Die juristische Presseschau vom 5. März 2013: EU für Recht auf Konto – Spannung zwischen Union und BVerfG – Batman lebt!

05.03.2013

Weitere Themen – Justiz

Union und BVerfG I - Kritik an Voßkuhle: Mit der Kritik an Bundesverfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle durch CDU/CSU-Politiker setzt sich in einem ausführlichen Kommentar Wolfgang Janisch (SZ) auseinander. Dass Richter "nur durch ihre Urteile sprechen", habe wenig mit den Realbedingungen der Gerichte zu tun. Auch in Karlsruhe gebe es bereits seit Mitte der neunziger Jahre eine Wende in der Kommunikation - die führte etwa nach dem Kruzifix-Beschluss im Jahr 1995 zur Einrichtung einer Pressestelle am BVerfG. Voßkuhle müsse auf die Reputation des Gerichts achtgeben, welche "wesentlich" auf der Politikferne beruhe; mit Besuchen in Berlin betrete er jedoch sogar physisch "politisches Terrain".

Laut FAZ (Reinhard Müller) halte die ehemalige Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) die Kritik aus der Union für eine Ablenkung von internen Konflikten, diese "Instrumentalisierung des Gerichts" finde sie jedoch "fatal". Wolfgang Neskovic, ehemaliger Bundesrichter und unlängst aus der Bundestagsfraktion der Linken ausgetreten, zur Kritik am Gerichtspräsidenten: Weder Grundgesetz noch politische Kultur verböten ihm diese Art der Öffentlichkeitsarbeit.

In einem Leitartikel des Handelsblattes meint Daniel Delhaes, Voßkuhle habe mit seinem Presseauftritt den Bogen zwar überspannt und sein Amt unnötig politisiert; die "Zaghaftigkeit der Union bei einer ihrer zentralen Grundüberzeugungen" relativiere seinen "Fehltritt" jedoch.

Union und BVerfG II – Gleichstellung Homo-Ehe: Wie u.a. die FAZ (Johannes Leithäuser) berichtet, will die CDU vorerst nur die jüngst vom Bundesverfassungsgericht gerügten Adoptionstatbestände ändern. "Weitergehende Gleichstellungen bei Adoption und Steuerrecht" seien nicht geplant. In den nächsten Monaten stehe aber die Entscheidung des Gerichts zur steuerlichen Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften an. Mit Blick auch auf die Unions-Kritik an Bundesverfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle meint die taz (Christian Rath), die Union zeige damit ihre Nervosität im Umgang mit dem Thema Homo-Ehe und wolle Karlsruhe nun als Buhmann ausgeben. Aber auch "in der Sache" könne die geäußerte Kritik am Urteil nicht überzeugen: Bei den von CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder im Besonderen angegriffenen Urteils-Ausführungen zum Kindeswohl in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften habe sich das Gericht mit Expertisen "gut abgesichert".

Berthold Kohler (FAZ) findet die Abwesenheit eines "Karlsruhegehorsam" in der CDU konsequent: Das Inhaltliche müsse höher bewertet werden, als das Taktische. Christian Rath (taz) kommentiert: Die Union ließe sich halt lieber von Karlsruhe verpflichten – Schritt für Schritt. Die politische Rolle des Bundesverfassungsgerichts sieht Rath positiv: Es verletze nicht die rechtsstaatliche Gewaltenteilung, "sondern es verhindert, dass aus populistischer Taktik willkürliche Gesetze zulasten umstrittener stigmatisierter Minderheiten gemacht werden".

VerfG Hamburg – Volksentscheide: Die CDU-Fraktion der Hamburger Bürgerschaft hat vor dem Verfassungsgericht Hamburg Klage eingereicht gegen einen geplanten Volksentscheid über die vollständige Übernahme der städtischen Energienetze durch die Stadt. Über die Klage, so berichtet die FAZ (Frank Pergande), wird bis Anfang April entschieden. Konkret zweifle die Fraktion in zwei Punkten an der Verfassungsmäßigkeit des Entscheids: Die Vorlage sei nicht "hinreichend klar" und das Budgetrecht der Bürgerschaft werde berührt.

VG Karlsruhe – Fall Koch-Mehrin: Wie die FR berichtet, musst Silvana Koch-Mehrin (FDP) mit einer Niederlage im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe rechnen. Sie hatte einen Verfahrensfehler bei der Aberkennung des Doktortitels durch ein Gremium der Universität Heidelberg beanstandet. Die Vorsitzende Richterin habe gestern jedoch mehrfach angedeutet, dass es für die Aberkennung unerheblich sei, ob das Gremium "in allen Details richtig gewählt worden ist". Dazu auch lto.de.

OLG Frankfurt zu Klapperkiste: Klappergeräusche bei Autofahren, deren Ursache nicht festgestellt werden kann, berechtigen zum Rücktritt vom Kaufvertrag, so laut Rechtslupe.de das Oberlandesgericht Frankfurt in der vergangenen Woche. Die „voraussichtlich anfallenden Mängelbeseitigungskosten“ lägen zwar unterhalb der Bagatellgrenze von einem Prozent des Kaufpreises; ein Auto, in welchem sich die „Insassen nicht sicher fühlten“, sei jedoch mangelhaft.

