Der Bundestag diskutiert über ein umstrittenes Gesetz zum Prostituiertenschutz. Außerdem in der Presseschau: Karlsruhe billigt Gewahrsam von Aktivisten und die EU-Kommission leitet das Rechtsstaatsverfahren gegen Polen ein.
Thema des Tages
Prostituiertenschutz: Wie die Welt (Sabine Menkens) berichtet, wird am heutigen Donnerstag im Bundestag zum ersten Mal über das neue Gesetz zum Prostituiertenschutz beraten. Es sieht eine Erlaubnis- und Zuverlässigkeitspflicht für Bordellbetreiber sowie das Verbot von Flatratesex und Gangbangpartys vor. Prostituierte sollen zudem verpflichtet werden, sich anzumelden, regelmäßig ihre Gesundheit überprüfen zu lassen und Kondome zu nutzen. Der Gesetzentwurf ruft den Protest von Prostituiertenverbänden hervor. Laut ihnen handele es sich um ein "Anti-Prostitutions-Gesetz","das nicht Prostituierte vor Zwang, sondern die Gesellschaft vor Prostitution schützt". Sozialverbände befürchten ein Abrutschen des Gewerbes in die Illegalität. Kritik gibt es aber auch von anderer Seite: Das Bündnis "Stopp Sexkauf" fordert ein vollständiges Verbot der Prostitution.
Rechtspolitik
Anti-Terror-Paket: Die Bundesregierung hat das von ihr geplante Anti-Terror-Paket auf den Weg gebracht und einen Gesetzentwurf beschlossen. Er sieht unter anderem die intensivere Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten sowie den Einsatz von verdeckten Ermittlern zu präventiven Zwecken durch Bundespolizei und Bundeskriminalamt vor. Außerdem sollen Käufer von Prepaid-Karten künftig einen Ausweis vorlegen müssen. Die SZ (Benedikt Peters) und netzpolitik.org (Andre Meister) berichten über den Gesetzentwurf und die Kritik daran.
Erbschaftsteuer: Ende Juni läuft die Frist ab, die das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber zur Reform der Erbschaftsteuer gesetzt hat. Noch immer wird innerhalb der Regierung um eine Einigung gerungen. spiegel.de (David Böcking) beantwortete vor dem Koalitionsgipfel am Mittwochabend die wichtigsten Fragen zur Reform. Laut spiegel.de gab es keinen Durchbruch, ein nächstes Treffen könnnte schon am Freitag folgen.
Zeitarbeit: Die Bundesregierung hat jetzt den lange umstrittenen Gesetzentwurf mit strengeren Regeln zur Zeitarbeit beschlossen. Danach soll unter anderem der Einsatz von Zeitarbeitern auf 18 Monate begrenzt und eine Gleichbezahlung von Zeit- und Stammkräften nach 9 Monaten vorgeschrieben werden. Die FAZ (Manfred Schäfers) schildert Reaktionen der Arbeitgeberverbände, die teilweise noch auf Änderungen in den parlamentarischen Beratungen hoffen.
Sexualstrafrecht: Der Gesetzentwurf aus dem Justizministerium zur Verschärfung des Sexualstrafrechts geht führenden Rechts- und Familienpolitikerinnen aus SPD und Union nicht weit genug. Das berichtet die SZ (Constanze von Bullion). In einem Eckpunktepapier fordern die Politikerinnen die Umsetzung des Prinzips "Nein heißt Nein". Danach soll es für eine Strafbarkeit genügen, wenn der Täter sich über den erklärten Willen des Opfers hinwegsetzt. Zudem müsste ein neuer Straftatbestand der "tätlichen sexuellen Belästigung" sowie des "sexuellen Missbrauchs aus Gruppen" geschaffen werden.
