Die juristische Presseschau vom 11. August 2011: Schwarzgeldwaschen bald legal – Urlaubsabgeltung bald weg – Strafgerichtshof bald Farce

11.08.2011

Das neue Steuerabkommen mit der Schweiz ist heute das zentrale Thema. Künftig soll deutsches Schwarzgeld auf schweizer Konten unter Wahrung der Anonymität pauschal besteuert werden. Außerdem in der Presseschau: die verfassungswidrige Stuttgart 21-Finanzierung, schnell verfallende Urlaubsabgeltungsansprüche, ein vorgeführter Strafgerichtshof und vieles andere.

 

Steuerabkommen: Die deutsche und die schweizer Regierung haben sich nach jahrelangen Verhandlungen auf ein Steuerabkommen geeinigt, das den Umgang mit deutschem Schwarzgeld in der Schweiz regelt. Das berichten neben vielen anderen Medien die FAZ (Joachim Jahn) und die taz (Malte Kreutzfeldt). Die Steuersünder blieben dabei anonym; mit Zahlung der Steuer entfalle gleichzeitig die Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung – sofern der Täter bis zur Zahlung noch nicht ermittelt worden sei. Zudem sehe das Abkommen eine erweiterte Amtshilfe der schweizer Behörden gegenüber deutschen Steuerermittlern vor. Es müsse noch unterzeichnet und von den nationalen Gesetzgebern angenommen werden; in der Schweiz könne eine Volksabstimmung nötig sein. Scharfe Kritik kommt laut taz aus der Opposition – es handele sich um einen "Belohnungspaket für deutsche Steuerkriminelle und ihre Schweizer Helfer", so Wolfgang Neskovic (Linke).

Joachim Jahn (FAZ) beklagt einerseits, "ehrliche Steuerzahler" würden nun "die Faust in der Tasche ballen", weil das Abkommen kriminelles Risiko belohne. Andererseits sei mehr "kaum herauszuholen" gewesen. Claus Hulverscheidt (SZ) fragt danach, ob es juristisch korrekt sei, wenn "der Staat auf sein Strafverfolgungsrecht einfach verzichtet", betont aber, dass der jetzige Zustand noch ungerechter sei.

Die FTD sieht dies in ihrem Leitartikel ähnlich und hält das Abkommen für einen klugen Kompromiss. Anders sieht das ihr Interviewpartner, der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold – es handele sich um einen "Schlag ins Gesicht der ehrlichen Steuerzahler", der mit rechtsstaatlichen Prinzipien nicht zu vereinbaren sei, da auch Strafverfahren wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung vereitelt würden.

Malte Kreutzfeld (taz) meint, die Schweiz habe sich auf ganzer Linie durchgesetzt und Deutschland sei besser beraten, dem Weg der USA zu folgen und den schweizer Banken mit der Androhung von Ermittlungen wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu Leibe zu rücken. Deswegen müsse die SPD das Abkommen im Bundesrat stoppen.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Stuttgart 21: In einem schmissig geschriebenen Gastbeitrag für die SZ vertritt der Berliner Staats-, Verwaltungs- und Finanzrechtler Hans Meyer den Standpunkt, die Finanzierungsverträge für das umstrittene Bahnhofsprojekt "Stuttgart 21" seien "nach allen Regeln der Kunst nichtig" – und das "Stuttgarter Staatstheater" um deren Kündigungsmöglichkeit daher hinfällig. Die Finanzierungsbeteiligung des Landes stelle nämlich eine verfassungswidrige Mischfinanzierung dar.

Berufsgeheimnisträger: Der Rechtsanwalt Bernd von Heintschel-Heinegg stellt auf beck.blog.de ein Gutachten der Bundessteuerberaterkammer vor, nach dem die Ungleichbehandlung von Rechtsanwälten und Steuerberatern in § 160a der Strafprozessordnung verfassungswidrig sei. Steuerberater würden hinsichtlich des Schutzes vor staatlichen Ermittlungsmaßnahmen willkürlich schlechter gestellt, obwohl auch sie Organe der Rechtspflege seien.

Weitere Themen – Justiz

Buback-Prozess: Die SZ (Wolfgang Janisch) berichtet über den nun zehn Monate andauernden Strafprozess gegen die Ex-RAF-Terroristin Verena Becker vor dem Oberlandesgericht Stuttgart wegen der Ermordung Siegfried Bubacks 1977. Zwar mühe sich der Richter redlich und drehe "jeden Stein" um, es fehlten jedoch eindeutige Beweise. Und die einzig brauchbaren Zeugen – die Ex-Komplizen – schwiegen.

