhältnismäßig.
Hass-Verbrechen: Ein Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums sieht vor, bei der Strafbemessung nach § 46 des Strafgesetzbuches künftig auch "rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende" Motive aufzunehmen. Die Bundestags-Fraktion der Grünen, die eine Erweiterung derartiger Hass-Verbrechen oder Hate Crimes bei Angriffen gegen alle "verletzlichen" Gruppen fordert, veranstaltete nun eine Experten-Anhörung zum Thema. Die taz (Heide Oestreich) berichtet.
Diskriminierung: Henryk M. Broder (Welt) räsoniert über Diskriminierung. Weil ihm bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes anlässlich einer von ihm als diskriminierend empfundenen Bemerkung einer Jungpolitikerin über "alte weiße Männer" mitgeteilt worden sei, dass der Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes nicht eröffnet wäre, folgert der Autor anhand von Äußerungen der Leiterin der Stelle über Homophobie, dass die tatsächliche Agenda der Behörde mitnichten die Bekämpfung von Diskriminierung sei. Stattdessen "geht es um Durchsetzung einer Political Correctness im Dienste gesellschaftlicher Randgruppen, die es geschafft haben, ihre Interessen zum geschützten Interessenbestand der ganzen Gesellschaft zu erklären."
Justiz
EuGH zu Kartell-Haftung: Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs können Abnehmer, die wegen verbotener Absprachen eines Kartells überhöhte Preise bei anderen Lieferanten bezahlt haben, von den Mitgliedern des Kartells Schadensersatz verlangen. Diese erweiterte Haftung für Kartellverstöße rechtfertige sich mit dem kartellbedingten höheren Marktpreis, meldet die FAZ (Joachim Jahn).
BGH zu herausgetragener Vermieterin: Rechtsanwalt Dominik Schüller stellt für lto.de die jüngste Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Hausrecht eines Mieters gegenüber seiner Vermieterin vor. Nach dem Richterspruch rechtfertigt es keine Kündigung, wenn ein Mieter einen Besichtigungstermin, den die Vermieterin zu einer nicht abgesprochenen, weiteren Inspektion nutzte, durch ein Hinaustragen der Frau beendet. Der Autor weist darauf hin, dass die Rechtsprechung bei ähnlich gelagerten Gegenreaktionen üblicherweise "nicht sonderlich kulant" ist, die jetzige Entscheidung sei demnach als Ausnahme zu betrachten.
BVerwG zu Sprachtests: Nach einer Meldung von lto.de hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Verweigerung einer Einbürgerung wegen nicht bestandenem Sprachtest jedenfalls dann unrechtmäßig ist, wenn Alter oder Krankheit dem Erlernen der deutschen Sprache im Wege stehen. Etwaige vergangene Versäumnisse dieser Personengruppen seien für aktuelle Einbürgerungsverfahren ohne Belang.
OLG München – NSU-Prozess: Der vor dem Oberlandesgericht München laufende Prozess gegen Beate Zschäpe und andere wurde mit der Vernehmung der Betreiber des Kölner Ladens fortgesetzt, auf den im Januar 2001 ein Sprengstoffattentat verübt wurde. Der Vater der iranischstämmigen Familie habe ebenso wie seine bei dem Anschlag schwer verletzte Tochter eine Ähnlichkeit des Mitangeklagten Holger G. mit jenem Mann beschrieben, der die in einer Christstollendose platzierte Bombe im Geschäft abgab, berichtet die SZ (Annette Ramelsberger).
OLG Frankfurt zum notwendigen Klageinhalt: Das Oberlandesgericht Frankfurt hat geurteilt, dass zum notwendigen Inhalt einer Klageschrift auch eine ladungsfähige Adresse gehört. Denn diese dokumentiere im Gegensatz zu der im Fall angegebenen c/o-Anschrift des Klägers "die Ernsthaftigkeit seines Begehrens." Über diese Entscheidung zu einer nur "scheinbar banalen Alltagsfrage" berichtet der Richter Benedikt Meyer (zpoblog.de).
LG Würzburg zu sexuellem Missbrauch: Über eine ungewöhnliche Verhandlung vor der Zivilkammer des Landgerichts Würzburg schreibt die SZ (Hans Holzhaider). Ein Pfarrer im Ruhestand habe einem Missbrauchsopfer untersagen wollen, an die Frau gerichtete Schreiben kirchlicher Amtsträger, in denen ihre Vorwürfe bestätigt wurden, verbreiten zu lassen. Nach richterlichem Vorhalt zu einer Unterschrift des Klägers unter ein entsprechendes Protokolle sei die Klage zurückgenommen worden.