Störerhaftung: Nach der Begründung des Gesetzentwurfs zur Abschaffung der Störerhaftung sind alle Ansprüche gegen WLAN-Betreiber ausgeschlossen, dagegen lässt der geplante Gesetzestext Raum für Unterlassungsansprüche. lto.de (Constantin van Lijnden) vermutet hinter dieser Unklarheit einen Kompromiss zwischen den Regierungsfraktionen und weist darauf hin, dass der EuGH bald zur Auflösung der Frage beitragen könne. Dieser muss sich in einem zur Entscheidung anstehenden Verfahren dazu äußern, ob WLAN-Betreibern die Rechtsverfolgungskosten für Rechtsverletzungen Dritter auferlegt werden dürfen. Ist dies unzulässig, so wäre Unterlassungsklagen der wirtschaftliche Sinn entzogen.
Asylklausel im Integrationsgesetz: Das Deutsche Insititut für Menschenrechte warnt vor einer "versteckten" Asylklausel im Integrationsgesetz, das am Freitag im Bundestag diskutiert werden soll. Nach der Klausel ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein Drittstaat bereit ist, den Antragsteller aufzunehmen. Wie die FR (Steven Geyer/Ursula Rüssmann) erläutert, ist bisher unklar, was mit der Änderung bezweckt wird. Das Menschenrechtsinstitut befürchtet jedoch, dass eine Grundlage für Rückübernahmeabkommen nach dem Vorbild der EU-Türkei-Vereinbarung geschaffen werde.
Bayerisches Integrationsgesetz: Die taz (Dominik Baur) befasst sich mit dem Streit um das bayrische Integrationsgesetz. Am Mittwoch fand im bayerischen Landtag die erste Lesung zu dem Gesetz statt, das Einwanderern vorschreiben soll, sich an der "christlich-abendländischen Leitkultur" zu orientieren. Schon vorher hatte ein Bündnis aus SPD, Grüne Gewerkschaften und anderen Gruppen angekündigt, schnellstmöglich Klage vor dem Bundesverfassungsgericht einzureichen. Klaus Hahnzog, ehemaliger SPD-Landtagsabgeordnete und ehrenamtlicher Richter am Bayerischen Verfassungsgerichtshof, hält dies für erfolgversprechend, da die "Verfassungswidrigkeit dem Gesetz auf die Stirn geschrieben steht".
DAV-Präsident zu Strafrecht: Anlässlich des 67. Deutschen Anwaltstags interviewt die SZ (Wolfgang Janisch) den Präsidenten des Deutschen Anwaltvereins Ulrich Schellenberg. Schellenberg kritisiert gesetzgeberischen Aktionismus im Bereich des Strafrechts und fordert eine Rückbesinnung auf den Schutz elementarer Rechtsgüter. Diese Haltung werde auch in der Anwaltschaft geteilt.
Justiz
BVerfG zu Präventivgewahrsam: Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde von zwei Aktivisten abgewiesen, die während eines Castor-Transports 2011 in Gewahrsam genommen wurden. Nachdem die Aktivisten dabei erwischt worden waren, Steine aus dem Gleisbett zu holen, wurden sie bis zur Ankunft des Transports festgehalten. Das BVerfG sieht darin auch unter Berücksichtigung der Europäische Menschenrechtskonvention keine Verletzung der Freiheit der Person, meldet lto.de.
BVerfG zu Sampling: Rechtsprofessor Dan Wielsch befasst sich für verfassungsblog.de mit der Sampling-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Das "verfassungsrechtlich unspektakuläre" Urteil habe klargestellt, dass der Kunst zwar nicht alles erlaubt sei, aber "mehr, als die Gerichte außerhalb des Schloßbezirks in Karlsruhe sich vorstellen wollten."
BVerfG historisch: lto.de (Michael Reissenberger) nimmt in einem Audio-Podcast die Diskussion um die Rehabilitierung verurteilter Homosexueller zum Anlass, für eine stärkere Historisierung und Kontextualisierung der Urteile des Bundesverfassungsgerichts zu plädieren. Es komme nicht nur darauf an, welche Entscheidung getroffen wurde, sondern auch was zu der Entscheidung geführt hat.