LG Aurich zu fliegendem Gerichtsstand: Wegen Schikane der Gegenseite wies das Landgericht Aurich, so lawblog.de (Udo Vetter), eine Abmahnklage als unzulässig zurück. Bei "Internet-Geschichten" ermögliche es der "fliegende Gerichtsstand" zwar grundsätzlich, an jedem Ort zu klagen, an welchem ein fragliches Angebot abrufbar sei; im konkreten Fall nahm das Gericht jedoch eine böse Absicht der Abmahnerin an: Keine der Parteien sei in Aurich ansässig und es gebe nicht einmal einen Personenbahnhof.

LG Mannheim verurteilt Anlagebetrüger: Wie u.a. bild.de meldet, hat das Landgericht Mannheim Ulrich Engler zu acht Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Aus den USA hatte Engler mit Geldern getäuschter Anleger ein Schneeballsystem betrieben und am Ende einen Schaden von etwa einer halbe Milliarde Euro verursacht. Spiegel.de (Julia Jüttner) berichtet von der Urteilsverkündung und dem Deal zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft: Wegen des umfassenden Geständnisses war eine maximale Hafthöhe von acht Jahre und neun Monate vereinbart worden. Da Engler, ehemaliger Bundeswehrsoldat und Staubsaugervertreter, "Erstverbüßer" sei und bereits zehn Monate in Auslieferungs- und Untersuchungshaft gesessen habe, werde die tatsächliche Haftzeit wohl deutlich kürzer ausfallen.

AG Lüneburg verschafft Telefonanschluss: Wie lto.de meldet, hat das Amtsgericht Lüneburg zwei Anwältinnen, die ihre Kanzleien an einen neuen gemeinsamen Standort verlegten, per einstweiliger Verfügung zu einem Telekom-Telefonanschluss innerhalb von 24 Stunden verholfen. Die Telekom hatte sie bis Juni warten lassen wollen.

"Justizposse um Ergo-Sexreise": Wie das Handelsblatt (Sönke Iwersen) berichtet, streiten das Amtsgericht Hamburg St. Georg und das Landgericht Hamburg über die Zuständigkeit im Fall um die Belohnungs-Reise zu einer "Orgie" in Budapest, geplant von der Ergo-Tochter Hamburg-Mannheimer. Beide Gerichte fühlen sich unzuständig. Dem AG ist der Fall zu groß, so das Handelsblatt, das LG findet, das Verfahren sei nicht außergewöhnlich groß, das AG soll es durchführen. Gegen die Abweisung des LG habe nun die Hamburger Staatsanwaltschaft Beschwerde beim Hanseatischen Oberlandesgericht eingelegt.

Selbstanzeige aus der Schweiz: Wie die SZ (Claus Hulverscheidt/Klaus Ott) berichtet, wollen Schweizer Banken deutsche Kunden zu Selbstanzeigen beim deutschen Fiskus bewegen, um "reinen Tisch" zu machen.

Englisch als Verfahrenssprache: Auf der Recht und Steuern- Seite des Handelsblattes votiert Rechtsanwalt Jörg Risse für Englisch als Verfahrenssprache am "Justizstandort" Deutschland. Das Ausweichen auf vertrauliche Schiedsverfahren sei auch mit Blick auf die Rechtsfortbildung bedenklich.

Polizeigewalt: Dem Fall der 23-jährigen Münchnerin Teresa Z., die nach einem Streit mit ihrem Freund die Polizei um Hilfe rief und später mit gebrochener Nase und anderen Verletzungen im Krankenhaus landete, widmet die taz (Marlene Halser) eine große Reportage unter dem Titel: "Die Polizei, kein Freund und Helfer". Die junge Frau habe Anzeige wegen Körperverletzung, die Polizei u.a. wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt erstattet.

S21- Grubes riskante Pläne: Den Plan von Deutsche Bahn-Chef Rüdiger Grube, bei Weigerung von Baden-Württemberg und Stuttgart, sich an den steigenden Kosten für Stuttgart 21 zu beteiligten, vor Gericht zu ziehen hält Rechtsprofessor Joachim Wieland auf lto.de für höchst riskant. Das Gericht müsse dann nämlich prüfen, ob die Finanzierungszusagen von Land und Stadt "zu Stuttgart 21 und der Schnellstrecke gegen das Verbot der Mischfinanzierung verstoßen". Erkennt das Gericht einen Verstoß, wie Wieland erwartet, könnten Land und Stadt "Millionenbeträge aus einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch zurückverlangen".

Beschlussmangelklagen: Anlässlich des Dossiers des Handelsblattes zu Berufsklägern und dem u.a. geschilderten Fall der Klage von Kleinaktionären über laute Händetrockner in der Toilette während einer Hauptversammlung von Osram stellt Ulrich Noack (Handelsblatt-Rechtsboard) drei neue "ausgezeichnete" Dissertationen zum Beschlussmängelrecht bei Aktiengesellschaften vor.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 5. März 2013: EU für Recht auf Konto – Spannung zwischen Union und BVerfG – Batman lebt! . In: Legal Tribune Online, 05.03.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8264/ (abgerufen am: 10.05.2024 )

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