Die juristische Presseschau vom 5. bis 7. September 2015: Lösung der Flücht­lings­krise? – BVerfG ver­ur­teilt sich selbst – Daten­wei­ter­gabe an CIA

07.09.2015

Jean-Claude Juncker hat einen Notfallplan zur Flüchtlingsverteilung in der EU. Außerdem in der Presseschau: Vorschläge und Kommentare zur Flüchtlingskrise, BVerfG verurteilt sich selbst und wie zweifelhafte Therapeuten Justizirrtümer produzieren.

Thema des Tages

Lösung der Flüchtlingskrise? Jean-Claude Juncker will am kommenden Mittwoch einen Gesetzentwurf mit konkreten Maßnahmen zur Lösung der Flüchtlingskrise vorschlagen. Flüchtlinge sollen demnach – als Ausnahme zum Dublin-System – entsprechend einem verbindlichen Quotenschlüssel auf die Mitgliedstaaten verteilt werden, wenn eine Notlage im betreffenden EU-Staat das Funktionieren des Asylsystems beeinträchtigt. Bringt ein anderer EU-Staat "objektive, mit den Grundwerten der Union vereinbare Gründe" vor, so kann er bei dieser Umverteilung nicht berücksichtigt werden (Solidaritätsklausel). Zudem seien kurzfristige Maßnahmen geplant, etwa Flüchtlinge aus den EU-Grenzstaaten umzusiedeln. Es gelte als unsicher, dass die Mitgliedsstaaten dem Vorschlag Junckers zustimmen. Die Montags-FAZ (Helene Bubrowski) stellt den ihr vorliegenden Entwurf vor. Auch Montags-SZ (Thomas Kirchner) und FAS (Thomas Gutschker/Markus Wehner – faz.net-Zusammenfassung) berichten.

Rechtspolitik

Vorschläge zur Flüchtlingspolitik: Im Interview mit der FR (Arnd Festerling/Stephan Hebel) erklärt Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), welche Maßnahmen seiner Ansicht nach geeignet sind, um die Flüchtlingskrise zu lösen und Fremdenfeindlichkeit zu reduzieren.

In einem Gastbeitrag stellt der österreichische Außenminister Sebastian Kurz im Focus seinen 5-Punkte-Plan zur Lösung der Flüchtlingskrise vor. Dabei sei es wichtig, in der EU eine gemeinsame Linie zu finden und auch die Ursachen der Flucht zu bekämpfen.

Der Spiegel (Martin U. Müller) setzt sich kritisch mit der EU-Richtlinie 2001/51/EG auseinander, welche es Flüchtlingen ohne vollständige Einreiseunterlagen unmöglich macht, per Flugzeug in die EU zu reisen, und wirft die Frage auf, ob diese nicht geändert werden müsste. Diese Regelungen sollten zwar auf Asylsuchende nach der Genfer Konvention nicht angewendet werden – in der Praxis funktioniere das aber nicht. Da Airlines sanktioniert werden, wenn sie Flüchtlinge mit unvollständigen Einreisedokumenten befördern, seien sie entsprechend strikt bei der Abweisung potentieller Fluggäste.

Meinungen zur Flüchtlingspolitik: Die Samstags-Welt (Andrea Seibel) spricht mit dem ehemaligen Verfassungsrichter Udo di Fabio über die derzeitige Flüchtlingskrise und die damit zusammenhängenden Spannungen in EU und Gesellschaft. Der Beitrag enthält auch auch persönliche Einblicke in das Leben der "Koryphäe".

Christian Bommarius (BerlZ) kritisiert, Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) versuche das Asylrecht zu  beschränken, indem er "auf Biegen und Brechen" die Zahl der sicheren Herkunftsstaaten erhöhen will.

Die Änderung des Grundgesetzes zum Asylrecht ist "vorerst vom Tisch", nachdem unter anderem Sigmar Gabriel (SPD) das Vorbringen abgelehnt hat, konstatiert Christian Rath (taz.de). Die Reform hätte aber ohnehin nur dazu geführt, ein "symbolisches Konstrukt" zu normieren. Es sei zudem "doppelt bemerkenswert", dass SPD-Politiker sich nun gegen besagte Reform wehrten, nachdem die Partei 1993 maßgeblich daran beteiligt war, das Asylrecht von Flüchtlingen aus "sicheren Herkunftsstaaten" und "sicheren Drittstaaten" einzuschränken.

Die EU muss jetzt beweisen, "was die europäischen Grundrechte wirklich wert sind", betont Heribert Prantl (Montags-SZ). Es sei "Hochverrat" an den Werten der EU, wenn Polen und Ungarn sich weigern, Menschen, die sich in höchster Not befinden, wegen "falscher Religion" nicht aufzunehmen. Europa lebe von seinen Werten: "Wenn ihm diese Werte nichts mehr wert sind, ist Europa das Überleben nicht wert."

EU-Außenministertreffen: Kontroverse Debatten über die Quotenregelungen haben das EU-Außenministertreffen dominiert. Die Montags-FAZ (Helene Bubrowski/Karl-Peter Schwarz) fasst das Ergebnis des Treffens vom vergangenen Wochenende und die vertretenen Meinungen zusammen. Die EU sei hier "höchstens in Trippelschritten" fortgeschritten.

Die Samstags-FAZ (Helene Bubrowski) führt verschiedene flüchtlingspolitische Positionen und Vorschläge der EU-Außenminister aus. Weitestgehend einig seien sich die Mitgliedsstaaten darüber, verstärkt gegen Schleuser vorzugehen.

Volksentscheid zu Gerichtsstrukturreform: Der Volksentscheid zur Gerichtsstrukturreform in Mecklenburg-Vorpommern ist gescheitert, weil sich lediglich 23,7 Prozent der Wahlberechtigten beteiligten. Dies entspricht nicht den Hürden, welche die Landesverfassung an einen Volksentscheid stellt. 33,3 Prozent der Wahlberechtigten wären notwendig gewesen, um die Gerichtsstrukturreform rückgängig zu machen – Kritiker bewerteten dies als zu hoch. ndr.de informiert.

spiegel.de (Benjamin Schulz/Anna van Hove) beschreibt ausführlich die Kritik an der Gerichtsstrukturreform in Mecklenburg-Vorpommern.

Legalisierung von Cannabis: Der Jugendrichter Andreas Müller schildert bild.de (Marcus Hellwig), warum er sich dafür ausspricht, Cannabis zu legalisieren.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 5. bis 7. September 2015: Lösung der Flüchtlingskrise? – BVerfG verurteilt sich selbst – Datenweitergabe an CIA . In: Legal Tribune Online, 07.09.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16816/ (abgerufen am: 29.04.2024 )

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