LG Hamburg – Sex-Orgie: Zwei Manager der Hamburg-Mannheimer sollen 330.000 Euro des Unternehmens verwendet haben, um für 64 Versicherungsvertreter in Budapast eine Sex-Orgie mit 20 Prostituierten zu organisieren. Sie sollen dabei gegen interne Regeln des Unternehmens verstoßen haben. Ab Juli müssen sie sich vor dem Landgericht Hamburg wegen Untreue im besonders schweren Fall sowie Beihilfe zur Untreue verantworten, meldet spiegel.de.
LG Siegen – Gasmann: Über acht jahre lang sprengte Iztok Hartmut O. Geldautomaten, indem er Gas in die Automaten einleitete und es mit einer flüssigen Lunte zündete. Nun muss sich der von der Presse so getaufte "Gasmann" wegen mehrfachen schweren Diebstahl und Herbeiführen von Explosionen vor dem Landgericht Siegen behaupten. Wie die FAZ (Julian Dorn) berichtet, begann der zweite Prozesstag mit der Verlesung einer Verständigung. Die Freiheitsstrafe soll zwischen sechs Jahren und acht Monaten und sieben Jahren und drei Monaten liegen. Dafür will der Angeklagte am nächsten Prozesstag ein Geständnis ablegen.
LG Köln zu Natascha Kampusch: Das österreichische Entführungsopfer Natascha Kampusch, hat laut FAZ (Reiner Burger) vor dem Landgericht Köln eine Niederlage erlitten. Sie wollte per einstweiliger Verfügung die Veröffentlichung eines Buches des Autors Peter Reichard verhindern. In diesem werden ausführlich Videoaufnahmen beschrieben, die der Entführer von Kampusch gemacht hatte. In der mündlichen Verhandlung hatten die Richter bereits darauf hingewiesen, dass Kampusch selbst schon vor einigen Jahren in einem eigenen Buch viele Details aus den Videos veröffentlicht hatte.
KG Berlin zu FSK-18-Filmen im Knast: lawblog.de (Udo Vetter) weist auf einen Beschluss des Kammergerichts Berlin hin, nach dem Gefangene kein Recht auf die Benutzung von Filmen haben, die von der FSK ab 18 freigegeben sind. Ein Insasse wollte DVDs aus der Reihe "Deutschland Swing Party" in die Zelle nehmen. Das Verbot sei jedoch rechtmäßig, da FSK-18-Filme generell die Vollzugsziele und die Sicherheit der Anstalt gefährden würde, so das Kammergericht.
Intellektuelle gegen AG München: Die Zeit (Christine Lemke-Matwey) schreibt über die Kritik von bayrischen Intellektuellen an einem Urteil des Amtsgerichts München. Dieses hatte den Pianisten und Musikwissenschaftler Siegfried Mauser wegen zwei Fällen von sexueller Nötigung zu 15 Monaten auf Bewährung und einer Geldstrafe von 25.000 Euro verurteilt. Michael Krüger, Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, hat daraufhin einen Leserbrief an die SZ geschrieben, in dem von einem "Komplott" und einer "Blamage für die Justiz" die Rede ist. Auch sein Vorgänger Dieter Borchmeyer sowie Hans Magnus Enzensberger sprangen dem Verurteilten zur Seite.