LG Heilbronn zu Schlagloch: Wegen der durch ein Schlagloch entstandenen Beschädigungen muss die Stadt Heilbronn einem Autofahrer 300 Euro Schadensersatz zahlen. Über diese Entscheidung des Landgerichts Heilbronn berichtet die FAZ (Rüdiger Soldt). Zwar sei das schadensauslösende Schlagloch vor dem Unfall ausgebessert worden, die beklagte Stadt habe jedoch eine rechtzeitige Kontrolle unterlassen. Der Kläger seinerseits hätte durch eine vorsichtigere Fahrweise den Unfall vermeiden können, weswegen auch nur die Hälfte des begehrten Schadensersatzes zugesprochen worden sei.
LG Stuttgart zu Korruption: Ein vor dem Landgericht Stuttgart anhängiges Verfahren gegen mehrere VW-Manager wegen Bestechlichkeit ist nach Bericht der SZ (Klaus Ott) im Sport-Teil gegen Zahlung von Geldauflagen eingestellt worden. Den Angeklagten war vorgeworfen worden, den Fortbestand von Geschäftsbeziehungen zu einer Telekom-Tochter von deren finanziellem Engagement beim von VW unterstützen Fußball-Verein VfL Wolfsburg abhängig gemacht zu haben. Keiner der Angeklagten habe sich jedoch nach Ansicht des Gerichts bereichern wollen, die Vorteile dieses Kopplungsgeschäftes hätten der VW AG als "Geschäftsherrin" zufließen sollen, weswegen der Autobauer nun auch zwei Millionen Euro Bußgeld zahlen müsse.
Recht in der Welt
Österreich – Akademikerball: Am heutigen Freitag wird in Wien ein Verfahren wegen Landfriedensbruch, schwerer Körperverletzung und Sachbeschädigung gegen einen Thüringer eröffnet. Der junge Mann habe sich im Januar an gewalttätigen Protesten gegen den unter der Regie der FPÖ veranstalteten Akademikerball beteiligt und gelte nach der Aussage von Unterstützergruppen angesichts einer dürftigen Beweislage als "Sündenbock," schreibt die taz (Ralf Leonhard) über die "Polizei- und Justizposse nach Wiener Art."
USA – Edward Snowden: Das Zeit-Magazin (Mariam Lau) stellt in einem längerem Porträt zwei US-amerikanische Anwälte vor, die als Vertreter Edward Snowden an einer Rückkehr des Whistleblowers in seine Heimat arbeiten.
Sonstiges
Google-Löschanträge: Lto.de (Constantin van Lijnden) befasst sich mit den Konsequenzen der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu einem Anspruch auf Löschung von personenbezogenen Einträgen bei der Suchmaschine Google. Die Internetfirma sei nach Freischaltung eines entsprechenden Formulars mit Anträgen förmlich überrannt worden, dabei habe das Gericht keine verwertbaren Voraussetzungen beschrieben, nach denen Einträge zu löschen seien. So gerate Google in die "absurde Situation," im Zweifel auch vor Gericht das öffentliche Gut der Informationsfreiheit zu verteidigen.
Florian Homm: FAZ (Carsten Knop) und Handelsblatt (Michael Brächer) berichten über die Entlassung des mutmaßlichen Anlagebetrügers Florian Homm aus italienischer Untersuchungshaft. Trotz eines US-amerikanischen Auslieferungsersuchens wurde Homm auf Anordnung des Obersten Berufungsgerichts entlassen, weil die Höchstdauer der Untersuchungshaft abgelaufen sei.
Die SZ (Klaus Ott) schreibt über einen Besuch des Entlassenen bei einem Münchner Geschäftsfreund. Der vormalige Finanz-Jongleur plane nun die Freigabe seiner im Ausland eingefrorener Gelder, um diese einer religiösen Stiftung zukommen zu lassen.
Das Letzte zum Schluss
Hammer-Angebot: Auch in der Pharma-Branche herrscht ein hammerharter Wettbewerb. Einer besonders ausgefallenen Werbe-Idee eines findigen Anbieters setzte jetzt jedoch das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg ein Ende. Wie Rechtsanwalt Paul Melot de Beauregard (Handelsblatt-Rechtsboard) schreibt, bewarb das Pharmaunternehmen sein Produkt – ein Blutzuckermesssystem - bei Ärzten mit einem Geschenkkarton, in dem ein Hammer steckte. Der Karton trug die Aufschrift "Hammerpreise schonen Ihr Budget!". Das von einem Konkurrenten angerufene Gericht sah hierin einen Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz. Als unzulässige Zuwendung besäße die Gabe keinen funktionalen Bezug zur ärztlichen Behandlungstätigkeit.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Dienstag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 6. Juni 2014: Spionage und Recht – Schadensersatz für Schlagloch – VW-Korruption eingestellt . In: Legal Tribune Online, 06.06.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12192/ (abgerufen am: 20.05.2024 )
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