Die juristische Presseschau vom 2. Juni 2016: Anti-Prosti­tu­tions-Gesetz? / BVerfG zu Präv­en­tiv­ge­wahrsam / Kom­mis­sion gegen Polen

02.06.2016

Der Bundestag diskutiert über ein umstrittenes Gesetz zum Prostituiertenschutz. Außerdem in der Presseschau: Karlsruhe billigt Gewahrsam von Aktivisten und die EU-Kommission leitet das Rechtsstaatsverfahren gegen Polen ein.

Thema des Tages

Prostituiertenschutz: Wie die Welt (Sabine Menkens) berichtet, wird am heutigen Donnerstag im Bundestag zum ersten Mal über das neue Gesetz zum Prostituiertenschutz beraten. Es sieht eine Erlaubnis- und Zuverlässigkeitspflicht für Bordellbetreiber sowie das Verbot von Flatratesex und Gangbangpartys vor. Prostituierte sollen zudem verpflichtet werden, sich anzumelden, regelmäßig ihre Gesundheit überprüfen zu lassen und Kondome zu nutzen. Der Gesetzentwurf ruft den Protest von Prostituiertenverbänden hervor. Laut ihnen handele es sich um ein "Anti-Prostitutions-Gesetz","das nicht Prostituierte vor Zwang, sondern die Gesellschaft vor Prostitution schützt". Sozialverbände befürchten ein Abrutschen des Gewerbes in die Illegalität. Kritik gibt es aber auch von anderer Seite: Das Bündnis "Stopp Sexkauf" fordert ein vollständiges Verbot der Prostitution.

Rechtspolitik

Anti-Terror-Paket: Die Bundesregierung hat das von ihr geplante Anti-Terror-Paket auf den Weg gebracht und einen Gesetzentwurf beschlossen. Er sieht unter anderem die intensivere Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten sowie den Einsatz von verdeckten Ermittlern zu präventiven Zwecken durch Bundespolizei und Bundeskriminalamt vor. Außerdem sollen Käufer von Prepaid-Karten künftig einen Ausweis vorlegen müssen. Die SZ (Benedikt Peters) und netzpolitik.org (Andre Meister) berichten über den Gesetzentwurf und die Kritik daran.

Erbschaftsteuer: Ende Juni läuft die Frist ab, die das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber zur Reform der Erbschaftsteuer gesetzt hat. Noch immer wird innerhalb der Regierung um eine Einigung gerungen. spiegel.de (David Böcking) beantwortete vor dem Koalitionsgipfel am Mittwochabend die wichtigsten Fragen zur Reform. Laut spiegel.de gab es keinen Durchbruch, ein nächstes Treffen könnnte schon am Freitag folgen.

Zeitarbeit: Die Bundesregierung hat jetzt den lange umstrittenen Gesetzentwurf mit strengeren Regeln zur Zeitarbeit beschlossen. Danach soll unter anderem der Einsatz von Zeitarbeitern auf 18 Monate begrenzt und eine Gleichbezahlung von Zeit- und Stammkräften nach 9 Monaten vorgeschrieben werden. Die FAZ (Manfred Schäfers) schildert Reaktionen der Arbeitgeberverbände, die teilweise noch auf Änderungen in den parlamentarischen Beratungen hoffen.

Sexualstrafrecht: Der Gesetzentwurf aus dem Justizministerium zur Verschärfung des Sexualstrafrechts geht führenden Rechts- und Familienpolitikerinnen aus SPD und Union nicht weit genug. Das berichtet die SZ (Constanze von Bullion). In einem Eckpunktepapier fordern die Politikerinnen die Umsetzung des Prinzips "Nein heißt Nein". Danach soll es für eine Strafbarkeit genügen, wenn der Täter sich über den erklärten Willen des Opfers hinwegsetzt. Zudem müsste ein neuer Straftatbestand der "tätlichen sexuellen Belästigung" sowie des "sexuellen Missbrauchs aus Gruppen" geschaffen werden.

Störerhaftung: Nach der Begründung des Gesetzentwurfs zur Abschaffung der Störerhaftung sind alle Ansprüche gegen WLAN-Betreiber ausgeschlossen, dagegen lässt der geplante Gesetzestext Raum für Unterlassungsansprüche. lto.de (Constantin van Lijnden) vermutet hinter dieser Unklarheit einen Kompromiss zwischen den Regierungsfraktionen und weist darauf hin, dass der EuGH bald zur Auflösung der Frage beitragen könne. Dieser muss sich in einem zur Entscheidung anstehenden Verfahren dazu äußern, ob WLAN-Betreibern die Rechtsverfolgungskosten für Rechtsverletzungen Dritter auferlegt werden dürfen. Ist dies unzulässig, so wäre Unterlassungsklagen der wirtschaftliche Sinn entzogen.

Asylklausel im Integrationsgesetz: Das Deutsche Insititut für Menschenrechte warnt vor einer "versteckten" Asylklausel im Integrationsgesetz, das am Freitag im Bundestag diskutiert werden soll. Nach der Klausel ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein Drittstaat bereit ist, den Antragsteller aufzunehmen. Wie die FR (Steven Geyer/Ursula Rüssmann) erläutert, ist bisher unklar, was mit der Änderung bezweckt wird. Das Menschenrechtsinstitut befürchtet jedoch, dass eine Grundlage für Rückübernahmeabkommen nach dem Vorbild der EU-Türkei-Vereinbarung geschaffen werde.

Bayerisches Integrationsgesetz: Die taz (Dominik Baur) befasst sich mit dem Streit um das bayrische Integrationsgesetz. Am Mittwoch fand im bayerischen Landtag die erste Lesung zu dem Gesetz statt, das Einwanderern vorschreiben soll, sich an der "christlich-abendländischen Leitkultur" zu orientieren. Schon vorher hatte ein Bündnis aus SPD, Grüne Gewerkschaften und anderen Gruppen angekündigt, schnellstmöglich Klage vor dem Bundesverfassungsgericht einzureichen. Klaus Hahnzog, ehemaliger SPD-Landtagsabgeordnete und ehrenamtlicher Richter am Bayerischen Verfassungsgerichtshof, hält dies für erfolgversprechend, da die "Verfassungswidrigkeit dem Gesetz auf die Stirn geschrieben steht".

DAV-Präsident zu Strafrecht: Anlässlich des 67. Deutschen Anwaltstags interviewt die SZ (Wolfgang Janisch) den Präsidenten des Deutschen Anwaltvereins Ulrich Schellenberg. Schellenberg kritisiert gesetzgeberischen Aktionismus im Bereich des Strafrechts und fordert eine Rückbesinnung auf den Schutz elementarer Rechtsgüter. Diese Haltung werde auch in der Anwaltschaft geteilt.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 2. Juni 2016: Anti-Prostitutions-Gesetz? / BVerfG zu Präventivgewahrsam / Kommission gegen Polen . In: Legal Tribune Online, 02.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19522/ (abgerufen am: 05.05.2024 )

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