Recht in der Welt
Polen – Rechtsstaatsverfahren: Der Streit um die Justizreform in Polen geht in die nächste Runde. Am Mittwoch hat Kommissions-Vizepräsident Frans Timmermans Polen offiziell verwarnt und ein Ultimatum von zwei Wochen gesetzt, um Bedenken wegen möglicher Verstöße gegen rechtsstaatliche Prinzipien zu klären. Damit habe das Verfahren zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit in Polen formell begonnen, schreibt spiegel.de (Markus Becker). Die FAZ (Konrad Schuller/Michael Stabenow) zitiert Aussagen von PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski. Für ihn ist das Vorgehen der EU-Kommission "eine Prozedur außerhalb der Verträge, etwas Ausgedachtes, was jederzeit beim Gerichtshof der Europäischen Union angefochten werden kann". Zu einem Verfahren nach Art. 7 EU-Vertrag werde es außerdem schon deshalb nicht kommen, weil die dafür erforderliche Einstimmigkeit im Rat der EU fehle. Auch die SZ (Daniel Brössler) schildert den Streit und lässt den polnischen Justizminister Zbigniew Ziobro zu Wort kommen, der der Kommission vorwirft, in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates einzugreifen.
In einem gesonderten Kommentar bezeichnet Daniel Brössler (SZ) es als Ironie, dass ausgerechnet Polen mit Rechtsmitteln drohe. Die Kommission sei sehr wohl zuständig, jedoch seien ihre Mittel begrenzt.
Schweiz – Händedruck: Zwei muslimische Schüler, die sich weigern, ihrer Lehrerin die Hand zu geben, wollen notfalls bis vor das Schweizer Bundesgericht ziehen, meldet spiegel.de. Der Islamische Zentralrat Schweiz unterstützt die beiden Schüler.
Sonstiges
Entlastung des VW-Vorstands: Anlässlich der Empfehlung des VW-Aufsichtsrates den Vorstand zu entlasten, setzt sich der Rechtsanwalt Stefan Heutz auf lto.de mit dem Instrument der Entlastung auseinander. Anders als im GmbH-Recht habe die Entlastung des Vorstands einer Aktiengesellschaft keine unmittelbaren Rechtsfolgen. Weder stelle er einen Verzicht auf etwaige Ansprüche dar, noch würden Vorstandsmitglieder abberufen. Daher sei die Empfehlung des VW-Aufsichtsrates konsequent: Er bestätigt die bisherige Kommunikationslinie des Unternehmens, nach der Vorstandsmitglieder nicht in den Abgas-Skandal involviert sind.
Ombudsman für die Wissenschaft: Der Rechtsprofessor und Sprecher des Gremiums "Ombudsman für die Wissenschaft" Stephan Rixen würdigt in einem Gastbeitrag für die FAZ die Leistungen seines Vorgängers Wolfgang Löwer. Der Wissenschaftsrechtsexperte gehörte über zehn Jahre dem Gremium an, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Beratung und Unterstützung in Fragen guter wissenschaftlicher Praxis eingesetzt wurde. Rixen bezeichnet das Gremium als eine Mischung aus Klagemauer, Kümmerer, Notfallhelfer und diskretem Problemlöser.
Verschwiegenheitsklauseln: Der Berliner Arbeitsrechtler Ulf Weigelt erläutert in seiner Arbeitsrechtskolumne auf zeit.de Vertragsklauseln, die Arbeitnehmer verpflichten, über das Arbeitsverhältnis hinaus Informationen für sich zu behalten.
Das Letzte zum Schluss
Tochter stirbt nicht schnell genug: Ein Polizeibeamter hat immer wieder Sonderurlaub für Hospizaufenthalte seiner Tochter bekommen, die nach ärztlichen Diagnosen nur noch wenige Monate leben sollte. Als die Tochter jedoch nach zehn Jahren immer noch nicht gestorben war, verweigerte die zuständige Polizeidirektion den Urlaub. Das Verwaltungsgericht Osnabrück gab dem Beamten Recht. Der glückliche Zufall, dass seine Tochter immer noch lebe, könne nicht an die Stelle der ärztlichen Prognoseeinschätzung treten. Den Fall erläutert Justillon (Andreas Stephan).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dw
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 2. Juni 2016: Anti-Prostitutions-Gesetz? / BVerfG zu Präventivgewahrsam / Kommission gegen Polen . In: Legal Tribune Online, 02.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19522/ (abgerufen am: 19.05.2024 )
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