Die juristische Presseschau vom 14. Oktober 2016: Kritik an säch­si­scher Justiz nach Suizid / BVerfG erlaubt Ceta vor­läufig / Fragen zum elek­tro­ni­schen Anwalts­post­fach

14.10.2016

Justiz

BVerfG zum Ceta-Abkommen: Das Bundesverfassungsgericht hat die Eilanträge gegen das Freihandelsabkommen Ceta abgelehnt. Damit kann die Bundesrepublik der Vereinbarung vorläufig zustimmen. Die Entscheidungsverkündung fassen u.a. spiegel.de (Markus Becker, Dietmar Hipp), Tsp (Jost Müller-Neuhof), FR (Ursula Knapp), SZ (Wolfgang Janisch), FAZ (Helene Bubrowski), SWR (Gigi Deppe) und taz (Christian Rath) zusammen. Die taz (Eric Bonse) weist darauf hin, dass damit der Weg aber noch nicht frei sei, auch in Belgien, Österreich und den Niederlanden regt sich Widerstand gegen Ceta.

Professor Markus Krajewski analysiert auf verfassungsblog.de die Auflagen, die das Gericht der Bundesregierung aufgegeben hat.

In seinem separaten Kommentar meint Wolfgang Janisch (SZ), dass die Ceta-Gegner trotz der Ablehnung der Anträge einen bedeutenden Erfolg errungen hätten, und zwar allein dadurch, dass das Gericht den Klagen einen prominenten Platz auf seiner Agenda eingeräumt habe. Dass die Zivilgesellschaft einen solchen Prozess der "höchstrichterlichen Reinigung" angestoßen habe, sei ein Beleg für ihr Funktionieren. Für Reinhard Müller (FAZ) muss gerade in Zeiten der Globalisierung die Öffnung der Grenzen mit einer starken demokratischen Rückbindung und rechtsstaatlicher Kontrolle einhergehen. Heike Anger (Hbl) sieht das Bundesverfassungsgericht vor dem Dilemma, durch Entscheidungen wie die in Sachen Ceta im Zweifel auch Fakten für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu schaffen und befürchtet dadurch "halbgare Entscheidungen". Christian Rath (BadZ) bezeichnet die Entscheidung als "typisches Karlsruhe-Urteil", das am Ende allen nutze: Die Bundesregierung erhalte mehr Akzeptanz für die Freihandelspolitik der EU und die Skeptiker seien angehört und ernst genommen worden.

Neue Verfassungsrichterin: Die taz (Christian Rath) stellt Yvonne Ott, die neue Bundesverfassungsrichterin vor, die am heutigen Freitag vom Bundesrat gewählt wird. Sie folgt Reinhard Gaier im Ersten Senat nach.

OLG München - NSU-Prozess: Im NSU-Verfahren haben laut spiegel.de (Wiebke Ramm) die Verteidiger des Angeklagten Ralf Wohlleben beantragt, den ehemaligen Krankenpfleger von Rudolf Hess als Zeugen zu laden. Er soll bestätigen, dass sich der ehemalige Stellvertreter von Adolf Hitler nicht in der Haft erhängt habe, sondern ermordet worden sei. Diese These vertreten viele Neonazis, Vertreter der Nebenklage kritisieren den Antrag daher als rechte Propaganda im Gerichtssaal.

BGH zur Beweislastumkehr im Gewährleistungsrecht: Professor Roland Schimmel beleuchtet auf lto.de die jüngste Entscheidung des BGH zum Gewährleistungsrecht, die eine Beweislastumkehr zugunsten des Käufers im Rahmen des § 476 BGB vorsieht. Der Käufer muss künftig weder den Grund für die Vertragswidrigkeit noch den Umstand beweisen, dass sie dem Verkäufer zuzurechnen ist. Im Ergebnis führt dies, so der Autor, zu einer quasi garantieähnlichen Haftung des Verkäufers, ein wirtschaftlich denkender Verkäufer wird ein daraus resultierendes zusätzliches Gewährleistungs-Kostenrisiko aber wohl in den Preis einkalkulieren.

LG Neuruppin zu Kindstod vor 42 Jahren: Die heute 74-jährige Frau, die angeklagt war, ihren achtjährigen Sohn vor 42 Jahren durch Gas getötet zu haben, ist von diesem Vorwurf freigesprochen worden. Das berichten spiegel.de, FAZ (Mechthild Küpper) und Tagesspiegel (Sandra Dassler). Die Erkenntnisse reichten für eine Verurteilung nicht aus, erläuterte der Vorsitzende Richter die Entscheidung.

Elektronisches Anwaltspostfach: Das besondere elektronische Anwaltspostfach beschäftigt jetzt auch den Bundestag. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat an die Bundesregierung eine kleine Anfrage gerichtet, in der insbesondere Fragen zu den technischen, rechtlichen und vertraglichen Grundlagen des Postfaches gestellt werden. Unter anderem wollen die Abgeordneten wissen, so heißt es in dem entsprechenden Bericht auf lto.de (Pia Lorenz), wie der Datenschutz gewährleistet wird und inwieweit die Bundesregierung Kenntnis vom Inhalt der Verträge in Bezug auf die Entwicklung des Systems hat.

BGH zur Untreue: Hendrik Wieduwilt (FAZ) äußert sich in einem Kommentar zur Entscheidung des BGH, mit der die Freisprüche von mehreren Vorstandsmitgliedern der HSH Nordbank vom Vorwurf der Untreue aufgehoben wurden. Er meint, dass die Rückverweisung an das LG Hamburg den dortigen Richtern die Gelegenheit gibt, "Managerpflichten auf besonders unvergessliche Art festzuschreiben: Mit dem Brandeisen eines Strafurteils".

Porträt Gerhard Strate: Die SZ (Klaus Ott) porträtiert den Strafverteidiger Gerhard Strate, der mit mehreren Anzeigen die Strafverfolgung von Bankmanagern der HSH Nordbank initiiert hatte. Der BGH hatte am Mittwoch die entsprechenden Freisprüche aufgehoben. Ott bezeichnet Strate in seinem Text als Querdenker mit Liebe zum Detail. Auch Hendrik Wieduwilt (FAZ) widmet sich der Person Gerhard Strates und untersucht dessen Motivation, die für einen Strafverteidiger eher untypisch sei.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 14. Oktober 2016: Kritik an sächsischer Justiz nach Suizid / BVerfG erlaubt Ceta vorläufig / Fragen zum elektronischen Anwaltspostfach . In: Legal Tribune Online, 14.10.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20863/ (abgerufen am: 06.05.2024 )

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