Unterhaltsrecht: Laut einem Bericht von lto.de hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass der gesetzgeberische "Systemwechsel" bei der Zuweisung des Kindergelds im Unterhaltsrecht verfassungsgemäß ist. Dieses stünde allein den Kindern zu, was Folgen für die Anrechenbarkeit des Kindergeldes auf die Unterhaltszahlungen habe.

Ehe und Familie: Die FAZ (Reinhard Müller) berichtet vorab über eine Stellungnahme des stellvertretende Vorsitzenden der Unionsfraktion im Bundestag, Günter Krings, zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu eingetragenen Lebenspartnerschaften. Das Gericht lasse Art. 6 des Grundgesetzes, soweit er sich auf die Ehe beziehe, "leer laufen".

DAK-Zusatzbeiträge: Wie spiegel.de berichtet, hat das Berliner Sozialgericht die von der Krankenkasse DAK seit 2010 erhobenen Zusatzbeiträge für rechtswidrig erklärt. Die Kunden seien nicht hinreichend über ein ihnen zustehendes Sonderkündigungsrecht aufgeklärt worden. Die DAK verweise dagegen auf gegenteilige Urteile anderer Sozialgerichte und wolle eine Berufung prüfen.

Urlaubsansprüche: Der Fachanwalt für Arbeitsrecht Hendrik Bourguignon erläutert auf lto.de eine "Kehrtwende" des Bundesarbeitsgerichts in seiner Rechtsprechung zur Abgeltung von Urlaub nach längerer Krankheit. So habe sich das Gericht zwar der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs angeschlossen, dass Urlaubsansprüche trotz Krankheit nicht verfielen. Die Ersatzansprüche in Geld bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis unterlägen jedoch als einfache Geldansprüche einzel- und tarfivertraglichen Ausschlussfristen. Ergo: Man müsse sich mit deren Geltendmachung beeilen.

BayernLB: Die BayernLB hat beim Handelsgericht Wien eine Schadensersatzklage gegen einen der Altaktionäre der österreichischen Bank Hypo Alpe Adria eingereicht, so ein Bericht der SZ (Klaus Ott). Dieser und andere Alteigentümer hätten die BayernLB vor dem Erwerb der Bank arglistig getäuscht; durch den Erwerb sei ein Schaden von 3,7 Milliarden Euro entstanden. Der erste Prozess sei nur der "Auftakt"; dies sei "prozessökonomischen Gründen" geschuldet. Unter den Altaktionären befänden sich auch der frühere Hypo-Chef Tilo Berlin und das Land Kärnten.

Anwaltsbetrug bei Streitwerten: Die Kritik an den Betrugsvorwürfen des Oberlandesgerichts Düsseldorf reißt nicht ab. Die FAZ (Joachim Jahn) berichtet, dass die Anwaltskammer Köln so weit gehe, dem Gericht Rechtsbeugung vorzuwerfen. Zudem habe das Gericht inzwischen beschlossen, keine Anzeige wegen Betrugs zu erstatten.

Weitere Themen – Recht in der Welt

Internationaler Strafgerichtshof: Der Strafrechtler Kai Ambos kritisiert in der FAZ die Verhandlungen mit dem lybischen Staatschef Gaddafi und das Verhalten der Weltgemeinschaft gegenüber dem syrischen Präsidenten Assad. Man sei derzeit Zeuge "eines einzigartigen Schauspiels diplomatischer Doppelzüngigkeit aus vorvölkerstrafrechtlichen Zeiten". Trotz Überweisung des Falls an den Internationalen Strafgerichtshofs würden derzeit Geheimverhandlungen über eine Immunität Gaddafis geführt. Dies untergrabe die Autorität des Gerichtshofs; außerdem privilegierten Immunitätsverhandlungen immer die Mächtigen. Dies könne man auf zynische Weise am Beispiel Syriens verfolgen – wo schon längst eine Überweisung an den Gerichtshof gerechtfertigt wäre.

 

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/thd


(Hinweis für Journalisten)

 

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 11. August 2011: Schwarzgeldwaschen bald legal – Urlaubsabgeltung bald weg – Strafgerichtshof bald Farce . In: Legal Tribune Online, 11.08.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3991/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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